Hohes Vertrauen in Justiz, tiefe Spaltung der Gesellschaft

Zwei Menschenmengen stehen sich gegenüber
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Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das deutsche Rechtssystem bleibt stabil – das ist eines der Ergebnisse des neuen ROLAND Rechtsreports. Bereits seit 2010 erkundet die repräsentative Studie, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag von ROLAND Rechtsschutz durchführt, die Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zur Justiz und anderen Institutionen.

Im aktuellen Report geben 67 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, dass sie den deutschen Gerichten und Gesetzen hohes Vertrauen entgegenbringen. Seit den letzten zehn Jahren bewegen sich die Vertrauenswerte für die deutsche Justiz auf einem stabil hohen Niveau. „Das große Vertrauen in unser Rechtssystem ist ein hohes Gut, welches wir schützen müssen. Gerade da andere Institutionen – seien es Bundesregierung und Verwaltung, Medien oder Kirchen – viel Vertrauen bei den Menschen verloren haben“, sagt Tarja Radler, Vorständin von ROLAND Rechtsschutz.

Gleichzeitig üben die Bundesbürgerinnen und Bürger aber auch deutliche Kritik an der Justiz und fordern Verbesserungen ein: Mehr als drei Viertel der Befragten bemängeln, dass Verfahren in Deutschland zu lange dauern (82 Prozent) und Gerichte zunehmend überlastet sind (77 Prozent). Auch nehmen viele Menschen eine Ungleichbehandlung vor deutschen Gerichten wahr: 62 Prozent glauben, dass ein bekannter Anwalt die Chancen vor Gericht auf ein günstiges Urteil erhöht. „Justiz und Politik müssen auf die Kritik der Bürgerinnen und Bürger reagieren und ihre Hausaufgaben machen“, so ROLAND-Vorständin Radler.

Immer weniger Menschen vor Gericht

Gleichzeitig suchen immer weniger Bürgerinnen und Bürger den Weg vor Gericht: Nicht einmal ein Viertel (23 Prozent) der Bevölkerung war in den letzten zehn Jahren an einem Gerichtsprozess – als Zeuge, Kläger oder Beklagter – beteiligt. Zwischen 2011 und 2015 lag der Wert noch bei 29 Prozent.

Eine Ursache für den rückläufigen Trend dürfte in den bekannten Kritikpunkten am Rechtsystem liegen. Aber auch alternative Formen der Konfliktbeilegung wie Schlichtung und Mediation werden attraktiver und tragen dazu bei, dass die Quote sinkt. So sind im aktuellen Report 55 Prozent der Befragten überzeugt, dass sich mit der außergerichtlichen Streitbeilegung viele Konflikte einvernehmlich beilegen lassen. „Alternative Lösungsangebote wie die außergerichtliche Streitbeilegung sind ein wirkungsvolles Instrument, um die Konflikte in unserer Gesellschaft möglichst nachhaltig zu lösen“, erklärt Tarja Radler.

Mehrheit sieht Spaltung der Gesellschaft

Neben den Einstellungen zum deutschen Rechtssystem widmet sich der ROLAND Rechtsport 2024 auch den Sorgen der Bevölkerung über aktuelle Entwicklungen und Ereignisse. In der aktuellen Studie ist es vor allem die derzeitige Konjunktur, die die Menschen umtreibt: 85 Prozent der Befragten sind sich einig, dass eine positive Zukunft Deutschlands vor allem von der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Lage abhängt.

Aber auch der gesellschaftliche Zusammenhalt besorgt die Bürgerinnen und Bürger. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (79 Prozent) sieht unsere Gesellschaft als tief gespalten und glaubt, dass sich verschiedene Gruppen bei vielen Themen unversöhnlich gegenüberstehen. Gleichzeitig empfinden drei Viertel der Befragten diese Spaltung als Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden und sind diesbezüglich stark beunruhigt.

„Viele Menschen im Land haben den Glauben daran verloren, dass wir die Gräben in unserer Gesellschaft durch den Austausch miteinander überwinden können“, so Tarja Radler. Nur noch 36 Prozent sind davon überzeugt, dass Diskussionen zu Fortschritten und Kompromissen führen, wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen gegenüberstehen. 44 Prozent der Befragten vertreten dagegen die Auffassung, dass ein Austausch meist nicht viel bringt. Unter den Anhängern der AfD sind es sogar nur noch 13 Prozent, die glauben, dass eine Annäherung durch das gemeinsame Gespräch möglich ist.

Gefahren für den Zusammenhalt

Als größte Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sehen die Bürgerinnen und Bürger neben Hass und Hetze (69 Prozent) und Falschinformationen (64 Prozent) im Internet außerdem den Zuzug von Flüchtlingen (69 Prozent) sowie den Abstand zwischen Arm und Reich (67 Prozent). Aber auch extreme Parteien (62 Prozent) und religiöser Extremismus (60 Prozent) bedrohen aus Sicht der Befragten das Miteinander. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sehen den zunehmenden Extremismus in Deutschland als ernsthafte Gefahr für die Demokratie: Meinten 2022 noch lediglich 32 Prozent der Befragten, dass eine hohe Bedrohung von demokratiefeindlichen Gruppen ausgeht, waren es im Dezember 2023 schon 46 Prozent.

„Unser Rechtsreport zeigt, dass fast die Hälfte der Bevölkerung eine Gefährdung der Demokratie durch extreme Gruppen befürchtet – und die Erhebung der Daten erfolgte noch vor Veröffentlichung der Correctiv-Recherchen“, erklärt ROLAND-Vorständin Tarja Radler. „Das zeigt: Wir alle müssen uns aktiv für die Stärkung des Rechtsstaats und des gesellschaftlichen Zusammenhalts einsetzen.“