Versicherer erfüllen nicht finanzielle Berichtspflicht ordentlich

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MORGEN & MORGEN veröffentlicht neue ESG-Unternehmensbewertung. Der Fokus liegt auf der Transparenz und Überprüfbarkeit von Informationen in den Bereichen Environment, Social und Governance. 16 Versicherer sind top bewertet.

Yvonne Walocha, Senior Expert ESG and Sustainability, MORGEN & MORGEN GmbH © MORGEN & MORGEN GmbH

Mit dem neuen M&M Rating ESG Unternehmen setzt MORGEN & MORGEN nun auch beim Thema Nachhaltigkeit auf seine bewährte Analysequalität. Das Rating verfolgt dabei bewusst einen markt- und zeitgemäßen Ansatz und bewertet Versicherungsunternehmen anhand ihrer öffentlich zur Verfügung gestellten Nachhaltigkeitsinformationen.

„Wir beurteilen ESG-Informationen hinsichtlich ihrer Transparenz. Dazu haben wir M&M Kriterien entsprechend der Berichtspflichten für Versicherungsunternehmen entwickelt“, beschreibt Yvonne Walocha, Senior Expert ESG and Sustainability bei MORGEN & MORGEN, die Vorgehensweise.

Die ESG-Analyse der 46 Versicherungsgesellschaften zeigt im Detail, inwieweit die Unternehmen bereits ihre Strategie zum Thema Nachhaltigkeit wirksam in ihre Prozesse implementiert haben. Damit können Verbraucher die komplexen Informationen verstehen und vergleichen, wenn sie sich für einen nachhaltigen Anbieter entscheiden möchten. Versicherungsgesellschaften mit einer Bewertung von vier oder fünf Sternen zeigen damit, dass sie den Anforderungen der Berichtspflichten besonders gut und transparent nachkommen.

Mit einem Durchschnitt von vier Sternen zeigt das Ratingergebnis, dass die Versicherer die nicht finanzielle Berichtspflicht inzwischen recht gut umsetzen. Am stärksten sind die Unternehmen im Bereich Governance aufgestellt. Die strategische Verankerung der ESG-Thematik ist hier deutlich fortgeschritten.

„Insgesamt informieren die Unternehmen in vielen Bereichen konkreter und transparenter, wenn auch aufgrund der kommenden Green Claims Verordnung etwas vorsichtiger. Trotzdem ist das ESG-Datendickicht nach wie vor herausfordernd. Vor allem bei den CO2-Emissionen, hier besteht noch viel Luft nach oben“, resümiert Yvonne Walocha.

Das Rating

MORGEN & MORGEN betrachtet in seiner ESG-Unternehmensanalyse die Bereiche Environment, Social und Governance und bewertet die transparente Darstellung der Informationen aus öffentlich zugängigen Berichten zum Thema Nachhaltigkeit der Versicherungsunternehmen.

Der Fokus liegt auf einer neutralen und unabhängigen Betrachtungsweise. Sie stützt sich auf die relevanten Kriterien, die in den Teilratings analysiert und bewertet werden. Weitere Informationen finden sich in der Rating-Dokumentation. Die M&M Analyse konzentriert sich hier ausschließlich auf die Transparenz der Informationen, da die Datenlage aktuell – insbesondere im Bereich Environment – noch keine weiterführende Auswertungen zulässt.

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Im Rating werden insgesamt 46 Versicherungsunternehmen analysiert, die mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen. Die Ratingbewertung erfolgt auf Konzernebene, da die Nachhaltigkeitsberichtserstattung in der Regel für einen gesamten Konzern erfolgt.

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Das Ergebnis im Gesamtrating präsentiert sich bereits mit einer starken Präsenz der Vier- und Fünf-Sternebewertungen. Von 46 analysierten Unternehmen erhalten 16 Versicherer fünf Sterne und 12 Gesellschaften vier Sterne. Das Mittelfeld zeigt mit 12 Drei-Sterne-Unternehmen Potenzial. Nur viermal werden zwei Sterne und zweimal wird ein Stern vergeben.

„Insgesamt ist die Branche sehr bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden. Das Engagement im Mittelstand ist hoch und einige kleine und mittelgroße Versicherer liefern hier gute Ergebnisse“, resümiert Yvonne Walocha.

Teilrating Environment

Im Teilrating Environment zeigt das Verfahren auf, ob der Versicherer seine Initiativen zur CO2-Reduzierung offenlegt. Zusätzlich wird betrachtet, ob die direkten (Scope 1) und indirekten (Scope 2 und Scope 3) CO2-Emissionen vom Unternehmen veröffentlicht werden. Zudem wird die transparente Offenlegung der CO2-Emissionen der Kapitalanlage bewertet.

