Auf Details kommt es an: Die Elementarschadenversicherung

Ahrtal-Hochwasser 2021
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Abgeknickte Bäume, vollgelaufene Keller, abgedeckte Dächer – immer öfter ist von Begriffen wie Jahrhundertflut, Hochwasser- oder Unwetter-Katastrophe die Rede. Auch die Ahrtalflut im Jahr 2021 wird als die bisher schwerste Naturkatastrophe Deutschlands in Erinnerung bleiben. Durch schwere Überflutungen in großen Teilen Süd- und Westdeutschlands wurden nicht nur versicherte Schäden von rund 8,75 Milliarden Euro verursacht, es verloren auch mehr als 180 Menschen ihr Leben.

Dominik Nawe
Dominik Nawe, Vorstandsreferent, ARTUS GRUPPE © ARTUS GRUPPE

Es ist deutlich zu sehen: Die Versicherung von Elementarschäden nimmt immer mehr an Bedeutung zu. Aber auch die einschlägigen Regelungen zur Elementarschadenversicherung sind nicht von Auslegungsproblematiken befreit. Werfen wir einen Blick in deren „Geheimnisse“.

Als klassische und typischerweise grundsätzlich mitversicherte Elementargefahren gelten sogenannte Sturmschäden. Nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen ist Sturm eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 auf der Beaufortskala. Voraussetzung ist, dass der Sturm diese aus eigener Kraft erreicht, eine Verstärkung, etwa durch einen Hubschrauber, würde also nicht genügen. Es ist dennoch keine Voraussetzung, dass durchgehend Windstärke 8 vorherrscht, Zwischenphasen mit geringerer Windstärke schaden dem Versicherungsschutz nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Sturm unmittelbar auf das versicherte Gebäude einwirkt und damit die letzte – aber nicht zwangsläufig einzige – Ursache des Schadens gesetzt hat.

Unmittelbar?

Richtig. Das ist der Punkt, an dem bei erst mal eindeutigen Elementarschäden die Auslegung beginnt. Fällt durch einen Sturmschaden die Stromversorgung im Kraftwerk aus und daraus folgend wird die Haustechnik des versicherten Gebäudes beschädigt, spricht man nicht von einem unmittelbaren Einwirken des Sturms auf das Gebäude. Denn: Nur Schäden, die Folge eines unmittelbaren Sturmschadens sind, sind versichert. Dabei könnte es sich um Regen handeln, der in das Haus eindringt, nachdem das Dach durch den Sturm abgedeckt wurde.

Die Unmittelbarkeit ist dann nicht notwendig, wenn Dinge durch den Sturm auf das versicherte Gebäude geworfen werden. Wohl muss der Sturm aber auch hier die letzte Ursache für den Schaden gesetzt haben. Gehen wir davon aus, dass ein Baum massiv durch einen Sturm geschädigt wird, aber erst Tage später auf das versicherte Gebäude fällt. Würden die einschlägigen Versicherungsbedingungen eine Unmittelbarkeit vorsehen, würde es wohl an einer Deckung scheitern. Tatsächlich genügt es jedoch für einen Versicherungsschutz, soweit nach dem Sturm keine weiteren Tatsachen hinzutreten, die die Standfestigkeit des Baums beeinträchtigen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.09.2017 – 6 U 191/15).

Ist von der Elementarschadenversicherung die Rede, so wird von den sogenannten weiteren Naturgefahren gesprochen. Sie sind als Ergänzung zu den meist obligatorisch versicherten Sturmschäden wahlweise versicherbar. Neben Vulkanausbrüchen, Lawinen und Schneedruck sind auch Schäden durch Überschwemmung, Rückstau, Erdrutsch, Erdsenkung und Erdbeben inkludiert.

Die Problematik von Grund und Boden

Neben Sturmschäden sind aber auch Überschwemmungen klassische Elementargefahren. Unter einer Überschwemmung versteht man die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch eine Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern, Witterungsniederschlägen oder den Austritt von Grundwasser. Wann es sich um erhebliche Wassermengen handelt, wird allerdings dem Einzelfall überlassen und muss geprüft werden. Pfützen dürften in jedem Fall nicht genügen. Es muss allerdings nicht das gesamte Versicherungsgrundstück unter Wasser stehen. In der Formulierung „Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks“ liegt jedoch eine oft vergessene Problematik.

