Die Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts

Deutschland-Flagge auf rissiger Wand
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Es war ein Donnerschlag! Der Richterspruch aus dem Walhalla der deutschen Rechtsprechung¹ erklärte nicht nur das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz für nichtig, sondern löste auch einen politischen Erdrutsch aus. Während die Vertreter der Oppositionsparteien im Bundestag hämisch die Hände reiben, verordnet der Bundesfinanzminister der Regierung einen stringenten Sparkurs, widerspricht vehement einer erneuten Lockerung der Schuldenbremse und einer Erhöhung der Steuern.

Ein Kommentar von Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer AssekuranZoom GbR.

Bürgergeld, BAföG, Fördergelder und -prämien sowie Subventionszahlungen und internationale Finanzhilfen stellt der Bundesfinanzminister auf den Prüfstand der Einsparungen. Gut so, wir haben viel zu lange über unsere Verhältnisse gelebt und die praktizierte Füllhornpolitik dieser und früherer Regierungen hat dazu geführt, dass der Boden des Finanzhaushaltstopfes deutlich sichtbar ist.

Gelebte Bürgernähe wäre wünschenswert …

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR © AssekuranZoom GbR

Führungskräfte in Unternehmen kennen den Erfolgsgrundsatz für eine nachhaltige Motivation von Mitarbeitern: „Gehe immer mit gutem Beispiel voran und fordere von deinen Mitarbeitern nie mehr, als du selbst bereit bist zu tun.“ Ein Ansatz, der nicht nur bei der Mehrheit der Bürger für Zustimmung sorgen, sondern auch dem Bundesfinanzminister ein Einsparpotenzial bescheren würde, wäre da die Umsetzung der Wahlrechtsreform 2020. Aktuell zählt der Deutsche Bundestag 736 Abgeordnete und stellt damit nach dem Nationalen Volkskongress in China das zweitgrößte Parlament der Welt. Mit der Wahlrechtsreform 2020 sollte die Zahl der Parlamentarier in Berlin dauerhaft auf 630 und damit um über 100 Kostenpositionen reduziert werden.

Saldiert man die laufenden Bezüge, die steuerfreie Kostenpauschale, das Sachleistungskonto und die Mitarbeiterpauschale, so steht jeder Abgeordnete mit rund 230.000 Euro/Jahr auf der Payroll des Bundesfinanzministers. Die kostenfreie Nutzung der Deutschen Bahn und von Inlandsflügen, der Zugriff auf die Dienstwagenflotte, der Anspruch auf Büroausstattung, das Übergangsgeld und ein opulenter Pensionsanspruch wurden dabei noch nicht berücksichtigt. Würde man den Deutschen Bundestag um 100 Parlamentarier verkleinern, dann hätte der Bundesfinanzminister jährlich 23 Millionen Euro plus Folge- und Nebenkosten eingespart. Natürlich hören wir die Stimmen der Kritiker dieser Sparmaßnahme: 23 Millionen Euro entsprechen bei einem Einsparbedarf in Milliardenhöhe zugegebenermaßen nur den berühmten Peanuts. Aber wer sucht, der findet …

Die Welt ist ihr Büro …

Die Bundesaußenministerin eilt von Termin zu Termin. Allein im Zeitraum zwischen dem 07. und dem 16.01.2024 nahm die Ministerin Termine in Jerusalem, Ramallah, Al-Arish, Beirut, Manila, Kuala Lumpur und Singapur wahr. Für derartige Auslandsreisen stellt die Flugbereitschaft der Bundeswehr einen langstreckentauglichen Airbus A350. Berücksichtigt man die Kosten für eine Flugstunde mit dem A350 mit rund 25.000 Euro sowie eine Flugzeit für Hin- und Rückflug mit 24 Stunden, saldiert sich der Aufwand für eine Dienstreise nach Singapur – exklusive der Kosten vor Ort – auf rund 600.000 Euro. Natürlich kann der Außenministerin ein Flug mit einer Linienmaschine nicht zugemutet werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob für diese Dienstreisen nicht auch ein äußerst komfortabler Learjet eingesetzt und – bezogen auf eine Reise nach Singapur – geschätzt Kosten in Höhe von 430.000 Euro eingespart werden könnten. Rechnet man die Kosten für die Einsätze der Flugbereitschaft der Bundeswehr für ein Kalenderjahr zusammen, so würde mit einem Einsatz kleinerer Flugzeuge ein Einsparpotenzial in Millionenhöhe entstehen.

