Unterversicherung in der Gebäudeversicherung

Feuerwehr löscht Hausbrand
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Geringere Versicherungssumme auf Kundenwunsch oder um bei der Prämie zu sparen? Die Kanzlei Michaelis möchte auf ein aktuelles und wichtiges Urteil (Urteil LG Halle v. 31.03.2023 – 5 O 414/21) aufmerksam machen, welches für die tägliche Praxis von besonderer Bedeutung sein kann. Das Landgericht Halle hatte sich im Rahmen der Vermittlerhaftung mit einer Gebäude-Unterversicherung und der entsprechenden Dokumentation zum Kundenwunsch zu beschäftigen.

Sachverhalt

Fabian Kosch
Fabian Kosch, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte © Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Der Versicherungsnehmer hatte ein leerstehendes und sanierungsbedürftiges im Mehrfamilienhaus zu einem Preis von 40.000 Euro erworben, welches mit der Versicherungssumme „200.000 Euro Zeitwert“ über den Versicherungsvertreter versichert worden ist. Am 30.09.2018 wurde das Mehrfamilienhaus durch einen Brand beschädigt. Das obligatorische Gutachten wies einen Zeitwert des Gebäudes von 508.000 Euro aus. Der Zeitwertschaden lag bei 142.689 Euro netto zzgl. 8.925 Euro brutto Aufräumkosten. Aufgrund der Unterversicherung erstattete der Versicherer eine Quote von 40 Prozent als Versicherungsleistung.

Der Versicherungsnehmer verlangte jedoch die vollständige Erstattung des Schadens. Er erklärte, dass er sich im Rahmen des Vertragsschlusses durch den Vertreter fehlerhaft beraten gefühlt habe. Der Versicherungsnehmer erläuterte weiter, dass er im Beratungsgespräch zwar den Betrag von 200.000 Euro angegeben habe, zugleich jedoch erläuterte, dass dies „aus der Luft gegriffen“ sei und er keine Vorstellung darüber habe, ob diese Versicherungssumme zutreffend und ausreichend sei. Dabei habe der Versicherungsvertreter weder nachgefragt noch den Zeitwert erläutert oder erklärt, wie eine Versicherungssumme zu ermitteln sei. Nach Auffassung des Versicherungsnehmers sei das Beratungsprotokoll unvollständig ausgefüllt. Denn der vermerkte Kundenwunsch nach einem Zeitwert von 200.000 Euro sei eben gerade nicht Ergebnis einer Beratung, sondern habe lediglich auf seine in den Raum gestellten Schätzung beruht.

Der Vertreter behauptete, nach dem Wertermittlungsprogramm einen Versicherungswert in Höhe von etwas über 500.000 Euro ermittelt zu haben. Ferner behauptet der Vertreter, dass dem Versicherungsnehmer die Prämie jedoch zu hoch gewesen sei und er natürlich auch die Folgen einer Unterversicherung im Schadensfall erläutert hatte.

Das Beratungsprotokoll wies aus: „Kundenwunsch zum Wert von 200.000 Euro absichern“.

Wenngleich es sich hierbei um einen Versicherungsvertreter handelt, ist dieses Verfahren auch für Maklerhaftungsfälle exemplarisch und übertragbar. Immer häufiger finden Streitigkeiten über die richtige Versicherungssumme, sei es gegen den Versicherer oder aber gegen den Makler, den Weg vor die Gerichte.

Die Entscheidung

Das Gericht gab dem Versicherungsnehmer recht und sah eine Haftung für gegeben. Das Landgericht Halle ist der Auffassung, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch nach §§ 61, 63 VVG zustehe, da er bewiesen habe, dass der Vertreter seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen sei.

Zwar ist der Versicherungsnehmer grundsätzlich beweisbelastet für eine Falschberatung, gleichwohl werden bei fehlerhafter Dokumentation Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr gebilligt. Zwar sei im konkreten Fall durchaus ein Beratungsprotokoll vorhanden und es müssen nicht sämtliche Einzelheiten des Beratungsgesprächs in Textform dokumentiert werden. Gleichwohl muss, um dem Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers und damit Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht gerecht werden zu können, daraus hervorgehen, welche objektive Risikosituation vorliegt.

Nach Auffassung des Gerichts hätte, sofern man diese Dokumentation ernst nimmt, keine Beratung hinsichtlich des Versicherungswertes nach dem Bedarf stattgefunden noch viel weniger eine Beratung zu einem Versicherungswert von über 500.000 Euro. Denn im Beratungsprotokoll ist ausdrücklich vermerkt, dass es zu der empfohlenen Absicherung keinen abweichenden Kundenwunsch oder Empfehlung gegeben habe.

Auch wird die Dokumentation einer Beratung für eine Gebäudeversicherung und dem zu versichernden Wert nicht gerecht. Da die Wertbestimmung bei der Gebäudeversicherung von komplexer Natur ist und einer sorgfältigen Prüfung durch den Versicherungsvermittler und Befragung des VN bedarf, muss dieses auch aus der Beratungsdokumentation hervorgehen. Ferner argumentiert das Gericht noch, dass es dem Beklagtenvertreter leicht gewesen wäre, den Hinweis auf die Unterversicherung kurz und bündig im Freitext zu notieren und ausdrücklich hätte das „Hin und Her“ zur Absicherungssumme kurz niedergeschrieben werden müssen.

Fazit

Das Gericht hatte hier deutlich herausgearbeitet, was Gegenstand einer Beratungsdokumentation zum Versicherungswert sein muss. Es mag sein, dass es wirklich der Kundenwunsch war, das Gebäude nur zu einem Zeitwert von 200.000 EUR abzusichern. Gleichwohl lehrt diese Entscheidung, dass dies auch mit „zwei weiteren Sätzen“ zum Bedarf, hier der richtigen VS, zu dokumentieren ist. Gerade eine gewünschte Herabsetzung der Versicherungssumme zur Prämienersparnis muss (zwingend) dokumentiert werden. Auch ist ein Hinweis auf die Folgen einer Unterversicherung aufzunehmen.

Hier gilt es sich, denn Sinn und Zweck der Beratungsdokumentation zu vergegenwärtigen. Jahre später wissen Sie in der Regel nicht mehr genau, warum welche Absicherungsvariante getroffen worden ist und noch viel wichtiger, dem Richter muss klar und einfach anhand der Beratungsdokumentation erläutert werden können, was seinerzeit konkret und Bedarfsgerecht besprochen worden ist. Erst nach einer deutlichen Warnung vor den Folgen im Versicherungsfall kann dem Kundenwunsch nach seiner gewünschten Versicherungssumme entsprochen werden. Bitte dokumentieren Sie dies zwingend!

Wenngleich der hiesige Fall eine Vertreterhaftung zum Gegenstand hatte, ist diese Entscheidung entsprechend auch auf den Versicherungsmakler zu übertragen. Die Entscheidung lehrt, dass in der Regel nur eine umfassende Beratungsdokumentation vor Haftungsfällen schützt.

Wir empfehlen auch eine Bestandsüberprüfung, um ggf. die bestehenden, zu geringen Versicherungssummen unverzüglich anzupassen oder dann den Kunden zu den bestehenden Unterversicherungen über eine Dokumentation nachweislich zu beraten.

Den Volltext dieser gerichtlichen Entscheidung können Sie über diesen Link nachlesen. Sollten Sie zu diesem Urteil noch weitere Fragen haben, dann steht Ihnen der Berichterstatter dieses Artikels, unser Kollege Herr Rechtsanwalt Fabian Kosch, gerne für Ihre weiteren Fragen zur Verfügung.

Bild (2): © Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte