Riester & Rürup: Muster-PIB mit zu hohen Kosten

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Eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM analysiert, wie hoch die Effektivkosten bei typischen Altersvorsorge-Produkten unter realistischen Kostenparametern sind. Sie zeigt, dass die Kosten, die sich bei Berechnungen unter Vorgabe des Bundesfinanzministeriums ergeben, die realistischen Kosten deutlich übersteigen.

Bei geförderten Altersvorsorge-Produkten (Basis- und Riesterrenten) schreibt der Gesetzgeber eine maximal zweiseitige Information für Verbraucher*innen vor: das Produktinformationsblatt (PIB). Dieses gibt es als individualisierte Version – die den Kund*innen vor Vertragsschluss überreicht wird – und zusätzlich als »Muster-PIB«, welches online verfügbar ist. Das individuelle PIB berücksichtigt den von Verbraucher*innen gewählten Fonds und die von ihnen festgelegte Laufzeit sowie deren Eintrittsalter.

Dagegen liegen dem Muster-PIB Standarddaten zu Grunde. Beide Formen der PIB weisen Effektivkosten eines Produktes aus. Diese bringen zum Ausdruck, wie stark die Rendite der Rentenversicherung durch sämtliche darin enthaltene Kosten reduziert wird – also, was unter dem Strich übrigbleibt.

Studien auf der Basis von Muster-PIB können kein realistisches Ergebnis liefern

Das Fraunhofer ITWM hat nun die Aussagekraft der unterschiedlichen Produktinformationsblätter analysiert. Denn in den vergangenen Jahren sind verschiedene Studien in Umlauf gebracht worden, in denen die Herausgebenden solcher Veröffentlichungen auf Basis von Muster-PIBs eigene Berechnungen und Interpretationen zu den Produktkosten vorgenommen haben. Dabei entsteht der Eindruck, es handele sich um tatsächliche Kosten – dies ist aber nicht der Fall.

Die Forschenden des mathematischen Instituts haben in der Analyse am Beispiel der Basisrente aufgezeigt: Die Ergebnisse solcher Studien auf Basis von Muster-PIB entsprechen nicht der Realität. Die Art der Kostenausweisung sollte weiterentwickelt und angepasst werden, um Verbraucherinnen und Verbrauchern ein realistisches Bild vom »Preis« ihres Produkts zu vermitteln. Ein zusätzlicher Ausweis der tatsächlichen Effektivkosten könnte die Lösung sein.

Beispielfall: Was heißt das konkret in der Praxis?

Für eine Person mit 30-jähriger Laufzeit ergibt sich ein tatsächlicher Vorteil von bis zu circa 57.000 Euro, bei 40 Jahren würden sich sogar bis zu circa 127.000 Euro ergeben (gegenüber einer Gesamtablaufleistung, die mittels Muster-PIB berechnet wird). Angenommen wird hier eine realistische Wertentwicklung von fünf Prozent jährlich vor Kosten, die bei einer tatsächlichen Kostenbetrachtung zu einer Gesamtablaufleistung von circa 134.000 Euro (30 Jahre) beziehungsweise 235.000 Euro (40 Jahre) führt. Die Effektivkosten liegen bei üblichen 1,23 Prozent (30 Jahre) beziehungsweise 1,03 Prozent (40 Jahre).

Fraunhofer ITWM rechnet mit tatsächlichen Kosten

Das Fraunhofer-Institut aus Kaiserslautern hat sich in seiner Analyse die Effektivkosten von Basisrenten genauer angeschaut. Gegenübergestellt wurden dabei einerseits Berechnungen gemäß der bestehenden gesetzlichen Vorgabe (Muster-PIB) und andererseits Berechnungen unter Verwendung realistischer Kostensätze. Letztere sind solche, wie sie überwiegend in der Praxis vorkommen.

Muster-PIB versus realistische Berechnung

Beim Ausweis der Effektivkosten eines Produkts sind die Anbietenden verpflichtet, sowohl mit dem teuersten Fonds zu rechnen als auch gegenläufige kostensenkende Effekte auszublenden (»Maximalprinzipien«). Kostensenkende Effekte sind beispielsweise die häufig vorkommenden Erstattungen von Fondsgesellschaften an den Versicherer, die an die Kund*innen weitergegeben werden. Eine Auflistung und Erläuterung der üblichen kostensenkenden Effekte finden sich in der Studie auf Seite 5 und 7.

