Ergonomie am Arbeitsplatz: Hier sind Arbeitgeber in der Pflicht

Ergonomischer Arbeitsplatz
© Jose – stock.adobe.com

Gesundheit am Arbeitsplatz ist zu einem Schlüsselthema der Wirtschaft geworden. Eng verbunden mit dem gravierenden Fachkräftemangel in vielen Branchen sind Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden stärker in den Fokus gerückt. Der Blick richtet sich in der medialen Präsenz zunehmend auf psychische Gesundheitsthemen am Arbeitsplatz, doch sind es physische Aspekte, die die Basis für einen gesunden und leistungsfähigen Arbeitsalltag bilden.

Statische Tätigkeiten erfordern einen ergonomischen Arbeitsplatz

Viele gesundheitliche Probleme im Bereich von Kopf, Schultern, Nacken und Rücken sind auf eine ungesunde Körperhaltung zurückzuführen. Insbesondere Menschen, die eine eher statische, überwiegend sitzende Tätigkeit ausüben, spüren häufig die Folgen einer gesundheitsschädlichen Haltung. Bürotätigkeiten sind geprägt von langen Phasen in sitzender Haltung, bewegungsarmen Abläufen und viel Augenkontakt mit einem Bildschirm.

Häufig auftretende gesundheitliche Beeinträchtigungen, die aus der einseitigen Belastung im Büroalltag resultieren, sind Schmerzen und Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich, Kopfschmerzen, die sowohl durch diese Verspannungen als auch durch eine Überlastung der Augen entstehenden können, überlastungsbedinge Entzündungen im Bereich der Knie, Handgelenke und Ellenbogen, Beeinträchtigungen in der Lendenwirbelsäule bis hin zum Bandscheibenvorfall sowie Fehlhaltungen und Überlastungserscheinungen und Fehlhaltungen im Bewegungsapparat.

Studien geben als Gründe für die negativen Auswirkungen von statischen Tätigkeiten, insbesondere Büroarbeit, Bewegungsmangel, einseitige Belastung und eine ungesunde Körperhaltung an. Der regelmäßige Besuch im Fitnessstudio oder andere Bewegungseinheiten nach der Arbeit, da sind sich Gesundheitsexperten einig, reichen nicht aus, um negativen gesundheitlichen Entwicklungen am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Die durchschnittliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich nimmt einen zu großen Teil des Alltags in Anspruch.

Als besonders schwerwiegend werden ein nicht ergonomisch gestaltetes Arbeitsumfeld, unzureichende Arbeitsmittel für die gesundheitsfördernde Gestaltung des Arbeitsplatzes und eine nicht auf das gesundheitliche Wohlbefinden ausgerichtete Arbeitsorganisation bewertet. Hier ist der Arbeitgeber gefragt. Ein gesundheitsfördernder Arbeitsalltag fängt mit der bewussten Gestaltung des Arbeitsplatzes an. Die Möglichkeiten hierfür muss der Arbeitgeber schaffen und seinen Mitarbeitenden damit ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem gesundheitsbewusstes und gesundheitsförderndes Verhalten möglich ist.

Gesetzliche Rahmenbedingungen für einen ergonomischen Arbeitsplatz

Gesundheitsfördernde Maßnahmen am Arbeitsplatz sind in den Fokus gerückt. Heute gehören individuelle Programme zur Gesundheitsprävention für viele Unternehmen fast so selbstverständlich zu den Corporate Benefits wie der sprichwörtliche Obstkorb für Mitarbeitende. Während Bonusangebote von Unternehmen wie Firmensport, kostenlose oder vergünstige Mitgliedschaften im Fitnessstudio oder im Sportverein, ein unternehmenseigener Trainingsraum oder ein Dienstfahrrad ein freiwilliger Beitrag zu einem gesünderen Arbeitsalltag sind, nimmt der Gesetzgeber Arbeitgeber an anderer Stelle klar in die Pflicht, wenn es darum geht, ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Im Gesetz ist das wichtige Thema Ergonomie am Arbeitsplatz an mehreren Stellen verankert. Die umfangreichsten Vorgaben sind die Arbeitsstätten­verordnung (ArbStättV) hinterlegt.

In § 3 Absatz 1 ArbStättV festgelegt:

„Beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätten hat der Arbeitgeber die Maßnahmen nach § 3 Absatz 1 durchzuführen und dabei den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene, die ergonomischen Anforderungen sowie insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Absatz 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.“

Neben allgemeinen Vorgaben zur Einrichtung und Gestaltung gesundheitsfördernder Arbeitsplätze enthält die Verordnung einen separaten Abschnitt mit Vorgaben für einen ergonomischen Bildschirmarbeitsplatz.

