Was ist Lohnwucher und wie können Arbeitnehmer sich wehren?

Anzugträger zeigt unglücklicher Mitarbeiterin Unterlagen

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Lohnwucher tritt auf, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer absichtlich ein Gehalt zahlt, das erheblich unter dem branchenüblichen Durchschnitt liegt. Dies geschieht häufig unter Ausnutzung einer Schwäche oder Notlage des Arbeitnehmers, etwa in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder wenn der Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig ist. Diese Praxis ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch rechtlich unter bestimmten Umständen strafbar.

Arbeitnehmer, die von Lohnwucher betroffen sind, haben laut Stephan Labitzke, Anwalt für Arbeitsrecht in Plauen, die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten. Sie können vor dem Arbeitsgericht klagen, um eine ihrer Qualifikation und der üblichen Bezahlung in der Branche entsprechende Vergütung durchzusetzen. Zusätzlich besteht die Option, strafrechtliche Maßnahmen gegen den Arbeitgeber zu ergreifen, indem eine Strafanzeige gestellt wird. Dies zielt darauf ab, ein gerechtes Arbeitsentgelt sicherzustellen und gleichzeitig abschreckende Maßnahmen gegen unlautere Praktiken zu unterstützen.

Was versteht man unter Lohnwucher?

Lohnwucher bezeichnet eine Form der Ausbeutung von Arbeitskräften und ist arbeitsrechtlich unzulässig. Es handelt sich hierbei um eine Straftat, die im Strafgesetzbuch (StGB) verankert ist. Lohnwucher kann bei Arbeitnehmern, Auszubildenden oder freien Mitarbeitern auftreten. Lohnwucher wird festgestellt, wenn ein deutliches Missverhältnis zwischen der erbrachten Arbeitsleistung und der dafür erhaltenen Vergütung besteht. Dies wird sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 138 BGB) als auch im Strafgesetzbuch (§ 291 StGB) näher definiert.

Ein weiteres Kriterium für Lohnwucher ist die vorsätzliche Ausnutzung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dies erfolgt oft aufgrund einer Schwäche oder Notlage des Arbeitnehmers, wie einer Zwangslage, mangelndem Urteilsvermögen, erheblicher Willensschwäche oder Unerfahrenheit.

Lohnwucher fällt unter die Kategorie der sittenwidrigen Rechtsgeschäfte. Laut § 138 BGB sind solche Geschäfte nichtig. Dies kann Arbeitsverträge oder Vereinbarungen über die Entlohnung betreffen, abhängig vom Ort der Vereinbarung.

Selbst in Zeiten, in denen der Mindestlohn gesetzlich verankert ist, kann Lohnwucher vorkommen. Dies ist der Fall, wenn die Bezahlung eines Arbeitnehmers lediglich den gesetzlichen oder tariflichen Mindestlohn erreicht, jedoch die übliche branchenübliche Vergütung nicht berücksichtigt. Für die Feststellung eines Lohnwuchers dient das branchenübliche Entgelt als Maßstab für den objektiven Wert der Arbeitsleistung. Ein auffälliges Missverhältnis liegt nach der aktuellen Rechtsprechung vor, wenn die Vergütung deutlich von der branchenüblichen Vergütung in der Wirtschaftsregion abweicht.

Ausnutzung von Arbeitnehmerschwächen nach § 138 BGB

Ein wesentliches Merkmal von Lohnwucher nach § 138 Abs. 2 BGB ist das Vorhandensein eines auffälligen Missverhältnisses zwischen der Arbeitsleistung und der Vergütung. Dies allein führt jedoch bisher nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Zusätzlich muss der Arbeitgeber die Schwäche oder Notlage des Arbeitnehmers ausnutzen, um von Lohnwucher sprechen zu können.

Zur Konkretisierung: Es handelt sich um eine Ausbeutung, wenn der Arbeitgeber die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche des Arbeitnehmers für seine Zwecke nutzt. Solch ein Verhalten seitens des Arbeitgebers kann dazu führen, dass ein Rechtsgeschäft als wucherähnlich eingestuft und damit als nichtig betrachtet wird.