Realistische Berechnung: Dazu wurde eben nicht der teuerste mögliche Fonds, sondern ein im Neugeschäft sehr oft von Verbraucher*innen ausgewählter Fonds (ETF) kostenseitig in die Berechnung einbezogen. Weitere übliche kostensenkende Effekte, die bei der Berechnung eine Rolle gespielt haben, sind in der Studie genau dargestellt (siehe Seite 7). Auf die individuellen PIB haben die Forschenden des Fraunhofer ITWM bewusst nicht zurückgegriffen: Denn bei der darin vorgenommenen Effektivkostenberechnung werden zwar die individuell gewählten Fonds zu Grunde gelegt, die in der Praxis üblichen kostensenkenden Effekte werden aber auch hier – genau wie beim Muster-PIB – ausgeblendet.

Die Ergebnisse der Analyse des Fraunhofer ITWM auf einen Blick:

  1. Die Finanzmathematiker*innen stellten in der Studie erhebliche Differenzen zwischen den im Muster-PIB ausgewiesenen Effektivkosten und den Ergebnissen fest, die mit realistischen Kostensätzen bestimmt wurden. Im Muster-PIB wurde das jeweilige Produkt stets deutlich teurer dargestellt – mitunter sogar bis um das Dreifache überhöht.
  2. Daraus leitet das ITWM-Team ab, dass Studien, die auf den im Muster-PIB ausgewiesenen Effektivkostensätzen basieren, nicht für Aussagen zur realistischen Kostenangabe geeignet sind.
  3. Vielmehr erhalten Verbraucher*innen im Muster-PIB lediglich eine theoretische Obergrenze für die Kostenbelastung.
Prof. Dr. Ralf Korn, Fraunhofer ITWM © Fraunhofer ITWM

Ausweis tatsächlicher Kosten als ergänzende Information erforderlich

Die wissenschaftliche Leitung der Studie hat Prof. Dr. Ralf Korn. Der Experte ist sowohl am Fraunhofer ITWM seit Jahren auf den Gebieten der Versicherungs- und Finanzmathematik spezialisiert als auch in der Lehre an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) tätig sowie in vielen Gremien in diesem Themenfeld aktiv. Er ist unter anderem Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik e. V. (DGVFM).

„Die bestehenden Muster-PIB zeichnen schnell ein Zerrbild – insbesondere bei nicht fachlich versierten Kund*innen sowie Marktteilnehmenden. Sie eignen sich keinesfalls für allgemeine Aussagen zur tatsächlichen Kostenbelastung von Produkten“, so Prof. Dr. Ralf Korn.

„Wir schlagen daher dringend das Erweitern des Kostenausweises vor, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher die Chance haben, zwischen theoretischer Obergrenze und realistischem Fall zu unterscheiden. So wäre eine bessere Beurteilungsgrundlage gegeben. Unsere Analyse zeigt Wege auf, wie die Branche und die Politik das konkret umsetzen können. Sie ermöglicht dem Gesetzgeber, kurzfristig sinnvolle Ergänzungen und Anpassungen vorzunehmen.“

Kosten nicht einfach auf den Beitrag beziehen

Die Fraunhofer-Studie macht außerdem klar, warum es unzulässig ist, die in einem Vertrag während der Laufzeit anfallenden Kosten nur auf die von Verbraucher*innen eingezahlten Beiträge zu beziehen. Denn dabei wird die für Kund*innen ebenso relevante Leistung des Versicherungsprodukts (Rendite-Entwicklung) ganz außen vorgelassen.

Zur Studie beauftragt wurde das Fraunhofer ITWM von MLP. Das Unternehmen bietet Vermögensmanagement und Beratung über Altersvorsorge bis zu Versicherungen. MLP lässt grundlegende Fragestellungen sowie Erfahrungen auch wissenschaftlich untersuchen. In dieser Rolle hat MLP dafür gesorgt, dass auch die erforderlichen Daten von fünf repräsentativen Produktpartnern (Lebensversicherungen) bereitgestellt wurden.

Die vollständige Studie zum Download gibt es hier.

Bild (2): © Fraunhofer ITWM