Zusätzlich hat der Gesetzgeber den Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens im Arbeitsalltag im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verankert. Hier werden Arbeitgeber in § 5 ArbSchG dazu verpflichtet, alle Arbeitsplätze einer Gefährdungsbeurteilung zu unterziehen. Diese dient unter anderem der Ermittlung von Mängeln, die einen ergonomischen und damit gesundheitsfördernden Arbeitsalltag beeinträchtigen können.

Konkrete Vorgaben für einen gesunden Arbeitsalltag

Die Möglichkeiten der betrieblichen Gesundheitsförderung sind vielfältig. Sie reichen von der kostenlosen Bereitstellung von ausreichend Trinkwasser für Mitarbeitende über eine Strukturierung des Arbeitsalltags, der regelmäßige Pausen für kurze Bewegungseinheiten oder Entspannung an der frischen Luft ermöglicht bis hin zu einer bewusst ergonomischen Gestaltung aller Arbeitsplätze. Letzterem kommt Experten für Arbeitsgesundheit besonders große Bedeutung zu.

In der Arbeitsstättenverordnung sind deshalb die folgenden Punkte hervorgehoben:

Der Schreibtisch als Herzstück des Arbeitsumfeldes

Da eine Bürotätigkeit den Großteil des Arbeitsalltages an einen Schreibtisch oder Computertisch verlagert, sollte dieser umfangreichen ergonomischen Anforderungen erfüllen.

Konkrete Vorgaben für den Arbeitgeber legen fest, dass ein Schreibtisch oder Computertisch mindestens 160 x 180 Zentimeter messen und einen Beinfreiraum von 65 x 58 x 60 Zentimetern bieten muss. Befindet sich hinter dem Schreibtisch, im Rücken des Mitarbeitenden, ein Schrank oder eine Wand, so muss der Abstand hierzu mindestens 100 Zentimeter betragen, um ausreichend Bewegungsfreiheit zu bieten.

Die Höhe der Tischplatte sowie des dazugehörigen Schreibtischstuhls sollte sich individuell an die Größe und Sitzposition des Mitarbeitenden anpassen lassen. Ist der Schreibtisch höhenverstellbar, lässt sich eine gesundheitsfördernde Haltung der Knie und Arme gewährleisten, die wiederum eine dauerhaft ergonomische Haltung im Verlauf des Arbeitsalltages ermöglichen.

Nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber von Gesundheitsexperten wird ein elektrisch höhenverstellbarer Schreibtisch empfohlen. Diese bieten üblicherweise eine Vielzahl an Anpassungsmöglichkeiten und lassen sich im Idealfall sogar zum Stehtisch umfunktionieren, der eine aktive Arbeitshaltung möglich macht. Für besonderen Komfort sorgen Modelle, bei denen der Schreibtisch elektrisch höhenverstellbar ist.

Auch zur Ausrichtung des Schreibtisches im Arbeitsbereich hat der Gesetzgeber Vorgaben gemacht. So muss die Arbeitsfläche nicht unmittelbar am Fenster positioniert und parallel zum Tageslicht und zu einer künstlichen Lichtquelle ausgerichtet sein. Das verhindert blendende Lichteffekte, die sich negativ auf die Augengesundheit auswirken, Fehlhaltungen begünstigen und die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können.

Das individuelle Raumangebot für Mitarbeitende

In der Arbeitsschutzverordnung ist klar definiert, wie viel Platz jedem Mitarbeitenden für die Ausübung seiner Schreibtischtätigkeit zur Verfügung gestellt werden muss und wie dieser Raum gestaltet werden muss, um einen gesundheitsfördernden Arbeitsalltag zu gewährleisten.

Für einen Mitarbeitenden ist eine Fläche von mindestens 8 Quadratmetern zur Verfügung zu stellen. Jeder weitere Mitarbeitende erfordert eine zusätzliche Fläche von 5 Quadratmetern. Eine weitere Vorgabe legt mindestens 2 Quadratmeter zusammenhängende freie Bodenfläche pro Mitarbeitendem fest, die sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz befinden muss.

Die Höhe eines Arbeitsraumes muss drei Meter betragen. Bei vorwiegend sitzenden und damit körperlich wenig anstrengenden Tätigkeiten darf sie auch darunter liegen, dies jedoch in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Bodenfläche. Liegt diese 100 und 500 Quadratmetern, darf die Raumhöhe 2,8 m betragen, bei einer Bodenfläche bis zu 100 Quadratmetern 2,5 m.

Aus der Raumfläche und der Raumhöhe ergibt sich der zur Verfügung stehende Luftraum, also die freie und unverstellte Fläche im Raum, die für jeden Mitarbeitenden gegeben sein muss. Bei einer geringen körperlichen Belastung, wie es bei vorwiegend sitzender Tätigkeit der Fall ist, muss der zur Verfügung stehende Luftraum im unmittelbaren Arbeitsumfeld mindestens 12 Kubikmeter betragen.