Die Ausnutzung einer Zwangslage ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund finanzieller oder anderweitiger schwerwiegender Probleme sich gezwungen sieht, das Arbeitsverhältnis unter ungünstigen Bedingungen einzugehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Im Falle der Unerfahrenheit kann etwa ein Mangel an beruflicher Erfahrung oder ein unzureichendes Verständnis für geschäftliche Prozesse, wie es oft bei Berufseinsteigern oder ausländischen Fachkräften, die erst kurz in Deutschland leben, der Fall ist, ausgenutzt werden. Ein Mangel an Urteilsvermögen liegt vor, wenn eine Person aufgrund eingeschränkter kognitiver Fähigkeiten nicht vollständig die Tragweite oder die Konsequenzen ihrer Entscheidungen erfassen kann. Eine erhebliche Willensschwäche, beispielsweise durch Suchtprobleme wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, kann ebenfalls ein Anzeichen dafür sein, dass ein Arbeitnehmer besonders anfällig für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse ist.

Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Lohnwucher

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Entscheidungen Details zur Beurteilung von Lohnwucher festgelegt. Für die Bewertung der Angemessenheit eines Arbeitsentgelts orientiert sich das BAG häufig an den Tarifentgelten der jeweiligen Branche (16. 5. 2012 – 5 AZR 268/11). Die Tarifvergütung gilt als üblich, wenn mehr als die Hälfte der Arbeitgeber in der Region tarifgebunden sind. Sollte eine solche tarifliche Bindung nicht mehrheitlich vorliegen, wird das regionale Lohnniveau, das sich für die betreffende Tätigkeit herausgebildet hat, zur Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung herangezogen.

In weiteren Urteilen hat das BAG klargestellt, dass ein deutliches Missverhältnis (22. 4. 2009 – 5 AZR 436/08) dann vorliegt, wenn die Vergütung – ohne weitere Zuschläge oder Zulagen – unter zwei Drittel des branchenüblichen Entgelts fällt. In einem solchen Fall wird ein wucherisches Rechtsgeschäft angenommen.

Das BAG betont zudem, dass für die Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts primär der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (26. 4. 2006 – 5 AZR 549/05) entscheidend ist. Eine anfangs gültige Entgeltvereinbarung kann jedoch im Laufe der Zeit als sittenwidrig eingestuft und damit für nichtig erklärt werden, vor allem, wenn es in der betreffenden Branche zu einem Anstieg der Tariflöhne kommt, ohne dass eine individuelle Anpassung des Entgelts erfolgt.

Wie Arbeitnehmer Lohnwucher bekämpfen können

Arbeitnehmer, die vermuten, Opfer von Lohnwucher zu sein, sollten zunächst die Angemessenheit ihres Entgelts prüfen. Ein Vergleich des Arbeitsentgelts mit den ortsüblichen Tarifentgelten der Branche oder dem allgemeinen Lohnniveau in der Region bietet hierfür eine gute Grundlage. Auch eine Bewertung der Arbeitstätigkeit hinsichtlich ihrer Schwierigkeit sowie ein Vergleich der eigenen Arbeitsleistung mit der von Kollegen kann aufschlussreich sein, um Unstimmigkeiten zu identifizieren.

Bei einem begründeten Verdacht auf Lohnwucher ist es ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein auf Arbeitsrecht und Strafrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann dabei unterstützen, die rechtliche Situation zu klären und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Ein Rechtsanwalt überprüft die Sachlage und berät hinsichtlich der möglichen juristischen Schritte. Sollte der Anwalt zu dem Schluss kommen, dass tatsächlich Lohnwucher vorliegt, kann er bei der Formulierung einer Klage helfen und den Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht vertreten. Ziel einer solchen Klage ist es oft, das betreffende Rechtsgeschäft für nichtig erklären zu lassen, was zur Folge haben könnte, dass dem Arbeitnehmer eine höhere Vergütung sowie Nachzahlungen zustehen.

Neben zivilrechtlichen Schritten steht es dem Arbeitnehmer frei, auch strafrechtlich gegen den Lohnwucher vorzugehen, indem er eine Strafanzeige bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder Amtsgericht einreicht. Ein spezialisierter Anwalt für Strafrecht kann bei der Formulierung der Anzeige behilflich sein.