Die Deutschen haben mehr Angst vor Trump als vor Corona

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In der Corona-Krise zeigt sich keine Spur von der sprichwörtlichen „German Angst“. Im Gegenteil: Die Ergebnisse der R+V-Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ belegen, dass in dieser Ausnahmesituation viele Sorgen in den Hintergrund treten.

Im Fokus stehen 2020 die wirtschaftlichen Themen, lediglich übertroffen von der Befürchtung, dass die Politik von Donald Trump die Welt gefährlicher macht – Platz eins der aktuellen Umfrage.

Nur jeder dritte Deutsche hat Angst vor einer Corona-Infektion

„Die Deutschen reagieren auf die Pandemie keineswegs panisch. Das verdeutlicht der Angstindex – der Durchschnitt aller abgefragten Ängste“, sagt Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters, anlässlich der Pressekonferenz in Wiesbaden. „Viele Sorgen gehen zurück. Deshalb sinkt der Index aller Ängste von 39 auf 37 Prozent und erreicht damit den niedrigsten Wert seit Beginn der Umfrage im Jahr 1992.“

Zum 29. Mal hat das Infocenter der R+V Versicherung rund 2.400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit befragt. Erstaunlich gering ist in diesem von Corona dominierten Jahr die Angst vor einer schweren Erkrankung. Sie liegt bei 32 Prozent (Vorjahr: 35 Prozent). Aber gilt das auch für Covid-19? Das R+V-Infocenter hat nachgefragt.

„Ebenfalls nur etwa jeder dritte Befragte fürchtet sich davor, dass er selbst oder die Menschen in seinem Umfeld sich mit dem Coronavirus infizieren könnten“, erklärt Römstedt. Die Gelassenheit zeigt sich auch bei einer weiteren Sonderfrage zu Corona: Nicht mehr als 42 Prozent der Befragten befürchten, dass es durch die Globalisierung in Zukunft häufiger zu Pandemien kommen könnte. „Angesichts der rasanten weltweiten Ausbreitung des Virus‘ hätten wir hier höhere Werte erwartet. Nach unseren Erkenntnissen haben die Menschen aber deutlich mehr Angst davor, dass das Virus ihren Wohlstand bedroht als ihre Gesundheit“, sagt Römstedt.

Als größtes Problem stufen 53 Prozent der Deutschen die Politik des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump ein – zum zweiten Mal nach 2018. Das sei berechtigt, sagt Professor Dr. Manfred G. Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Er berät das R+V-Infocenter seit vielen Jahren bei der Auswertung der Ängste-Studie.

„Trump sorgt mit seiner Außenpolitik immer wieder für schwere internationale Verwicklungen. Besonders herausragende Fälle sind dabei die handelskriegsartigen Konflikte mit China und die handels- und sicherheitspolitischen Attacken gegen verbündete Staaten, auch gegen Deutschland. Dazu kommen der Rückzug der USA aus internationalen Kooperationen und die Konfrontation mit dem Iran.“

Die Ängste der Deutschen

Corona-Krise forciert die wirtschaftlichen Sorgen

Einen massiven Einfluss hat die Corona-Krise auf die wirtschaftlichen Ängste – und wirbelt damit auch die Rangliste durcheinander. Erstmals seit sechs Jahren ist die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten wieder unter den sieben größten Ängsten. Nach einem Anstieg um acht Prozentpunkte klettert sie von Platz zehn auf Platz zwei und liegt bei 51 Prozent. Andere Wirtschafts- und Finanzängste kommen hinzu.

So befürchtet fast jeder zweite Befragte, dass die deutschen Steuerzahler für überschuldete EU-Staaten zur Kasse gebeten werden (49 Prozent, Platz drei; Vorjahr: 44 Prozent, Platz acht). In die Höhe geschossen ist vor allem die Angst vor einem Konjunktureinbruch: Belegte sie im vergangenen Jahr mit 35 Prozent noch Platz 14, springt sie jetzt nach einem Anstieg um 13 Prozentpunkte an die vierte Stelle der größten Sorgen.

Den pessimistischen Blick auf die deutsche Wirtschaft kann Professor Schmidt gut nachvollziehen: „Anlass und Ursache liegen auf der Hand. Infolge der Corona-Pandemie und des Corona-Krisenmanagements hierzulande und in nahezu allen Handelspartnerstaaten erlebt die Bundesrepublik Deutschland derzeit den stärksten Wirtschaftseinbruch ihrer Geschichte.“ Verstärkend wirkt nach seiner Ansicht die Gefahr erneuter Ausgangsbeschränkungen: „Die Befürchtung, dass eine zweite Corona-Infektionswelle einen weiteren, noch tieferen Wirtschaftseinbruch bringen könnte, trägt zur weit verbreiteten Unsicherheit über die Zukunft der Wirtschaft bei.“