Vollkommen losgelöst von der finanziellen Betrachtung stellt sich die Frage, wie die Bundesaußenministerin den Ausstoß von ein paar Tausend Tonnen Kohlendioxid während eines Umlaufs nach beziehungsweise von Singapur mit ihrem grünen Gewissen vereinbaren kann. Die Wahl eines kleineren Flugzeugs würde also nicht nur dem Steuerzahler unnötige Kosten ersparen, sondern auch die Emissionslast ihrer Reisen deutlich reduzieren.

Diese nüchternen Zahlen dürfen noch um ein Bonmot ergänzt werden: Natürlich müssen bei einem Staatsbesuch Outfit, Frisur und Make-up stimmen. Allein für die Bundesaußenministerin bezifferte sich der Aufwand für eine styli­sche Frisur und ein abgestimmtes Make-up im Zeitraum 01.01.2022 bis 30.06.2023 auf rund 137.000 Euro, die wieder zulasten des Steuerzahlers gehen.

Die unendliche Geschichte der Pkw-Maut

Immer wieder wird in Weiterbildungsveranstaltungen an Vermittlerinnen und Vermittler der Warnhinweis auf haftungsrelevante Beratungsfehler gegeben. Bekanntlich haftet der Berufsstand im Fall einer nachgewiesenen Falschberatung und der Nachweis einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ist für die Erteilung einer Vermittlerzulassung zwingende Voraussetzung. Nun wäre es höchst erfreulich, wenn auch unsere gewählten Volksvertreter für den Schaden aus nachweisbaren Fehlern die finanziellen Konsequenzen tragen müssten. Hier wäre exemplarisch das Mautdebakel zu nennen, das den Steuerzahler 243 Millionen Euro an Schadenersatzzahlungen an zwei Betreiberfirmen gekostet hat. Der zuständige Verkehrsminister hatte den Betreiberfirmen zu einem Zeitpunkt Aufträge zugesagt, zu dem beim Europäischen Gerichtshof eine Klage bezüglich der Rechtmäßigkeit der deutschen Mautpläne anhängig war. Allerdings wurde das voreilige Handeln des damaligen Verkehrsministers auch nicht anderweitig abgestraft und so sitzt der Exminister noch heute als Abgeordneter im Deutschen Bundestag.

Solidarität gefordert, aber nicht gelebt …

Unsere gewählten Volksvertreter würden ein wichtiges Signal in Richtung der Bürger senden, wenn sich auch die Politik in den eigenen Reihen bewegen und mit gezielten Sparmaßnahmen ein Vorbild geben würde. So hält der Bundesfinanzminister – zumindest aktuell – noch an der in Art. 109 und Art. 115 Grundgesetz verankerten Schuldenbremse fest. Nachdem – vorbehaltlich anderslautenden Meldungen – auch Christian Lindner noch nicht die Quelle der wundersamen Geldvermehrung entdeckt hat, stellt sich für den Bundesfinanzminister die Frage, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann und welche Etattöpfe in Zukunft nur noch mit geringeren Zahlungen aus dem Bundeshaushalt befüllt werden dürfen. Und damit wären wir bei …

… der höchsten Ausgabenposition im Bundeshaushalt, …

den Zuschusszahlungen an die sozialen Sicherungssysteme. Es ist hinreichend bekannt, dass die gesetzliche Rentenversicherung als Intensivpatient nur mit finanziellen Dauerinfusionen aus dem Bundeshaushalt künstlich am Leben erhalten werden kann. Im Jahr 2023 musste der Bundesfinanzminister aus dem Bundeshaushalt allein für die gesetzliche Rentenversicherung eine Subventionszahlung von rund 118 Milliarden Euro leisten. Die gute Nachricht ist, dass die Zahlungen an die gesetzliche Krankenversicherung und an die soziale Pflegeversicherung deutlich geringer ausfielen. Nunmehr hat der Bundesfinanzminister entschieden, auch die Sparschraube bei den Subventionszahlungen an die Träger der Rentenversi­cherung zu drehen und allein die Zahlungen an die Deutsche Rentenversicherung um jährlich 600 Millionen Euro zu kürzen. Bei einem umlagefinanzierten Sicherungssystem, das ohne dauerhafte Subventionszahlungen in Milliardenhöhe seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen könnte, ein wahrlich heikles Unterfangen.

Ein Blick in die Statistik der Sterbefall- und Geburtenzahlen müsste eigentlich jedem Politiker den Angstschweiß ins Gesicht treiben. Seit dem Jahr 1972 verzeichnet das Statisti­sche Bundesamt einen durchgängigen Geburtenunterschuss, der im Jahr 2023 mit 327.522 fehlenden Neugeborenen den absoluten Höchststand in den Aufzeichnungen der obersten Datenhüter markiert.

