Herausforderung Altersvorsorgeberatung 2024

Hand stapelt Münzen auf Bauklötze
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Betrachtet man das Thema Altersvorsorge, so sollte man sich zunächst klarmachen, worin das Problem für den Einzelnen überhaupt besteht. Denn eins ist klar: Wer kein Problem sieht oder erkennt, der sucht auch keine Lösung – oder umgekehrt: Wer ein Problem erkannt hat, sucht auch Lösungen.

Prof. Michael Hauer,
Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer, Institut für Vorsorge und Finanzplanung © Institut für Vorsorge und Finanzplanung

Zunächst sollte man sich klarmachen, dass die Altersvorsorge durch zwei Komponenten bedingt wird: das lange Leben und die Lebensstandardlücke. Ist eines von beiden nicht gegeben, so ist auch keine Altersvorsorge nötig. Der Sachverhalt, dass man länger lebt, als man glaubt, stellt dabei das wohl am meisten unterschätzte Risiko dar. Das nachfolgende Beispiel zeigt dies sehr deutlich: Statistisch gesehen erreicht eine 50-jährige Frau mit einer Wahrscheinlichkeit von 55 Prozent das 90. Lebensjahr, das bedeutet: Fünf von zehn 50-jährigen Frauen werden 90 Jahre oder älter. Die Krux dabei ist, dass diejenigen fünf, die das Glück haben, zu den Langlebenden zu gehören, dies vorher nicht wissen. Es kann somit jeden treffen, und zwar ungeplant. Und somit kann vom Grundsatz her jeder dem sogenannten finanziellen Langlebigkeitsrisiko oder auch „Geld-ist-weg-und-man-ist-noch-da-Risiko“ unterliegen.

Die zweite Komponente ist die Lebensstandardlücke. Gäbe es diese Lücke nicht, so wäre auch keine Vorsorge für das Alter nötig. Eine groß angelegte Studie der Ruhr-Universität Bochum hat 20.000 Personen aus 11.000 Haushalten untersucht und kam zum Ergebnis, dass circa 80 Prozent vom letzten Nettoeinkommen benötigt werden, um im Alter so leben zu können, wie man es gewohnt ist. Die Frage, ob im Alter der persönliche Lebensstandard gehalten werden soll, ist eher eine rhetorische Frage. Jeder hat das Ziel, im dritten Lebensabschnitt weiterhin so zu leben, wie er es gewohnt ist. Dies wäre alles kein Problem, wenn die gesetzliche Rentenversicherung circa 80 Prozent des Nettoeinkommens abdecken könnte oder würde. Dies ist jedoch mitnichten so. Bei der gesetzlichen Rente liegt das sogenannte Rentenniveau derzeit bei einem Durchschnittsverdiener noch bei 48 Prozent. Dabei ist der anfallende Steueranteil noch abzuziehen.

Häufig vergessen: der Steuerabzug

Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung hat berechnet, dass unter Berücksichtigung der Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge eine Nettoersatzquote von 40 Prozent entsteht. Das bedeutet, vergleicht man das Nettoeinkommen aus der Berufstätigkeit vor dem Ruhestandsbeginn (also unter Berücksichtigung der Inflationsrate) mit der Nettorente im Ruhestand, so errechnet sich der Wert von circa 40 Prozent. Je höher das Einkommen ist, desto geringer wird dieser Wert – insbesondere dann, wenn die Gehälter über der Beitragsbemessungsgrenze (90.600 Euro im Westen, 89.400 Euro im Osten) liegen, da man in diesen Gehaltsregionen keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen muss und somit dafür auch keine Rentenpunkte erhält. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass in den meisten Fällen eine Lebensstandardlücke von mindestens 40 Prozent-Punkten vorhanden ist (Differenz zwischen 80 Prozent und 40 Prozent) und mehr Menschen länger leben, als sie sich das vorstellen können. Somit liegt das Problem klar auf der Hand: Altersvorsorge – insbesondere auch in Form einer Leibrente, also einer Rente, die lebenslang gezahlt wird – ist definitiv dringend notwendig.