Mit „Grund und Boden“ ist die unversiegelte Geländeoberfläche des Versicherungsgrundstücks gemeint. Diese Definition trifft auf diverse übliche Schadenszenarien nicht zu. Man stelle sich die Überflutung der öffentlichen Straße vor, die direkt an die versicherte Tiefgarage angrenzt. Schäden durch das in die Garage laufende Wasser wären allerdings nicht gedeckt. Auch Schäden infolge von Wasseransammlungen auf stark versiegelten Terrassen, komplett geteerten oder anderweitig versiegelten Firmengeländen oder direkt angrenzenden Nachbargrundstücken bleiben ganz oder teilweise unversichert. Jedenfalls dann, wenn Wasser sich nicht vorher auf unversiegelten Teilen des Versicherungsgrundstücks gesammelt hat und dann über die versiegelten Teile in die versicherten Gebäude floss.

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft ist dieser Problematik in seinen Musterbedingungen zur Hausratversicherung (VHB 2022) und Wohngebäudeversicherung (VGB 2022) mit einer entsprechenden Ergänzung zumindest teilweise beigekommen. Es heißt nun, dass eine Überschwemmung die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks oder (!) von unmittelbar angrenzenden Grund- und Bodenflächen, Straßen, Geh- und Radwegen mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser ist. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es sich um (freiwillige) Musterbedingungen handelt, die Vielzahl der aktuell am Markt vorhandenen Deckungen berücksichtigen diese Anpassungen leider nicht. Unverändert bleibt die Regelung aktuell unter anderem noch in den auf gewerbliche Kunden ausgerichteten Musterbedingungen „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung (ECB 2010)“.

Problemstellung Erdrutsch

Eine ähnliche Problematik rankt sich um den versicherten Erdrutsch. Die bereits erwähnten VGB und VHB 2022 beschreiben diesen als ein „naturbedingtes Abrutschen oder Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen“. Um einen Versicherungsfall auszulösen, müssen Erd- oder Gesteinsmassen naturbedingt ins Rutschen geraten, menschengemachter Erdrutsch – etwa durch Bauarbeiten – wird daraus folgend explizit ausgeschlossen. Ebenso muss es sich, so die herrschende Meinung, zwar nicht um einen plötzlichen, aber doch wahrnehmbaren Vorfall handeln.

Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit einer ähnlichen Fragestellung beschäftigt. Der Kläger bemerkte an seiner Terrasse Risse, die durch nicht augenscheinliche Rutschungen des Untergrunds von wenigen Zentimetern pro Jahr verursacht wurden. Die vereinbarte Klausel der Wohngebäudeversicherung definierte den Erdrutsch als „naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen“. Der Versicherer lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, dass eine nicht wahrnehmbare Erdbewegung über einen längeren Zeitraum nicht gedeckt sei. Dieser Auffassung folgte der BGH nicht. Im Begriff „Abrutschen und Abgleiten“ sah der BGH keine Notwendigkeit einer sensorischen Wahrnehmbarkeit und sprach dem Versicherungsnehmer vollen Versicherungsschutz zu. Es spricht jedoch viel dafür, dass sich aus der zwischenzeitlich etablierten Definition des Erdrutsches als „Abrutschen oder Abstürzen von Erd- oder Gesteinsmassen“ wörtlich doch etwas Wahrnehmbares als Voraussetzung entnehmen lässt; hier hätte es wohl keine Entschädigung für die Risse gegeben. Eine abschließende Klärung – auch für zukünftige Versicherungsfälle – bleibt jedoch künftiger Rechtsprechung vorbehalten.

Das Sprichwort „Der Teufel steckt im Detail“ wird an diesen, doch eher unauffälligen, Regelungen sinnbildlich. Daher legen wir als Versicherungsmakler viel Wert darauf, die aktuellen Rechtsprechungen im Auge zu behalten und Versicherungsbedingungen individuell anzupassen. Wir wollen unseren Kunden mehr als nur den „Standard“ bieten, sondern einen jederzeit topaktuellen Versicherungsschutz. Dafür stehen wir gemeinsam als ARTUS GRUPPE ein.

Über den Autor

Dominik Nawe ist Vorstandsreferent bei der ARTUS GRUPPE, einem der Top-Versicherungsmakler in Deutschland, Versicherungsjurist (Master of Laws) und nebenberuflich Dozent/Lehrbeauftragter der Technischen Hochschule Köln in Kooperation mit der Deutschen Versicherungsakademie, der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und dem Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft. Schon vor seinem Master in Versicherungsrecht beschäftigte sich Dominik Nawe gerne mit der rechtlichen Seite von Versicherungsfällen, wie auch hier im Bereich der Elementarschadenversicherungen.

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