Verhindert die Green Claims Directive Greenwashing?

Greenwashing concept with cardboard factory being painted green
© Firn – stock.adobe.com

Die geplante Green Claims Directive soll Verbraucher und Unternehmen vor Greenwashing bei freiwilligen umweltbezogenen Werbeaussagen schützen. Sie ergänzt die ebenfalls von der EU-Kommission vorgeschlagene Aktualisierung des Verbraucherrechts  (mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken). Die Initiative gehört zum European Green Deal.

Ein Beitrag der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH

Laut dem Entwurf der Richtlinie ist das Ziel des European Green Deals

  • das Niveau des Umweltschutzes zu erhöhen und zur Beschleunigung des grünen Übergangs zu einer kreislauforientierten, sauberen und klimaneutralen Wirtschaft in der EU beizutragen,
  • die Verbraucher und Unternehmen vor „Greenwashing“ zu schützen,
  • die Verbraucher in die Lage zu versetzen, zur Beschleunigung des grünen Übergangs beizutragen, indem sie fundierte Kaufentscheidungen auf der Grundlage glaubwürdiger Umweltaussagen und -kennzeichnungen treffen,
  • die Rechtssicherheit in Bezug auf Umweltangaben und die Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt zu verbessern,
  • die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsakteuren zu erhöhen, die sich um eine größere Umweltverträglichkeit ihrer Produkte oder Tätigkeiten bemühen, und
  • Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bei grenzüberschreitenden Tätigen zu schaffen.

Laut dem von der EU-Kommission erarbeiteten Impact Assessment Report gab es 2020 in Europa rund 230 Umweltzeichen, von denen 48 Prozent einige soziale Merkmale abdeckten, 901 Kennzeichnungssysteme für den Lebensmittelbereich und 100 private Umweltzeichen für grüne Energie. Die Kommission stellt fest: „Viele Labels unterliegen (…) unterschiedlichen Anforderungen an Robustheit, Überwachung und Transparenz, was Fragen zu ihrer Zuverlässigkeit aufwerfen kann. (…) Den Verbrauchern scheint diese Unterscheidung nicht bewusst zu sein.“

53,3 Prozent der geprüften Umweltaussagen wurden als „vage, irreführend oder unfundiert“ beurteilt und 40 Prozent waren zudem nicht belegt. Des Weiteren stellt der Report fest, dass bei 27 Prozent der untersuchten Siegel die Standards oder Kriterien, die das Siegel garantieren sollen, nicht online verfügbar waren. 16 Prozent enthielten keine Angaben zu ihrer Bewertungsmethode. Nur 17 Prozent nannten einen Streitbeilegungs- oder Berufungsmechanismus in Bezug auf die Richtigkeit des Siegels.

Als besonders anfällig für Unklarheit und Mehrdeutigkeit – und damit irreführend für Verbraucher – gelten Umweltaussagen wie „klimaneutral“, „kohlenstoffneutral“, „100 Prozent CO2-kompensiert“ oder ähnliches. Bislang gibt es noch keine EU-weit geltenden Vorschriften zu freiwilligen Umweltaussagen, (Green Claims) von Unternehmen.

Zusätzlich, kein Ersatz

Zusammengefasst soll die Green Claims Directive für mehr Transparenz beim Verbraucher bei umweltbezogenen Entscheidungen sorgen, ungleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen beseitigen und Mindestkriterien für nachhaltige Informationen schaffen.

Aussagen sind der Richtlinie zufolge Botschaften oder Darstellungen, die rechtlich nicht erforderlich sind, die der Verbraucher aber mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt verbindet. Es geht dabei nicht nur um Texte, sondern auch um Bilder, Grafiken, Symbole sowie Marken-, Firmen- oder Produktnamen.

Freiwillige Werbeaussagen über umweltbezogene Auswirkungen, Aspekte oder Leistungen von Produkten, Dienstleistungen und Gewerbetreibenden unterliegen künftig folgenden Mindeststandards zum Beleg und zur Kommunikation:

