Rund die Hälfte der Frauen ist in keiner guten psychischen Verfassung

Traurige Frau stützt Kopf auf Arm
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Deutlich mehr Frauen als Männer in Deutschland bewerten ihre psychische Verfassung als nicht gut, während es bei der Einschätzung der physischen Gesundheit keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Rund die Hälfte der Frauen (49 Prozent) aber nur vier von zehn Männern (39 Prozent) geben an, dass ihre psychische Verfassung durchschnittlich, schlecht oder sehr schlecht ist. Bei der Einschätzung der physischen Gesundheit hingegen geben beide Geschlechter beinahe zu gleichen Teilen (49 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer) an, in guter oder sehr guter physischer Verfassung zu sein.

Zu diesen Ergebnissen kommt der vierte AXA Mental Health Report. Die internationale Studie ermittelt Aussagen zum mentalen Gesundheitszustand der Bevölkerung, sensibilisiert für mögliche Risiken einer mentalen Erkrankung und wurde anlässlich des Weltfrauentags am 08. März mit Blick auf Geschlechterunterschiede ausgewertet.

Mehr Frauen als Männer bezeichnen sich als psychisch erkrankt

Ein Drittel der Frauen (33 Prozent) aber nur gut jeder Vierte Mann (28 Prozent) sagen, dass sie aktuell unter Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Dabei sind es insbesondere junge Frauen, die von psychischen Leiden betroffen sind. 40 Prozent der 18-34-jährigen Frauen geben an, aktuell mental erkrankt zu sein. Bereits im vergangenen Jahr war diese Gruppe mit 41 Prozent die am meisten betroffene. Auch geben mehr Frauen (41 Prozent) als Männer (31 Prozent) an, in der Vergangenheit psychisch erkrankt gewesen zu sein.

„Frauen haben statistisch gesehen eine höhere Vulnerabilität, das heißt, ihre Anfälligkeit für äußere Einflüsse und psychische Erkrankungen ist insgesamt höher. Einen medizinischen Grund gibt es dafür nicht. In der Praxis begegnen mir häufig Frauen, die zum Beispiel deutlich vom Mental Load, der mentalen Belastung durch dauerhaftes Organisieren und Erfüllen alltäglicher Aufgaben, betroffen sind“, kommentiert Dr. Deniz Kirschbaum praktizierende Psychotherapeutin für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die Studienergebnisse.

Die erhöhte Belastung von Frauen zeigt sich auch im erhobenen Stresslevel. Während das Stresslevel der letzten zwölf Monate auf einer Skala von eins bis zehn unter Frauen bei durchschnittlich 5,8 lag, erreicht die Skala bei Männern lediglich 5,3. Zum Vergleich: Der bundesweite Durchschnitt des Stresslevels liegt bei 5,6. Eine besonders gestresste Gruppe umfasst Menschen, die in Teilzeit arbeiten. Bei ihnen liegt das Stresslevel bei durchschnittlich 6,2. Betrachtet man in Teilzeit arbeitende Frauen, liegt der Wert nochmals höher.

Frauen erleben deutlich häufiger Symptome, die auf psychische Erkrankungen hinweisen können

Neben der Erkrankung an sich wurde in der Studie auch hinterfragt, welche Veränderungen die Befragten hinsichtlich ihrer psychischen Verfassung bei sich beobachteten. Hierzu gaben die befragten Personen zu unterschiedlichen Symptomen an, ob sie diese in den vergangenen sieben Tagen an sich wahrnehmen konnten. Auch hier waren es in den meisten Fällen deutlich mehr Frauen als Männer, die eine gravierendere Symptomatik aufwiesen. So gaben beispielsweise 67 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer an, nur schwer zur Ruhe gekommen zu sein. 61 Prozent der Frauen und 52 Prozent der Männer neigten zu Überreaktionen. 62 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer fühlten sich unruhig. 63 Prozent der Frauen und 56 Prozent der Männer erlebten sich schwermütig. 36 Prozent der Frauen und 28 Prozent der Männer fühlten sich sogar nah an einer Panikattacke. Und 40 Prozent der Frauen sowie 31 Prozent der Männer fühlten sich ohne ersichtlichen Grund ängstlich.

Ein Viertel der Frauen ist unzufrieden mit sich – ältere Frauen sind deutlich zufriedener

In puncto Selbstbewusstsein zeigen sich erneute Geschlechterunterschiede. Rund ein Viertel (23 Prozent) der Frauen verneint die Aussage „Mit Blick auf meine Stärken und Schwächen bin ich mit mir selbst zufrieden“. Unter den Männern sind es mit 16 Prozent deutlich weniger. Auch haben Frauen im Vergleich zu Männern ein geringeres Vertrauen in ihre Fähigkeiten. 69 Prozent der Männer und 61 Prozent der Frauen stimmen der Aussage „Ich vertraue auf meine eigenen Fähigkeiten“ zu.

Besonders selbstbewusst zeigt sich hingegen die Gruppe der älteren Frauen zwischen 55 und 75 Jahren. Unter ihnen stimmt ein Großteil von 64 Prozent der Aussage „Mit Blick auf meine Stärken und Schwächen bin ich mit mir selbst zufrieden“ zu.

„Mit zunehmendem Alter gewinnen wir an Lebenserfahrung. Lebenserfahrung bedeutet auch, sich selbst besser kennenzulernen und sich seiner selbst bewusst zu werden. Die eigene Anforderung, es anderen rechtmachen zu wollen, wird mit ansteigendem Alter geringer. So liegt der Fokus mehr auf uns selbst und die Lebenszufriedenheit erhöht sich. Auch Akzeptanz für die eigenen Stärken und Schwächen steigern sich und wir können mehr auf uns vertrauen“, erklärt Dr. Deniz Kirschbaum weiter.

In einer entscheidenden Sache haben die Frauen den Männern laut Befragung etwas voraus. Ein Großteil der Frauen (64 Prozent) stimmt der Aussage „Ich denke, dass die Dinge, die ich in meinem Leben tue, sinnvoll sind“ zu. Unter den Männern sind es hingegen 59 Prozent. Dafür stimmen 57 Prozent der Männer aber nur 49 Prozent der Frauen der Aussage „Ich kann mich in chaotischen Situationen beruhigen und mich darauf konzentrieren, das Richtige zu tun“ zu. Während Frauen sich somit als sinnstiftender erleben, sehen Männer in sich die besseren Krisenmanager.

Über den AXA Mental Health Report
Für den internationalen AXA Mental Health Report hat das Meinungsforschungsinstitut Ipsos im Auftrag von AXA vom 15. November bis 11. Dezember 2023 1.000 Personen zwischen 18 und 75 Jahren in Deutschland repräsentativ online befragt. Neben Deutschland wurden Ergebnisse in fünfzehn weiteren Ländern aus Europa, Asien und Nordamerika ermittelt. Der AXA Mental Health Report wurde bereits zum vierten Mal in Folge erhoben. Die Studie ermittelt Aussagen zum mentalen Gesundheitszustand der Bevölkerung und sensibilisiert für mögliche Risiken der mentalen Gesundheit.