Im Bereich der Kapitalanlage wird untersucht, welche nachhaltigen Anlagestrategien vom Versicherungsunternehmen angewendet werden. Es wird die transparente Offenlegung der taxonomiefähigen Kapitalanlagen (CapEX und umsatzbasierte Bruttoprämien) in der Lebensversicherung und auch im Non-Life-Bereich überprüft. Außerdem geht in die Bewertung ein, inwiefern auch im Non-Life-Bereich ESG-Faktoren in den Produkten berücksichtigt werden.

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Mit einem Durchschnitt von 3,6 Sternen ist der Bereich Environment im Vergleich am schwächsten aufgestellt. Hier liegen für die Versicherer aktuell die größten Herausforderungen. Das zeigt sich auch am Ergebnis, das sich mit 19 Drei-Sterne-Unternehmen eher bauchig präsentiert. Sechs Gesellschaften sind mit fünf Sternen und 11 Versicherer mit vier Sternen bereits sehr gut aufgestellt. Die schwache Riege zeigt sich mit acht Versicherern, die zwei Sterne erhalten und zwei Gesellschaften mit nur einem Stern.

„Im Bereich Environment gibt es noch viel Potenzial. Einige Versicherer sind vor allem bei der Beschaffung der Daten sowie der Berechnung der Scopes noch nicht gut aufgestellt. Sie sind teils schwer nachvollziehbar“, sagt Yvonne Walocha.

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Die einzelnen Kriterien im Teilrating Environment beleuchten, wie gut die Branche aktuell in den einzelnen Bereichen aufgestellt ist. Herausfordernd für die Versicherungsgesellschaften sind hier die großen Datenmengen, die sie beschaffen, erfassen und analysieren müssen.

Die beste Datenlage zeigen die Unternehmen mit im Schnitt 4,2 Punkten im Bereich „ESG in den Non-Life-Produkten“, gefolgt von der Datentransparenz zu den „Nachhaltigen Kapitalanlagestrategien“. Hier erreicht die Branche im Schnitt 4,1 Punkte. Bei den Initiativen zu den Reduzierungen der CO2-Emissionen zeigen sich die Versicherer bereits sehr transparent und erreichen im Schnitt 3,8 Punkte.

Besonders positiv ist hervorzuheben, dass alle Versicherer ihre Maßnahmen zur Reduktion ihres CO2- Fußabdrucks sehr transparent zeigen. Bei der „Taxonomiefähigkeit Leben“ erzielt die Branche im Schnitt 3,4 Punkte. Jeder der analysierten Versicherer legt zumindest seine CapEx basierten, taxonomiefähigen Investitionen offen.

Der Bereich der CO2-Emissionen schwächelt mit 3,2 Punkten. Vor allem bei den CO2-Emissionen der Kapitalanlage sowie bei der Umsetzung der Scopes 1-3 ist die Datenlage teils schwach. Im Bereich Non-Life legt nahezu ein Drittel der analysierten Unternehmen die CapEx basierten, taxonomiefähigen Kennzahlen offen. Auch wenn über 80 Prozent der Versicherer die taxonomiefähigen Bruttoprämien anzeigen, erzielt die Branche hier lediglich 2,8 Punkte.

Im Teilrating Social wird das Unternehmen hinsichtlich der Wahrnehmung seiner sozialen Verantwortung bewertet, insbesondere in Bezug auf seine Mitarbeiter und Kunden, sowie hinsichtlich seines sozialen, gesellschaftlichen Engagements. Die Bereiche Diversität und Inklusion, Work-Life-Balance, Gesundheitsmanagement, Kundenzufriedenheit sowie soziales Engagement stellen die grundlegenden Kriterien.

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Die deutschen Versicherer zeigen sich mit im Schnitt 4 Sternen im Bereich Social sehr gut aufgestellt. 15 Gesellschaften sind mit fünf Sternen top bewertet. Elf erreichen vier Sterne. Mit drei Sternen sind 14 Versicherer durchschnittlich bewertet. Sechs Gesellschaften schaffen es nur auf zwei Sterne. Ein Stern wurde nicht vergeben.

„Beim Thema Inklusion stellen wir noch große Zurückhaltung fest. Die Aussagen sind oft pauschal und wenig greifbar“, stellt Yvonne Walocha fest.

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Im Teilrating Social zeigen die Kriterien, wie die Branche ihre soziale Verantwortung aktuell in ihren Stakeholder-Relations umsetzt. Im Bereich „Gesundheitsmanagement“ sowie im Bereich „Work-Life-Balance“ erreichen die Unternehmen im Schnitt 4,3 Punkte. Hier zeigen viele Unternehmen ein hohes Engagement für ihre Mitarbeiter.

Bei den Themen „Diversität und Inklusion“ erreichen die Gesellschaften im Schnitt 3,9 Punkte. Mit nur knapp 23 Prozent fällt vor allem die niedrige Frauenquote in den Führungsebenen ins Auge. Auch wenn über 70 Prozent der Versicherer dies sehr transparent darstellen. Bei den Maßnahmen zur Inklusion zeigen sich die Versicherer noch zurückhaltend. Die Behindertenquote oder die Schwerbehindertenquote veröffentlichen knapp zwei Drittel aller Versicherer.

Die Datenlage im Bereich Kundenzufriedenheit kann noch konkreter werden. Aktuell sind die Versicherer hier im Schnitt mit 3,8 Punkten bewertet. Vor allem die Kundenzufriedenheitsmessungen sowie das Beschwerdemanagement haben den M&M Analysen nach noch Luft nach oben. Ihr soziales Engagement schwächelt noch in Bezug auf seine Transparenz. Spenden werden zwar von 80 Prozent der Versicherer offengelegt, nur rund ein Viertel zeigt aber die konkrete Aufteilung in Bezug auf ihr soziales Engagement an.

Teilrating Governance

Im Teilrating Governance wird bewertet, welche Rolle das Thema ESG im Unternehmen spielt. Hierbei wird überprüft, welche Organe das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen verantworten und steuern, ob das Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse durchführt, welche Strategien das Unternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit daraus formuliert, wie eine solche Strategie umgesetzt und verfolgt wird und welche Ziele sich das Unternehmen setzt. Die Kriterien Nachhaltigkeitsverantwortung, Wesentlichkeitsanalyse sowie Nachhaltigkeitsstrategie sind Grundlage der Bewertung.

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Die Sterneverteilung zeigt mit einem Durchschnitt von 4,4 Sternen ein hohes Niveau. Mit 32 Versicherern erreichen knapp 70 Prozent fünf Sterne. Sechs Versicherer schließen sich mit der sehr guten Bewertung von vier Sternen an. Fünf Versicherer erhalten drei Sterne. Nur eine Gesellschaft ist mit zwei Sternen bewertet und zwei Versicherer erreichen lediglich einen Stern.

„Im Bereich Governance ist ersichtlich, dass sich die Versicherungsgesellschaften tiefgründig mit den Anforderungen zu ESG auseinandersetzen und diese im Unternehmen größtenteils gut verankern. Beispielsweise durch Nachhaltigkeitsbeauftragte oder einer tiefgreifenden Wesentlichkeitsanalyse, die der Dreh- und Angelpunkt der zukünftigen Berichterstattung sein wird“, zieht Yvonne Walocha das positive Fazit.

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Im Teilrating Governance zeigen die Kriterien in der Analyse auf, wie das Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmen bereits in den Prozessen implementiert ist. Die Branche zeigt hier eine hohe Bereitschaft zur Transparenz, insbesondere in den Bereichen der „Nachhaltigkeitsverantwortung“ und „Wesentlichkeitsanalyse“. Hier erzielen die Unternehmen im Schnitt 4,4 Punkten.

Das Thema ESG ist bereits nachhaltig in den Unternehmensstrategien verankert. Das spiegelt das Ergebnis von 4,3 Punkten im Durchschnitt wider. „Es ist klar ersichtlich, dass die Unternehmen sich hier stark ausrichten und wir stets eine Dynamik erkennen werden“, sagt Yvonne Walocha.

Ausblick

Das Thema Nachhaltigkeit ist für Verbraucher und Vermittler dann greifbar, wenn Transparenz einzieht und Aussagen vergleichbar sind. Hier sind wir auf einem guten Weg, den MORGEN & MORGEN mit seinen Analysen weiter voranbringen möchte. Daher liegt der Fokus im M&M Rating ESG-Unternehmen stark auf der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Aussagen zur Nachhaltigkeit.

Die Branche steht aktuell unter großem Druck im Hinblick auf die zukünftigen Pflichten der CSRD. Auch wenn das noch nicht Grundlage der Bewertung im M&M Rating ESG Unternehmen ist, ist es ersichtlich aus den Anstrengungen zur Umsetzung der nichtfinanziellen Berichtspflichten. Für alle Beteiligten wird es damit vermutlich erst einmal nicht leichter.

MORGEN & MORGEN wird mit Einführung der CSRD dessen Anforderungen auch in der Bewertung berücksichtigen, um hier Transparenz und Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Bilder (2–10): © MORGEN & MORGEN GmbH