  • Die Angaben müssen vor ihrer Veröffentlichung unabhängig und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse erstellt werden. Analysiert werden müssen die relevanten Umweltauswirkungen sowie Zielkonflikte. Dargestellt werden muss, ob die Aussagen für das gesamte Produkt/nur für Teile, für den gesamten Lebenszyklus/nur für bestimmte Phasen sowie für alle Geschäftsaktivitäten/nur für Teile zutreffen.
  • Bei der CO2-Kompensation muss angegeben werden, wie dies erreicht wird. Werden klimabezogene Ansprüche geltend gemacht, muss transparent gemacht werden, welcher Teil den eigenen Betrieb betrifft und welcher Teil auf dem Kauf von Ausgleichszahlungen beruht.
  • Alles muss „sachdienlich“ kommuniziert werden. Es darf nicht mit pauschalen, aggregierten Bewertungen von Umweltauswirkungen geworben werden, es sei denn, EU-Vorschriften schreiben dies vor.
  • Vergleiche mit Konkurrenzprodukten oder -anbietern sind nur auf Basis gleichwertiger Informationen und Daten erlaubt.
  • Umweltzeichen müssen verlässlich, transparent und unabhängig geprüft sein und regelmäßig überprüft werden. Bestehende Siegel dürfen weiter genutzt, neue jedoch nur noch eingeführt werden, wenn sie für die EU-Ebene entwickelt werden. Neue private Siegelsysteme müssen genehmigt werden; für die Genehmigung gilt es, die Vorteilhaftigkeit des Siegels gegenüber Bestehenden nachzuweisen.
  • Die EU-Mitgliedsländer müssen ein solides System zur unabhängigen Überprüfung und Unterstützung der Unternehmen schaffen.
  • Sammelklagen durch Verbraucherorganisationen sind möglich.

Wen es betrifft und wen nicht

Die Richtlinie gilt auch für Nicht-EU-Unternehmen, sofern sie Umweltaussagen gegenüber EU-Verbrauchern machen. Nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegen hingegen:

  • Kleinstunternehmen (weniger als zehn Beschäftigte und weniger als 2 Mio. Euro Umsatz) sind von den Anforderungen ausgenommen, es sei denn, sie möchten eine Bescheinigung über die Konformität der Umweltaussage erhalten. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) organisatorisch und technisch unterstützen. Die EU-Kommission will Finanzmittel bereitstellen.
  • Nachhaltigkeitsinformationen, für die es bereits auf EU- oder Länderebene Vorschriften für Finanzdienstleistungen gibt. Damit sind zum Beispiel Banken, der Kreditbereich, Erst- und Rückversicherung, betriebliche oder private Altersversorgung (Transparenz-Verordnung), Wertpapiere, Investmentfonds, Wertpapierfirmen, Zahlungen, Portfolioverwaltung und Anlageberatung, einschließlich der in Anhang I der Richtlinie 2013/36 aufgeführten Dienstleistungen, Abrechnungs- und Clearingtätigkeiten und Beratungs-, Vermittlungs- und sonstige Zusatzfinanzdienstleistungen, einschließlich Normen oder Zertifizierungssysteme für diese Finanzdienstleistungen ausgenommen.
  • Umweltinformationen, die nach europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erstellt werden.
  • Umweltaussagen, die unter bestehende EU-Vorschriften fallen, wie das EU-Umweltzeichen oder das EU-Bio-Logo für ökologische/biologische Lebensmittel.
  • Angebote, deren Konditionen vom umweltgerechten Verhalten des Nachfragers abhängen.

Das weitere Vorgehen

Dem Vorschlag für die Green Claims Richtlinie müssen das Europäische Parlament und der Rat noch zustimmen. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Nach weiteren sechs Monaten sind die Vorschriften dann anzuwenden.

Bedeutung für die Assekuranz

Versicherer und Vermittlerbetriebe sollten ihre Außendarstellung nun überprüfen. Die Einhaltung dieser Vorschriften bedeutet, dass Nachhaltigkeitspraktiken und Ziele klar kommuniziert und belegt werden müssen. Dies kann dazu führen, dass Geschäftsstrategien und Praktiken angepasst werden müssen, um sicherzustellen, dass keine falschen oder irreführenden Aussagen zur Nachhaltigkeit gemacht werden.

Nach Inkrafttreten der Green Claims Directive ist es nicht mehr möglich, pauschal als das „grünste Versicherungsunternehmen“ oder der „nachhaltigste Makler“ zu werben. Im Bereich von Finanzprodukten gelten entsprechende Regelungen zur Offenlegung von nicht-finanziellen Informationen gemäß der Transparenz-Verordnung.

„Grüne Versicherungen“, die Kunden für deren umweltfreundliches Verhalten mit günstigeren Vertragsbedingungen oder Preisen belohnen, bleiben erlaubt. Dies setzt festgelegte Umweltkriterien voraus.

Die Branche erhofft sich, von der neuen Regulierung bei der Kapitalanlage zu profitieren. „Denn auch Finanzdienstleister erhalten umweltbezogene Informationen und müssen auf deren Richtigkeit vertrauen können, um ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele und -auskunftspflichten zu erfüllen“, kommentiert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft den Richtlinienvorschlag.

Die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) hatten die Finanzmarktteilnehmer im Winter 2022 um Auskunft gebeten, was sie als Greenwashing betrachteten und wie sie sich diesem Risiko ausgesetzt sähen. Der GDV hat eigenen Angaben zufolge dabei auf Unsicherheiten hingewiesen, die sich oftmals aus der zeitlich und inhaltlich nicht abgestimmten Regulierung ergeben. Solche Unsicherheiten sollten jedoch nicht als Greenwashing ausgelegt werden.