Das Prinzip Hoffnung ist ein schlechter Berater

Natürlich könnte man nach dem Prinzip Hoffnung verfahren und glauben, dass die gesetzliche Rente es schon richten wird. Dies wird jedoch nicht geschehen, denn ab 2025 wird die Generation der Baby-Boomer (geboren zwischen 1960 und 1970) in den Ruhestand gehen und sich dadurch das Verhältnis zwischen der Anzahl der Rentner und der Beitragszahler noch mehr vergrößern. Das Problem ist zwar seit langer Zeit bekannt, aber keine der bisherigen Bundesregierungen wollte es anpacken, da es viel zu brisant ist. Die ab 2025 neu gewählte Bundesregierung wird sich aber mit diesem unliebsamen und sehr intensiven Thema beschäftigen müssen. Denn die Konsequenz ist klar: Entweder weniger Rente oder höhere Beiträge oder höheres Renteneintrittsalter. Untersuchungen zeigen, dass wohl an allen drei Stellschrauben gedreht werden muss.

An Möglichkeiten fehlt es nicht

Betrachtet man all diese Fakten, dann wird jedem die Notwendigkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge mehr als bewusst. Spätestens an diesem Punkt stellt sich aber auch die Frage, was denn für den Einzelnen am besten ist. Hier kommt die gute Nachricht: In keinem Land dieser Erde sind die Möglichkeiten der staatlich geförderten Altersvorsorge so ausgeprägt wie in Deutschland. Angefangen mit der betrieblichen Altersversorgung über die „Riester-Rente“ (die derzeit reformiert wird) bis hin zur Basisrente, auch Rürup-Rente genannt, gibt es eine Vielzahl staatlich geförderter Versorgungswege. Und darüber hinaus steht auch die ungeförderte dritte Schicht mit zum Beispiel privaten Rentenversicherungen, Investmentfonds und Immobilien zur Verfügung.

Sich in diesem Dschungel an Möglichkeiten und Regelungen auszukennen, ist für einen Laien nahezu unmöglich. Daher ist es aus meiner Sicht dringend nötig, sich von einem Experten/einer Expertin beraten zu lassen. Sowohl Finanzberater*innen als auch Makler*innen genießen aufgrund ihrer zum Teil sehr langen Kundenbeziehungen ein hohes Vertrauen bei ihren Kunden. Dieses sollte und muss genutzt werden, um das essenzielle Thema Altersvorsorge anzusprechen. Schwieriger ist es, dieses komplexe Thema bei Neukund*innen zu platzieren. Hierfür ist unter anderem die Online-Beratung mithilfe von Softwareunterstützung (wie sie zum Beispiel das Tool von www.fairadvisor.net leistet) sehr gut geeignet.

Damit und auch mit dem Nachweis bestimmter Ausbildungsmaßnahmen wie des IVFP-Vorsorgeberaters kann potenziellen Neukunden und Neukundinnen die eigene Kompetenz aufgezeigt werden. Gleichzeitig stellen die Social-Media-Kanäle eine Herausforderung dar. Befragungen zeigen in diesem Zusammenhang, dass viele Menschen ihren „Freunden“ auf Facebook und weiteren Plattformen sehr viel Glauben schenken. Doch zählen die auf Social Media verbreiteten Tipps wirklich immer zu den besten? Sicherlich nicht. Doch ohne Social-Media-Präsenz geht es heute auch nicht mehr. Daher kann man nur empfehlen, sich dort mit kompetenter Fachlichkeit zu zeigen, damit auch und insbesondere bei jüngeren Menschen das Interesse und die Aufmerksamkeit bei diesem wichtigen Thema geweckt werden kann.

Egal, ob es nun die jüngeren Kundinnen sind oder die Zielgruppe 50 plus, jeder benötigt dringend Altersvorsorge, um im wohlverdienten Ruhestand das Leben so genießen zu können, wie man es sich vorstellt. Daher kann man nur alle Beraterinnen ermutigen, sich damit intensiv zu beschäftigen, ganz nach einem bekannten Zitat des italienischen Dichters Dante Alighieri: „Der eine wartet, bis die Zeit sich wandelt, der andere packt sie an und handelt.“

Bild (2): © Institut für Vorsorge und Finanzplanung