Lage, Lage, Finanzierbarkeit: der deutsche Immobilienmarkt im Wandel

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Die Expo Real steht im Oktober 2023 nach einem über 10-jährigen Preisanstieg erstmals im Zeichen zurückgehender Immobilienpreise und -werte. Eine Ursachenanalyse kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Nach einer langanhaltenden Periode rückläufiger Kapitalmarktzinsen und Refinanzierungskosten traf die abrupt eintretende Zinswende im Sommer 2022 auf eine Gemengelage mit weiteren negativen Einflüssen im Immobilienmarkt.

Nach Einschätzung von Professor Dr. Werner Pauen von der International School of Management (ISM) am Campus München sind neben der Zinswende vor allem die extremen Baukostensteigerungen und die nationalen und europäischen Anforderungen an die künftige energetische Ausstattung von Neubau- und Bestandsimmobilien als Einflussfaktoren für die jetzige Entwicklung in Deutschland zu nennen: „Letztere kommen insbesondere in der EU-Taxonomie-Verordnung und der jüngst vom Bundesrat genehmigten 2. Novelle des Gebäudeenergiegesetzes zum Ausdruck.“

Unter dem Begriff „sustainable finance“ werden auch deren künftige Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit von Grundstücken und Gebäuden abzulesen sein. Zugespitzt gesagt: Die Finanzierbarkeit von Immobilien ohne die gesetzlich geforderten energetischen Standards dürfte schwieriger werden. Diese Immobilien werden in der Folge geringer nachgefragt sein, womit auch ein Rückgang der entsprechenden Immobilienwerte verbunden sein dürfte, fasst Pauen zusammen.

Nur wenige stabilisierende Effekte

Aktuell verblieben nur wenige (immobilienpreis-) stabilisierende Effekte, erklärt der Experte Pauen: „Das geringe Neubauangebot im Wohnungsbau und die (noch) relativ guten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wirken sich weiterhin positiv auf den Gesamtmarkt aus, insbesondere aufgrund der stabilen Beschäftigungsquote in Deutschland.“

In der Summe lasse sich einerseits eine sinkende Nachfrage nach Immobilieninvestments beziehungsweise privat genutzten Wohnimmobilien feststellen, so der Experte. Andererseits sei ein – im Vergleich zum Zeitraum vor der „Zinswende“ – erhöhtes Angebot an Bestandsimmobilien und ein weiterer Rückgang an Neubauprojekten im Markt zu verzeichnen.

Unterschiedlich sinkende Nachfrage

Dabei gebe es segmentspezifisch aber deutliche Unterschiede in der Entwicklung, wie der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Immobilienbewertung betont: Während im Wohnimmobilienmarkt im Quartalsvergleich Q2 2023 zum Vorjahr Q2 2022 nur ein relativ „moderater“ Rückgang von – deutschlandweit minus 5,4 Prozent der Immobilienpreise zu verzeichnen gewesen sei, seien die Immobilienpreise im Büroimmobilienmarkt mit minus 9,7 Prozent stark rückläufig.

Im Markt für Einzelhandelsimmobilien habe sich zudem der bereits negative Trend aus den Vorjahren mit einem Rückgang von 11,7 Prozent verstärkt. Letzterer sei primär zurückzuführen auf die Immobilienpreisentwicklung im Non-food-Bereich.

Dieser Rückgang der Immobilienpreise habe einen Anstieg der Liegenschaftszinssätze zur Folge, erklärt Pauen: „Die Liegenschaftszinssätze sind einerseits hervorgerufen durch die zuvor beschriebenen Immobilienpreisrückgänge, andererseits durch anziehende Nettokaltmieten in den mieterseitig nachgefragten Immobiliensegmenten.“

Auch die preisstärksten Immobilienmärkte betroffen

Die von ihm beschriebenen Verläufe seien als deutschlandweite Durchschnittsbetrachtung zu verstehen, betont Pauen. Doch nach Einschätzung des ISM-Professors seien auch die bislang preisstärksten Immobilienmärkte, die sogenannten „G 7“, davon betroffen. Dies zeige auch der Halbjahresreport 2023 zu München (Gutachterausschuss für Grundstückswerte München) „Die Anzahl der Grundstücksverkäufe im individuellen Wohnungsbau in München gingen um 53 Prozent und im mehrgeschossigen Wohnungsbau um 67 Prozent zurück. Für bebaute Grundstücke wurden Rückgänge von 36 Prozent beziehungsweise 8 Prozent verzeichnet.“

Grund für diese Entwicklung sei ein Nachfragerückgang im Markt für Wohnungseigentum für Wohnungen in durchschnittlichen Lagen und wiederverkauften Wohnungen. Dieser führe auch zu der – noch vorläufigen – Einschätzung rückläufiger Preise, wenn man das 1. Halbjahr 2023 mit dem Gesamtjahr 2022 vergleiche. Die Verkaufspreise für unbebaute Grundstücke im individuellen Wohnungsbau lassen vermuten, dass diese Trends bei Vorliegen der Gesamtjahresdaten für 2023 eher bestätigt als revidiert werden. Hier seien die Werte mit 14 Prozent unter den aktuellen Bodenrichtwerten vom 01. Januar 2022 gelegen.

Der ISM-Professor ist überzeugt, dass die aktuellen Entwicklungen der Immobilienmärkte an der Expo Real für viel Gesprächsstoff sorgen werden.