Haftungsfalle: Wohngebäudeversicherung

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Obliegenheiten bewirken erfahrungsgemäß, dass der Eintritt des Versicherungsfalls verhindert oder erschwert wird. Wird sich aber dafür auf allgemeine Sicherheitsvorschriften aus Gesetzen oder Behörden berufen, ergibt sich ein Konflikt mit Transparenzgebot und öffnet sich erschwerend eine Haftungsfalle für den Makler. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski gibt in dieser Beitragsserie einen umfassenden Überblick zu Problematik, Rechtslage und Praxis sowie Handlungsempfehlungen.

Erster Teil der Beitragsserie von Prof. Dr. Hans-Peter SchwintowskiKanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte © Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft

Das Problem

In einer Vielzahl von Wohngebäudeversicherungen heißt es: „Vertraglich vereinbarte Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, sind:

a. Die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften […].“[1]

Eine Klausel mit diesem Wortlaut lag auch der Wohngebäudeversicherung zugrunde, über die das LG Flensburg am 26.1.2017 entschieden hat.[2] Die gegen das Urteil des LG Schleswig gerichtete Berufung hat das OLG Schleswig am 18.5.2017 zurückgewiesen.[3] Eine inhaltlich gleiche Formulierung findet sich auch in den empfohlenen Bedingungen zur Feuerversicherung.[4] Der BGH hat sich mit einer solchen Klausel bisher nicht vertieft beschäftigt, er hat sie allerdings auch nicht in den Fällen beanstandet, in denen sie vereinbart war.[5]

In den Musterbedingungen des GDV zur Wohngebäudeversicherung[6] kommt der Wortlaut dieser Klausel nicht vor. Dort werden Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Versicherungsfall unter A20 definiert. Es geht nicht um die Einhaltung aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften, sondern unter anderem darum, dass der VN versicherte Sachen stets in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten hat (A20.1.1) und das nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile zu jeder Jahreszeit genügend häufig kontrolliert werden müssen (A20.1.2).

Für den Makler, der verpflichtet ist, im bestmöglichen Kundeninteresse (§ 1a VVG) zu beraten, kann die Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, zur Haftungsfalle werden. Ihm sollten die Unterschiede zwischen den zwei Deckungskonzepten klar vor Augen stehen.

Aus der Perspektive des gut beratenen Versicherungsnehmers sollte der Makler den heutigen Empfehlungen des GDV zur Wohngebäudeversicherung folgen. Die Maklerverbände sollten darauf dringen, dass die Versicherer die früher gebräuchliche Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, nicht mehr verwenden.

Die Gründe liegen in den Unsicherheiten, ob und in welchen Fällen der Versicherungsnehmer möglicherweise seinen Versicherungsschutz verliert, wenn er eine gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschrift nicht beachtet.

Das Urteil des BGH v. 13.11.1996

Im Fall, den der BGH am 13.11.1996[7] entschieden hat, ging es um eine Feuerversicherung, der die AFB 87 zugrunde lagen. Dort war vereinbart, dass der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen, behördlichen oder im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten hat.

Mitarbeiter des VN hatten einen im Jahre 1989 stillgelegten Ölofen ohne Überprüfung durch den Bezirksschornsteinfegermeister in Betrieb genommen. Die (heißen) Abgase wurden über ein auf einer Holzverkleidung verlegtes Ofenrohr ins Freie geleitet. Nach Inbetriebnahme im Februar 1991 schloss ein Mitarbeiter den Absperrhahn für die Ölzufuhr und verließ den Raum. Eine halbe Stunde später stand das Bürogebäude mit der danebenliegenden Lagerhalle in Flammen und brannte nieder.

Der Versicherer berief sich auf Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz, insbesondere die Feuerverordnung, wonach ein Abgasrohr an der Wand entlang der Holzverkleidung verboten war. Außerdem hätte der Schornsteinfegermeister die Anlage überprüfen und genehmigen müssen. Wären diese Sicherheitsvorschriften beachtet worden, wäre das Feuer nicht ausgebrochen.

Die Instanzgerichte verneinten die Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Sicherheitsvorschriften, weil der Versicherer nicht bewiesen habe, dass der Brand seine Ursache in dem vorschriftswidrig aufgestellten Ölofen hatte. Diese Beurteilung der Beweislast wies der BGH als rechtsfehlerhaft zurück. Dies Folge aus der Natur der vereinbarten gefahrvorbeugenden Obliegenheiten.

Obliegenheiten bezweckten und bewirkten erfahrungsgemäß, sofern sie beachtet würden, dass der Eintritt des Versicherungsfalls verhindert oder erschwert werde. Die Vereinbarung der Leistungsfreiheit habe auch für den durchschnittlichen VN erkennbar den Sinn, den Versicherer und die Gemeinschaft der Versicherten vor dem erhöhten Risiko zu schützen, das im Allgemeinen mit der Verletzung einer solchen Obliegenheit verbunden sei.[8]

Die Sanktion der Leistungsfreiheit träfe den VN deshalb bereits dann, wenn er durch die Verletzung der Obliegenheit eine Gefahrenlage geschaffen habe, die generell die Wahrscheinlichkeit vergrößere, dass sich das versicherte Risiko verwirkliche. Deshalb sei es Sache des VN nachzuweisen, dass die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht ursächlich gewesen sei.[9]

Diese vom BGH zum früheren § 6 VVG entwickelten Grundsätze gelten auch nach Neuordnung des Rechts der Obliegenheitsverletzungen seit dem 1.1.2008 in § 28 VVG weiter, jedenfalls dann, wenn der VN die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Völlig anders stellen sich die Dinge aber dann dar, wenn man davon ausgehen würde, dass die Klausel, wonach der VN alle gesetzlichen, behördlichen oder im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten habe, gar keine wirksame Obliegenheit darstellt.

Dieser Auffassung sind das LG Flensburg[10] und ihm folgend das OLG Schleswig.[11] Nach beiden Gerichten ist die Obliegenheit in der Wohngebäudeversicherung, „die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu erfüllen“, mangels eigenständigen Regelungsgehalts wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Anmerkungen:

[1] Diese Formulierung wird etwa verwendet in der Wohngebäudeversicherung in der R&V classic 1/2023, Nr. 15.1.1 oder in der Grundeigentümerversicherung VGB 2023 Home Max unter B3.3.1.1a.

[2] LG Flensburg v. 26.1.2017 – 4 O 177/16, juris.

[3] OLG Schleswig, Beschluss v. 18.5.2017 – 16 U 14/17, BeckRS 2017, 158399.

[4] AFB 2008/2010 B, § 8; dazu Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl.,Bd. 7 Sachversicherung, S. 212 f.

(5] BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 226/95, VersR 1997, 485; BGH v. 30.4.2008 – IV ZR 53/05, VersR 2008, 961; weitere Nachweise bei Günther, Anm. zu LG Flensburg v. 26.01.2017 – 4 O 177/16 v. 18.1.2018, juris PR, VersR 1/2018, Anm. 2 unter II 1.

[6] VGB 2022 – Wert 1914 „Gleitender Neuwert Plus“.

[7] IV ZR 226/95, VersR 1997, 485

[8] So bereits BGH v. 27.2.1976 – IV ZR 20/75, VersR 1976, 531 unter I 1 und BGH v. 8.3.1978 – IV ZR 161/76, VersR 1978, 433, 434.

[9] BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 226/95, VersR 1997, 785 Rn. 14.

[10] LG Flensburg v. 26.1.2017 – 4 O 177/16, juris.

[11] OLG Schleswig v. 18.5.2017 – 16 U 14/17, BeckRS 2017, 158399.

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