Gewerbeimmobilien mit höheren Anforderungen an Risikosysteme

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Die Anforderungen an die Risikosysteme bei gewerblichen Immobilienanlagen haben sich durch die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich erhöht. Damit sind zukünftig breitere Szenarien zu betrachten, und der so genannte Erwartungswert ist durch Maximalverlustszenarien zu ergänzen.

Das ist eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen Risikoanalyse Immobilienmarkt, die die DVFA-Kommission Immobilien der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Assetmanagement (DVFA) jetzt veröffentlicht hat.

Brigitte Walter, Mitglied der DVFA Immobilienkommission: „Besonders zu beobachten ist eine – im Vergleich zu historischen Krisen – deutlich stärkere Differenzierung von Werten, Nachfrage und damit letztlich von Preisen hinsichtlich der Lagen und der Qualität der Assets. Die Beurteilungskriterien haben sich nach Corona und Energiewende verschoben. Dieses betrifft auch die Unternehmen, die als Mieter den Cash-Flow der Immobilien sichern.“

„Auch vor diesem Hintergrund werden Prime-Immobilien weniger von einem sich abschwächenden Markt betroffen sein. Teilweise werden Sie sich sogar von der allgemeinen Entwicklung entkoppeln. Auf der anderen Seite werden Non prime-Immobilien von der Nachfrage- und der Bewertungsseite deutlich stärker betroffen. Auch die Themen Homeoffice und Digitalisierung sind in den potenziellen Auswirkungen noch nicht endgültig absehbar. Diese erweiterten Differenzierungsmerkmale müssen bei der Investitions- und Risikobeurteilung eine deutlich stärkere Rolle spielen“, ergänzt Benjamin Klisa, Leiter Steuerung Geschäftsfeld Immobilien, Deka Immobilien Investment und stellvertretender Leiter der DVFA Immobilienkommission.

Generell befinden sich laut Risikoanalyse die Finanzmärkte und Banken im Vergleich zur Finanzmarktkrise in einer reduzierten Risikosituation. Der aktuelle Renditeabstand zwischen Nettoanfangsrendite und Refinanzierungszins ist für viele Player ungewöhnlich niedrig, aber historisch betrachtet immer wieder mal temporär anzutreffen. Auch für das aktuelle Jahr wird noch mit einem Yield-Anstieg gerechnet.

Klisa ist der Ansicht, dass generell die pauschale Darstellung mit scheinbaren Analogien zur Finanzmarktkrise von 2007/08 zu einer vereinfachenden Beurteilung führe, die nicht sachgerecht sei und zu Fehlinterpretationen verleite. „Zweifelsohne paaren sich aktuell eine Vielzahl von Entwicklungen, die zusammen eine historisch neue Situation darstellen, aber auch differenziert zu betrachten sind“, betont Walter. 

So zeigt sich das Bankensystem stabil: Zum einen hat sich in den letzten Jahren die Eigenkapitalausstattung auf rund 14 bis 15 Prozent erhöht. Während der Finanzmarktkrise lag sie in Deutschland teilweise unter 10 Prozent. Zudem gibt es deutlich veränderte regulatorische Vorgaben. Insbesondere die reduzierten Finanzierungsquoten sowie die eingeführten Kündigungsfristen bei offenen Immobilienfonds mindern die Liquiditäts- und Firesale Risiken im Markt spürbar. 

Im Gegensatz zur Finanzmarktkrise handelt es sich aktuell bisher auch nicht um eine kombinierte Miet- und Investmentmarktkorrektur. Walter erklärt „Bezogen auf den Vermietungsmarkt treffen wir nach wie vor auf ein niedriges Angebot bei gleichzeitig niedrigem Leerstand. Dieses Bild unterscheidet sich wesentlich von dem in den Jahren 2007/2008.“ Aktuell werden die zinsbezogenen Immobilienwertverluste durch Mietanstiege teilkompensiert. Zudem gibt es kein Überangebot von Flächen und keine überbordende Projektpipeline für Büroimmobilien. 

Als positiv erachten die Autoren der Risikoanalyse, dass sich der Gewerbeimmobilienmarkt in den letzten Jahren deutlich professionalisiert hat und damit resilienter gegenüber wirtschaftlichen Entwicklungen geworden ist. Sie betonen aber abschließend: „Dennoch ist in der derzeitigen Situation ein besonderer Fokus auf die permanente Überwachung von potenziellen und eventuell neuen Risikofaktoren auf das eigene Geschäftsmodell zu legen.“