Konjunktureinbruch schürt die Angst vor Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit war in den zurückliegenden Jahren des Wachstums eine der geringsten Sorgen. Doch 2020 rütteln Anzeichen einer bevorstehenden Insolvenzwelle viele Deutsche auf. Weit mehr Befragte als 2019 befürchten, dass die Arbeitslosenzahlen in Deutschland steigen (40 Prozent, plus zwölf Prozentpunkte). Eine realistische Einschätzung, so Professor Schmidt: „Die Befragten registrieren aufmerksam, dass die Arbeitslosenquote in diesem Jahr erstmals seit 2013 wieder gestiegen ist – trotz der milliardenschweren Liquiditätshilfen der Bundesregierung für Unternehmen. Und die Befragten wissen, dass in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten – die Kurzarbeit einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosenzahlen verhindert hat.“

Auffällig: Den eigenen Job zu verlieren, befürchtet wie im Vorjahr lediglich jeder vierte Berufstätige. „Diese Spreizung überrascht auf den ersten Blick. Aber das Rätsel lässt sich lösen“, erläutert Schmidt. „Von einer gesamtwirtschaftlich zunehmenden Arbeitslosenquote sind nicht alle Befragten gleichermaßen betroffen. Entlassungen treffen derzeit überwiegend Arbeitnehmer, die in durch die Corona-Krise stark angeschlagenen Branchen arbeiten, wie beispielsweise bei Reiseveranstaltern, in Kulturbetrieben oder in der Gastronomie.“

Politische Themen verlieren an Intensität

Die innenpolitischen Sorgen – in den vergangenen Jahren stets auf den Spitzenplätzen – haben durchweg an Bedeutung verloren. Am stärksten gesunken sind die Sorgen rund um die Zuwanderung: Nach einem Rückgang von mehr als zehn Prozentpunkten sind sie auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. 2020 befürchten jeweils 43 Prozent der Befragten, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern kommt (Vorjahr: 55 Prozent), und dass der Staat durch die große Zahl der Geflüchteten überfordert ist (Vorjahr: 56 Prozent). Unter die 40-Prozent-Marke gerutscht sind die Ängste vor politischem Extremismus (37 Prozent) und Terroranschlägen (35 Prozent).

Ein erstaunlicher Befund der Umfrage: 40 Prozent der Deutschen befürchten, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind – so wenige wie nie zuvor in diesem Jahrtausend. Damit fällt diese Sorge erstmals aus dem Ranking der Top Ten und landet auf Platz zwölf „Hier spiegelt sich die weit verbreitete Wertschätzung für das Corona-Krisenmanagement der Regierung. Offensichtlich ist die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass der Staat und seine Politiker die Krise hinreichend im Griff haben“, kommentiert Professor Schmidt.

Umweltsorgen auf dem Niveau des Vorjahres

Unverändert präsent bleiben die Sorgen rund um die Umwelt und das Klima. 44 Prozent der Befragten haben Angst davor, dass Naturkatastrophen zunehmen und Deutschland immer häufiger von Wetterextremen wie Dürre, Hitzewellen oder Starkregen betroffen sein wird. Da politische Themen in der Corona-Krise an Bedeutung verloren haben, klettert diese Angst von Platz 13 im Vorjahr jetzt auf Rang fünf. Fast genauso viele Menschen fürchten sich davor, dass Nahrungsmittel häufiger mit Schadstoffen belastet sind (42 Prozent, Rang acht). Angesichts des Klima-Themas in Politik und Gesellschaft ein unerwartet niedriger Wert: Dass der Klimawandel dramatische Folgen für die Menschheit hat, befürchten nicht mehr als 40 Prozent (Rang elf).

  • Unterschiede bei Männern und Frauen: Frauen sind traditionell ängstlicher als Männer – nicht nur bei Themen wie Krankheit, Pflege oder Umwelt. Auch beim Top-Thema des Jahres sind Frauen erheblich besorgter als Männer. 57 Prozent der Frauen sind sich einig, dass die Politik des US-Präsidenten die Welt gefährlicher macht, Männer sind mit 49 Prozent deutlich gelassener. Ebenfalls acht Prozentpunkte Unterschied gibt es bei der Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten (Frauen: 55 Prozent, Männer: 47 Prozent).
  • Pflegebedürftigkeit: Mit 41 Prozent rangiert die Angst, im Alter pflegebedürftig zu werden, weiterhin unter den Top Ten. Frauen (45 Prozent) sind bei diesem Thema deutlich besorgter als Männer (37 Prozent).
  • Partnerschaft: Eine gute Nachricht zum Schluss: Obwohl viele Paare in diesem Jahr durch die Ausgangsbeschränkungen oder die Arbeit im Homeoffice mehr Zeit als üblich gemeinsam verbracht haben, hat nur jeder zehnte Deutsche Angst davor, dass seine Partnerschaft zerbricht.

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