Lichtverhältnisse und Beleuchtung

Licht hat einen maßgeblichen Einfluss auf das physische und psychische Wohlbefinden und auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Der Gesetzgeber hat die Belichtung, also das Vorhandensein von Tageslicht am Arbeitsplatz, und die Beleuchtung, also die Ausleuchtung des Arbeitsumfeldes mit künstlichem Licht, in der Arbeitsschutzverordnung verankert.

Unzureichende Lichtverhältnisse können eine Beeinträchtigung des Sehvermögens bis hin zu Erkrankungen in diesem Bereich sowie zu einer ungesunden Körperhaltung zur Kompensation schlechter Lichtverhältnisse führen. Häufig sind auch Kopfschmerzen und eine verringerte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit die Folgen unzureichender Licht- und Beleuchtungsverhältnisse.

Der Gesetzgeber legt fest, dass die Fläche, über die Tageslicht in den Arbeitsraum gelangen kann, mindestens 10 Prozent der zur Verfügung stehenden Bodenfläche betragen muss. Jeder Arbeitsplatz muss über eine direkte Sichtverbindung nach draußen verfügen und diese Sichtverbindung muss mindestens 5 Prozent der zur Verfügung stehenden Bodenfläche entsprechen. Dachfenster und Lichtkuppeln im Deckenbereich werden hier nicht als potenzielle Sichtverbindung nach außen gewertet, da eine unnatürliche Kopfhaltung erforderlich wäre, um diese zu nutzen.

Können natürlich Lichtquellen für Blenden oder störende Lichtreflexe auf dem Schreibtisch oder dem Bildschirm sorgen, ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, adäquate Schutzvorrichtungen in Form von Rollos oder Jalousien anzubringen.

Künstliche Lichtquellen sind in ihrer Lichtintensität und -qualität auf die jeweilige Tätigkeit abzustimmen. Konzentrationsintensive Tätigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Bildschirmarbeit erfordern eine Lichtstärke von mindestens 500 Lux h. Tätigkeiten, die weniger Konzentration der Augen erfordern, machen eine Beleuchtungsintensität von 300 Lux möglich. Neben der vorgeschriebenen Lichtintensität wird auch eine neutrale, warme Lichtfarbe vorgeschrieben.

Gesunde Raumluft für mehr Konzentrations- und Leistungsfähigkeit

Wie wichtig ein gesundes Raumklima für das Wohlbefinden ist, ist hinlänglich bekannt. Deshalb findet dieser Punkt auch in den Vorgaben für einen gesundheitsfördernden Arbeitsplatz Berücksichtigung.

Bei einer Tätigkeit mit geringer körperlicher Belastung, wie einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit am Schreibtisch, hat der Gesetzgeber eine durchschnittliche Raumtemperatur von 19 – 25°C und eine maximale Luftbewegung von 0,10 m/s. Hinsichtlich der Luftfeuchtigkeit werden nur beim Betreiben einer Klimaanlage konkrete Vorgaben gemacht. In diesem Fall soll die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit immer zwischen 40 und 70 Prozent liegen.

Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsräume außerdem sicherzustellen, dass diese jederzeit über eine direkte Belüftung mit Frischluft versorgt werden können.

Lärm am Arbeitsplatz

Ein zu hoher Lärmpegel kann nicht nur die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, sondern langfristig auch zu gesundheitlichen Einschränkungen führen und Kopfschmerzen oder andere Symptome hervorrufen. Bei gewöhnlichen Bürotätigkeiten darf deshalb ein Geräuschpegel von maximal 65 Dezibel herrschen. Ist die Tätigkeit von geistig besonders anspruchsvollen Aufgaben geprägt, sind maximal 50 Dezibel vorgeschrieben.

Kann der Arbeitgeber einen regelmäßigen Geräuschpegel von 80 Dezibel nicht verhindern, muss er einen kostenlosen Gehörschutz zur Verfügung stellen. Liegt der durchschnittliche Geräuschpegel bei 85 Dezibel, besteht für Mitarbeitende die Verpflichtung, diesen dauerhaft zu tragen.

Neben den räumlichen und klimatischen Gegebenheiten sind Arbeitgeber auch verpflichtet, ihren Mitarbeitenden so genannte Arbeitsbehelfe für einen ergonomischen Arbeitsalltag zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören Dokumentenhalter, Fußstützen oder Mauspads mit Gelkissen. Beschäftigte dürfen sich jederzeit auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen berufen, die in der Arbeitsstättenverordnung festgelegt sind.