Pricing für Versicherungen: Kunden binden statt Stornowellen riskieren

Seil droht zu reißen
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Die gestiegenen Kosten setzen die Assekuranz weiterhin über alle Sparten hinweg unter Druck, die Prämien zu erhöhen – sowohl im Bestands- als auch im Neukundengeschäft. Damit die Kunden bei den Preissteigerungen mitgehen, ist eine clevere Pricing-Strategie essenziell“, sagt Carsten Mangels, Partner in der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher.

Carsten Mangels, Partner, Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants © Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants

„Dafür müssen Versicherer an den richtigen Stellschrauben drehen“, betont Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner und Leiter der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher. „Dabei kommt es darauf an, die für die Versicherungsnehmer relevanten Werte zu ermitteln, diese über die gesamte Customer Journey hinweg immer wieder in den Fokus zu rücken und das Zufallsprinzip bei den Preiserhöhungen durch eine smarte Strategie zu ersetzen. Das erhöht die Chance, höhere Preise ohne einen massiven Anstieg der Kundenstornos durchzusetzen.“

Damit trotz der notwendigen Preiserhöhungen Bestandskunden nicht kündigen und potenzielle Neukunden nicht zur Konkurrenz ausweichen, sollten Versicherer nach Einschätzung der beiden Experten vor allem die folgenden vier Punkte beachten:

Wow-Merkmale schaffen

Die Wow-Merkmale der Versicherungsprodukte für den Kunden zu kennen, ist entscheidend, um das Monetarisierungs-Potenzial zu nutzen und die Loyalität der Kunden zu erhöhen. „Nur wer weiß, worauf die Kunden Wert legen, kann gezielt seine Prozesse und Leistungen auf diese Merkmale ausrichten, eine Peak Experience für den Kunden schaffen und in die Kommunikation der Leistungen sowie den richtigen Serviceumfang investieren“, erklärt Mangels. Hierfür sollte über eine Kundenbefragung die Wertwahrnehmung ermittelt werden.

Preiserhöhungsplan im Bestand entwickeln

Nachdem der Versicherer in seiner Kundenstudie für die einzelnen Segmente ermittelt hat, welche Leistungen beim Kunden bekannt sind, welche von ihnen am wichtigsten sind und welche Lücken zwischen den Ergebnissen und der IST-Situation bestehen, können segmentspezifische Preiserhöhungspläne aufgesetzt werden. „Wichtig bei der anschließenden Umsetzung ist, den relevanten Mehrwert für die jeweiligen Kunden an den geeigneten Touchpoints zu adressieren und mit der passenden Strategie die Preiserhöhungen zu kommunizieren“, so Schmidt-Gallas. Um die Kundenbindung zu stärken und im Falle notwendiger Preiserhöhungen Abwanderungen zu vermeiden, sei es entscheidend, für die Versicherten ein Key Value Messaging um die Wertpakete aufzubauen. Andernfalls könnten die Kunden den Mehrwert aus dem Blick verlieren und sich nach einiger Zeit fragen, welchen Vorteil ihr Versicherer für sie überhaupt hat.

Dirk Schmidt-Gallas
Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner und Leiter der globalen Versicherungs-Practice, Simon-Kucher & Partners, © Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants

Preiserhöhungen im Bestand testen

Es zeigt sich immer wieder, dass die Stornoquote deutlich ansteigt, wenn die Beitragserhöhung eine bestimmte Schwelle übersteigt. „Um die Gefahr einer solchen Storno-Flut zu reduzieren, hilft es, mit Pre-Tests die Schmerzgrenze der Kunden zu ermitteln. Es zeigt sich immer wieder, dass die Stornoquote deutlich ansteigt, wenn die Beitragserhöhung eine bestimmte Schwelle übersteigt. Um die Gefahr einer solchen Storno-Flut zu reduzieren, hilft es, mit Pre-Tests die Schmerzgrenze der Kunden zu ermitteln“, empfiehlt Mangels.

Preiserhöhungen im Neugeschäft durchsetzen

„Das Neugeschäft von heute ist das Buch von morgen – deshalb muss auch dieses bei der Pricing-Strategie beachtet werden. Dafür müssen Versicherer ihre Kunden stets auf den Mehrwert ihrer Leistung aufmerksam machen“, sagt Schmidt-Gallas. Das gelinge etwa mit einem Quiz im Vorfeld des Beratungsgesprächs, das sich um die Wahrscheinlichkeit von Schadensereignissen dreht: „Zumeist waren die Kunden von der Höhe ihres Schadensrisikos überrascht. Der Vorteil dieser Vorgehensweise: In Kunden-Cases zeigte sich, dass es weniger Preisdiskussionen gab, die Conversation Rate um fünf Prozentpunkte und der Anteil der Goldprodukte um sechs Prozentpunkte stieg.“

„Ein weiteres Tool, das im Neukundengeschäft immer wieder eingesetzt wird, sind Rabatte. Und auch hier ist ein rationaler, faktenbasierter Ansatz das A und O“, führt Mangels weiter aus. Eine Studie von Simon-Kucher zum Neukundengeschäft mache diesen Effekt deutlich. „Versicherer, die bei ihrem Pricing den Einfluss der Rabatte auf die Kaufentscheidung berücksichtigen, können bei einer Combined Ration von 95 Prozent ihre Gewinne um 20 Prozent steigern, wenn sie ein Prozent weniger Rabatt geben“, ergänzt Schmidt-Gallas.

Fazit: „Die steigenden Kosten und der Druck, die Preise zu erhöhen, bleiben auch im Jahr 2024 die großen Herausforderungen der Assekuranz. Umso wichtiger, dass Versicherer im Umgang mit steigenden Kosten und Preiserhöhungen neue Wege gehen“, sagt Mangels. „Statt sich blind auf Altbewährtes zu verlassen und nach dem Gießkannenprinzip Prämien zu erhöhen oder Rabatte zu gewähren, sollten sie eine gut durchdachte, faktenbasierte Pricing-Strategie entwickeln und den Fokus auf den Wert ihrer Produkte richten. Andernfalls könnten Monetarisierungschancen ungenutzt bleiben oder im schlimmsten Fall Storno-Wellen folgen“, betont Schmidt-Gallas.

Bilder (2–3): © Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants