Reality Check digitales Zentralbankgeld: Was steckt dahinter?

Digitaler Euro

Photo credit: depositphotos.com

In der digitalen Finanzwelt mit verschiedenen Systemen und immer neuen Entwicklungen kann man schnell den Überblick verlieren. Erst jüngst kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) an, dass sie das Projekt eines digitalen Euros weiterverfolgen will.

Alexander Tomenendal, Principal Industry Consultant bei Endava, klärt im Reality Check, was es mit Begriffen wie digitalem Euro und digitalem Zentralbankgeld allgemein (Central Bank Digital Currency, CBDC) auf sich hat und wie sich diese Ansätze von Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. unterscheiden.

Check 1: Handelt es sich beim digitalen Euro und anderen Formen von CBDC um neue Kryptowährungen?

Alexander Tomenendal
Alexander Tomenendal, Principal Industry Consultant, Endava © Endava

Nein, tatsächlich hat CBDC und somit auch der potenzielle digitale Euro mehr Ähnlichkeit mit Fiat- oder Bargeld, beziehungsweise handelt es sich um eine digitalisierte Form dieser. Es kämen elektronische Tokens zum Einsatz, die über dieselben Attribute wie Scheine und Münzen verfügen: Der Wert basiert auf Vertrauen in die emittierende Zentralbank und diese kontrolliert die Währung zentral. Dies kann mithilfe einer Blockchain geschehen, muss es aber nicht. Auch eine herkömmliche Datenbank könnte genutzt werden. Neben der Eigenschaft als digitalisiertes Fiatgeld hat CBDC allerdings auch Aspekte, die bislang nur durch Giralgeld darstellbar waren. Es existiert in elektronischer Form und Bürger haben direkten Zugang dazu. Bislang war dafür eine Bank notwendig, um dort beispielsweise Geld abzuheben.

Im Gegensatz dazu ist eines der wichtigsten Merkmale einer Kryptowährung die Dezentralität. Deshalb ist hier Distributed-Ledger-Technologie elementarer Bestandteil und eine zentrale Kontrollinstanz gibt es absichtlich nicht. Ein Wert entsteht hier durch künstliche Verknappung, beziehungsweise durch die Vergütung für den Aufwand, um neue Blöcke zu errechnen und an die Kette anzuhängen.

Check 2: Was sind Unterschiede zu bereits bestehenden digitalen Zahlungslösungen?

Bisherige digitale Zahlungsdienstleister, Wallets (abgesehen von Kryptowährungen) und die Geldkarte basieren auf der Verbindung mit einem bestehenden Bankkonto. Letztlich wird hier also nur Buchgeld, was wiederum einer Forderung oder Verbindlichkeit auf Fiatgeld entspricht, verschoben. Bei einer Transaktion zwischen Käufer und Verkäufer ist in diesem System neben dem Payment-Dienstleister noch mindestens eine Geschäftsbank beteiligt. Dies verursacht Transaktionskosten, die in der Regel der Verkäufer trägt und die deshalb vom Kunden unbemerkt bleiben. Bei der direkten Verschiebung von digitalem Fiatgeld würden diese Kosten entfallen oder zumindest geringer ausfallen.

Check 3: Wer profitiert von CBDC?

In erster Linie würden die Zentralbanken von der Einführung profitieren, die ansonsten befürchten müssten, dass ihnen durch dezentrale Kryptowährungen die Kontrolle über das digitale Zahlungsgeschäft entgleitet. Andererseits könnten aber auch Händler durch die geringeren Transaktionskosten profitieren. Endverbraucher hätten den Vorteil einer staatlich garantierten digitalen Währung. Buchgeld ohne Einlagensicherung birgt bei einer Insolvenz der jeweiligen Geschäftsbank dagegen die Gefahr, dass das Guthaben einfach verschwindet.

Check 4: Welche Risiken/Nachteile gibt es?

Je nach Ausgestaltung könnte sich CBDC negativ auf die Geschäftsbanken auswirken, nämlich dann, wenn Zentralbanken Bürgern und Unternehmen Dienstleistungen anbieten, die bisher den Geschäftsbanken vorbehalten waren. Es müsste also geklärt werden, inwieweit Bürger direkt mit der Zentralbank interagieren und welche Dienstleistungen sie dort in Anspruch nehmen können. Die bisherigen Anbieter digitaler Zahlungsdienste müssten ebenfalls Nachteile befürchten, bis hin zur Obsoleszenz ihrer Geschäftsmodelle. Vertreter von Banken begrüßen daher digitale Währungen als Ergänzung zum Bargeld, warnen aber vor zu weitreichenden Eingriffen in ihr bisheriges Geschäftsmodell.

Kritiker befürchten in Zusammenhang mit digitalem Zentralbankgeld außerdem ausufernde Kontrollmöglichkeiten des Staates. Auf der anderen Seite gibt es in Europa Überlegungen, wie sich ein digitaler Euro in einer anonymen Form umsetzen ließe und wie Zahlungen auch offline getätigt werden können. In dieser Form würde er sogar die Anonymität von Kryptowährungen und eine staatliche Garantie kombinieren. Aktuell sieht die EZB „den höchsten Grad“ an Anonymität vor, andererseits versucht die Behörde aber auch Anonymität im Zahlungsverkehr einzuschränken, zum Beispiel durch eine Bargeldobergrenze. Wie dies im Falle des digitalen Euro ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten.

Check 5: Wo wird CBDC bereits genutzt?

Als erstes Land, das digitales Zentralbankgeld offiziell eingeführt hat, gelten die Bahamas. Dort können Bürger bereits seit 2020 den Sand Dollar erhalten, eine digitale Version des Bahama-Dollars. Weitere CBDCs existieren in Nigeria, Jamaika und einigen kleineren Ländern der Ostkaribik, während Pilotversuche in weiteren 21 Staaten (darunter Australien, Russland, Indien und China) laufen. In Deutschland und den meisten Ländern der Eurozone werden aktuell entsprechende Lösungen entwickelt. Einen umfassenden Überblick bietet eine Karte des Atlantic Council.

Bild (2):© Endava