ADAC-Rechtsschutz zur Deckung von Diesel-Klage verurteilt

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Schwere Niederlage für die ADAC-Rechtsschutzversicherung. Der Versicherer muss die Kosten für eine Diesel-Klage gegen BMW übernehmen. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den ADAC am 30. März 2023 zur Übernahme der erstinstanzlichen Kosten. Anders als der ADAC sah das Gericht für die Klage im Diesel-Abgasskandal hinreichende Erfolgsaussichten.

Der Senat bezog sich in seinem Urteil (Az.: I-20 U 144/22) explizit auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Am 21. März 2023 urteilte der EuGH, dass bereits fahrlässiges Handeln der Hersteller für Schadensersatz im Diesel-Abgasskandal genügt. Darüber hinaus gelten am EuGH so genannte Thermofenster zur Manipulation der Abgasreinigung als illegal. Und genau um eine solche Abschalteinrichtung geht es in dem BMW-Verfahren. Diese Konstellation war für das OLG Hamm ausschlaggebend, der Deckungsklage eines Verbrauchers im Kern stattzugeben.

Abgasskandal: EuGH-Rechtsprechung wirkt bei Deckungsklagen

Rechtsschutzversicherer wie der ADAC haben geglaubt, dass der Diesel-Abgasskandal zu Ende ist. Deshalb verweigerte auch der ADAC Deckungszusagen für Diesel-Klagen. Die Rechtsabteilungen gehen davon aus, dass für die Klagen keine Erfolgsaussichten mehr bestehen.

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner verbraucherunfreundlichen Rechtsprechung dieser Entwicklung Vorschub geleistet. Aufgrund von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat sich nun der Wind wieder gedreht. Das Oberlandesgericht Hamm gab eine Deckungsklage gegen den ADAC statt. Das Gericht sah „hinreichende Erfolgsaussichten“ für die Klage gegen den Autohersteller BMW. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das Verfahren und das Urteil kurz zusammen:

Ein Verbraucher kaufte im Jahr 2014 einen gebrauchten BMW X 1. Er beabsichtigte Schadensersatzansprüche gegen die BMW AG mit der Begründung geltend zu machen, dass die dort Verantwortlichen den PKW mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und zudem mit einem so genannten „Thermofenster“ versehen und ihn dadurch vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hätten.

Die Rechtsschutzversicherung des ADAC verweigerte im August 2020 für die Klage die Deckungszusage mit der Begründung, es gebe keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Der ADAC lehnte auch das Gutachten zum Stichentscheid ab. In erster Instanz bekam der ADAC recht. Der Stichentscheid sei nicht bindend, und die Argumente der Diesel-Klage seien nicht stichhaltig. Der Verbraucher war seit 1990 beim ADAC rechtsschutzversichert.

Erfolgsaussichten gegeben

Das OLG Hamm wertete jedoch die Sachlage anders. Zum einen besteht für den Rechtsschutzfall Versicherungsschutz. Zum anderen ergeben sich für das Gericht die Erfolgsaussichten daraus, dass der PKW mit einem sogenannten Thermofenster versehen sein könnte. Diese Software verringert die Abgasrückführung, wenn die Außentemperaturen unter beziehungsweise oberhalb einer gewissen Schwelle liegen. Unterm Strich führt das zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen. Dass der PKW des Klägers mit einem solchen Thermofenster ausgestattet ist, ist von der Beklagten nicht hinreichend wirksam bestritten worden.

Nach der Rechtslage, wie der Senat diese jetzt beurteilt, kann nicht mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass dem Kläger gegen die BMW AG ein Schadensersatzanspruch zusteht.

Das OLG weist auch auf die jüngste Rechtsprechung am EuGH hin. Die im Abgasskandal entscheidende Verordnung (EG) Nr. 715/2007 schütze auch die individuellen Rechte der Verbraucher. Vor diesem Hintergrund und die ausstehenden Entscheidungen am BGH ist für das Gericht nicht auszuschließen, dass die Diesel-Klage gegen BMW Erfolg haben wird. Die Erfolgsaussichten werden als hinreichend gewertet. Und das genügt nach bestehender Rechtsprechung zur Erteilung der Deckungszusage.

Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

Verbraucherfreundliche Entwicklung

Rund 2100 Verfahren am BGH und schätzungsweise fast 100.000 anhängige Klagen an unteren Instanzen beschäftigen sich auch noch knapp acht Jahren nach dem Beginn des Diesel-Abgasskandals mit Schadensersatzklagen gegen Autohersteller. Und die Chancen der Verbraucher sind in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Das müssen auch die Rechtsschutzversicherer akzeptieren und die Deckung für die Dieselverfahren übernehmen.

Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 21. März 2023 neue Dynamik in den Skandal gebracht und die Klagemöglichkeiten der Verbraucher deutlich erleichtert und damit der Rechtsprechung des BGH vehement widersprochen ( Az.: C-100/21). Der BGH sah für einen Schadensersatz stets den Nachweis von Sittenwidrigkeit und Vorsatz vor. Dem EuGH genügt hingegen bereits fahrlässiges Handeln. Der Nachweis der Fahrlässigkeit lässt sich leichter bewerkstelligen als der des vorsätzlichen Handelns. Schließlich kann kein Verbraucher in Unternehmensabläufe hineinschauen.

Der BGH hat sich deshalb am 8. Mai 2023 versucht, neu zu positionieren. Der Diesel-Senat am BGH tendiert nach einem Verhandlungsmarathon zu einer neuen verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Verbraucher könnten den durch die Abgasmanipulation verursachten Minderwert ersetzt bekommen und das Fahrzeug behalten. Noch sind viele Fragen offen, aber die Richtung ist klar: Es wird eine neue Art von Schadensersatz geben. Verbraucher könnten leichter zu ihrem Recht gelangen. Eine neue Klagewelle ist möglich. Die Versicherer müssen die Klagen decken, da die Erfolgsaussichten enorm gestiegen sind. Die Entscheidung will der BGH am 26. Juni 2023 verkünden.

Fazit

Vom Diesel-Abgasskandal betroffene Verbraucher müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben.

Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer prüft den konkreten Fall und gibt eine Ersteinschätzung, bevor ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer geplant wird. Die Chancen der Verbraucher auf Schadensersatz sind im Abgasskandal derzeit enorm gestiegen. Dem müssen auch die Rechtsschutzversicherer Rechnung tragen und die Kostendeckung der Diesel-Klagen übernehmen.