„Nachhaltigkeit ist schön, macht aber viel Arbeit“

© Who is Danny – stock.adobe.com

Spätestens seit Fridays for-Future dürfte bei der Mehrheit der Bevölkerung angekommen sein: so kann es nicht mehr weiter gehen. Die Bewegung hat dazu beigetragen, weltweit zu mehr Umweltbewusstsein aufzurufen. Und auch wenn die Finanzbranche im Rückblick gerne von einer Historie von mindestens 20 Jahren Erfahrung mit nachhaltigen Anlagemodellen spricht, ist dem Verbraucher bis heute noch immer nicht ganz klar, was Finanzen und Versicherungen mit Nachhaltigkeit zu tun haben sollen.

Ein Beitrag von Jürgen Rohm, selbstständiger Bezirksdirektor der Zurich Versicherung

Jürgen Rohm, selbstständiger Bezirksdirektor der Zurich Versicherung © Jürgen Rohm

Dem persönlichen Ansprechpartner, quasi dem Hausarzt in Finanzfragen, kommt einmal mehr die Schlüsselrolle zu. Denn in den meisten Fällen sind es nicht die Kunden, die nach nachhaltigen Lösungen fragen, sondern es ist der Vermittler, der die fundamentale Aufklärungsarbeit leistet. Nach der ersten Themen-Überschrift Nachhaltigkeit werden die Berater aber bis heute nicht selten belächelt: nach Schuhen, Zahnbürsten und Reinigungsmitteln soll auch noch meine Versicherung und Altersvorsorge plötzlich nachhaltig sein. Aber was soll da konkret nachhaltig sein?

Die Menschen denken bei Nachhaltigkeit zuallererst immer und ausschließlich nur an die Umwelt, an die Klimakrise. Die Branche hat neben der Umwelt auch noch soziale Aspekte und gute Unternehmensführung mit an Bord genommen. Dieser Dreiklang (aus dem Englischen kommend ESG für environmental, social, gouvernance) ist inzwischen bei allen Anbietern angekommen. Denn es wäre beispielsweise in der Gesamtheit nicht nachhaltig, unter Kinder- oder Zwangsarbeit Menschen zu knechten oder Korruption nicht offensiv zu bekämpfen.

Betrachtet man das Thema Nachhaltigkeit jedoch aus jeder Perspektive, stellen sich auch diese Fragen:

  1. Wie nachhaltig ist mein Versicherer beziehungsweise meine Investmentgesellschaft oder Bank selbst als Unternehmen?
  2. Wie nachhaltig sind die Aktien, also die Unternehmen, die für mich erworben werden und deren hergestellte Produkte oder Dienstleistungen?
  3. Ist es nachhaltig, dass mein Versicherer nicht mehr jedes Unternehmen als Kunden annimmt?
  4. Wie steht es um meinen persönlichen Vermittler: ist sein Vermittlerbetrieb auch nachhaltig aufgestellt?
  5. Und schließlich, und wieder am wichtigsten: WAS versteht der Kunde unter Nachhaltigkeit? Und welches Produkt kann exakt seinen Wunsch danach erfüllen?
  6. Soll sein Produkt Nachhaltigkeitsaspekte erfüllen, wenn ja, bis zu 100 Prozent?
  7. Gilt Nachhaltigkeit nur für Anlage- und Vorsorgeprodukte, oder auch für Sachversicherungen?
  8. Muss Nachhaltigkeit immer den Dreiklang von Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung erfüllen? Oder sind auch Konzentrationen beziehungsweise Ausschnitte denkbar?
  9. Helfen die Regeln der politischen Weichensteller aus Berlin und Brüssel mit Regeln überhaupt noch, oder wurde der Punkt sogar schon überschritten und Nachhaltigkeit ist bereits jetzt überreguliert?

Nachhaltigkeit ist kein Trend

Klar ist: die Fülle der Fragen und Antworten belegt schon heute: Nachhaltigkeit ist längst in unserem Alltag angekommen. Nun gilt es mit professioneller Hilfe auch die vielen Chancen zu erkennen und für sich und seine Umgebung positiv zu nutzen!

Wenn das Sprichwort „Geld regiert die Welt“ weiter gültig ist, so muss das Geld nur in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Das kann gelingen, indem Branchen entweder gar nicht mehr mit Kapital bedient werden oder nur noch in dem Maße, dass bei Entscheidungen gerade noch mitgeredet werden kann.

Fondsgesellschaften haben über die angelegten Kundengelder oft sehr großen Einfluss auf Hauptversammlungen. Da passiert es schon mal, dass bei Autoherstellern zu laxe Nachhaltigkeitsbemühungen angekreidet werden, oder höhere Transparenz in den Lieferketten gefordert wird. Oder würden Sie erwarten, dass in den letzten Jahren der boomenden Baukonjunktur ein Zementhersteller seine Vorstände nach CO2-Reduzeriung bezahlt, statt nach Baukonjunktur und den gestiegenen Umsätzen?

Ohne nachhaltigen Anlageeinfluss wäre das undenkbar gewesen! Das Angebot ist aktuell sehr groß, professionelle Berater können dem Kunden alle Fragen beantworten. Der Anleger kann dann eine gute Kaufentscheidung treffen.

An die politischen Entscheidungsträger sei jedoch appelliert: offenbar ist ein besserer Dialog mit der Branche dringend nötig. Bei allen Nachhaltigkeitsbemühungen erwartet der Kunde auch eine nennenswerte Rendite, sonst wird insbesondere die Altersvorsorge für ihn unbezahlbar.

Werden die Anlageregeln jedoch immer wieder verändert, so dass es für Fondsmanager immer schwieriger wird, noch ziel- und renditeorientiert zu investieren, werden diese Profis zunehmend die Freude verlieren, sich für dieses elementar wichtige Thema zu begeistern und einzusetzen. Wir brauchen die Expertise der Vermögensverwalter, die die Kunst des Geldanlegens beherrschen. Denn schon ohne die Überregulierung gilt dort, was Karl Valentin schon treffend anmerkte: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“

Zum Autor

Jürgen Rohm ist selbstständiger Bezirksdirektor der Zurich Versicherung und leitet den familiären Direktionsbetrieb (gegründet 1963) in zweiter Generation. Er ist im Ehrenamt zudem Pressesprecher des BVK und Mitglied der Landesdirektion des IVZ sowie des VEVK.

Bild (2): © Jürgen Rohm