Wir alle haben die Aussage des damaligen Kandidaten und nunmehr amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz im Ohr. In dem Triell am 12.09.2021 hatte Olaf Scholz erklärt, dass während seiner Regentschaft der Renteneingangssatz unantastbar sei, eine schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenze nicht infrage kommt und der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung stabil gehalten werde. Der Autor hält es an dieser Stelle mit Goethes „Faust“: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Regieren nach dem Prinzip „Die Hoffnung stirbt zuletzt …“

Natürlich können wir in diesem Land auch weiterhin die Fahne der Beschönigung schwingen. Es ist allerdings zu befürchten, dass irgendwann auch der treueste Bürger kapiert, dass die Beschwichtigungen und Versprechungen unserer Volksvertreter in vielen Punkten nicht durchdacht und Gesetzesreformen nach dem Schnellschussverfahren umgesetzt werden. Das „Heizungsgesetz“ darf an dieser Stelle als Beispiel benannt werden. Es ist an der Zeit, dass endlich Tacheles geredet wird und die Fakten auf den Tisch gelegt werden. Mit jedem Jahr der Verschleppung werden die Probleme weiter aufgeblasen und Erfolg versprechende Lösungen immer weiter in die Ferne gerückt. Tatsache ist, dass Bürgerinnen und Bürger unserer Tage, und hier insbesondere die junge Generation, sich eigenverantwortlich um ihre Versorgung kümmern müssen.

Den Beweis, dass viele Politiker den Bodenkontakt verloren haben, führte jüngst Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Deutschen Bundestags, die bei Markus Lanz die durchschnittliche Altersrente in Deutschland mit 2.000 Euro/Monat einschätzte. Sehr geehrte Frau Lang, bei einer Durchschnittsaltersrente in dieser Höhe würden Millionen Rentner auf bundesdeutschen Straßen abrocken. Eine Durchschnittsrente in dieser Höhe wird vielleicht in Lummerland ausbezahlt.

Wie bitte schön sollen, wollen und können unsere Volksvertreter für sich die Umsetzung einer fundierten und nachhaltigen Sozialpolitik in Anspruch nehmen, wenn ihnen die Faktenbasics fehlen? Ein qualifiziert agierender Versicherungsvermittler kann basierend auf der Renteninformation des Sozialversicherungsträgers die Versorgungslücke seines Kunden ermitteln, die weitere Entwicklung mit einer durchschnittlichen Inflationsrate hochrechnen und auf Grundlage der Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte (DIN 77230) seinem Kunden Vorschläge für ergänzende private Vorsorgelösungen unterbreiten. Natürlich können wir auch weiterhin eine Gesetzesreform nach der anderen durch den Deutschen Bundestag peitschen. Wer bitte schön kann diesem Chaos der Gesetzgebung überhaupt noch folgen? Müssen wir jetzt wirklich alle weiter zuwarten, bis unsere Sozialversicherung vollständig kollabiert und gegen die Wand gefahren wird?

Wir haben in der privaten Versicherungswirtschaft nicht nur alle erforderlichen Vorsorgeinstrumente, sondern auch eine Vielzahl engagierter und erfahrener Vermittlerinnen und Vermittler. Es wäre ein guter erster Schritt, wenn die Vertreter dieses Berufsstandes nicht mit immer mehr administrativen Vorschriften ausgebremst würden, sondern ihre wertvolle Arbeitszeit sinnvoll einsetzen und ihren wichtigen Beratungsverpflichtungen nachkommen könnten. Bringen wir es endlich auf den Punkt. Mit Beschwichtigungen und inhaltsleeren Versprechungen kommen wir nicht mehr weiter.

Zum guten Schluss soll der Blick des Lesers noch in § 154 Sozialgesetzbuch VI gelenkt werden. Hier schreibt der Gesetzgeber in Abs. 3: „Die Bundesregierung soll den gesetzgebenden Körperschaften geeignete Maßnahmen vorschlagen, wenn sich zeigt, dass durch die Förderung der freiwilligen zusätzlichen Altersvorsorge eine ausreichende Verbreitung nicht erreicht werden kann.“ Vielleicht dürfen wir an dieser Stelle mit ein paar Zahlen aushelfen? So ist der Bestand an Riester-Rentenversicherungen rückläufig. Nach den vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft veröffentlichen Bestandszahlen gingen im Zeitraum 2012 bis 2022 606.000 Riester-Rentenversicherungen verloren. Liebe Parlamentarier, mit welchen Maßnahmen wollen Sie diesem Trend gegensteuern?

¹ BVerfG vom 15.11.2023, 2 BvF 1/22.

Bild (2): © AssekuranZoom GbR