WOM: Die Macht der Mitarbeitenden

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Neue, gute Mitarbeitende und Top-Talente findet man immer seltener durch klassische Rekrutierungsmaßnahmen, sondern vor allem durch WOM (Word of Mouth), wirkungsvolle Mundpropaganda. Indem die Beschäftigten ihre Erfahrungen in ihren Netzwerken ausgiebig teilen, sorgen sie unter anderem auch dafür, dass neue, gute, passende Zukunftsgestalter bei Ihnen arbeiten wollen.

Ein Beitrag von Anne Schüller, Businesscoach und Autorin

Anne M. Schüller, Businesscoach und Autorin © Anne M. Schüller

Wir leben in einer immer intelligenteren Welt, und die braucht immer intelligentere Leute. Der Wissenszuwachs beschleunigt sich exponentiell. Vorhandenes Wissen wird zunehmend schnell obsolet. Unternehmen können in diesem Kontext nur noch dann erfolgreich sein, wenn sie den Intellekt, die Kreativität und die volle Schaffenskraft von Toptalenten für sich gewinnen und kluge Köpfe miteinander vernetzen.

Dass die Millennials neue Vorstellungen vom Arbeiten haben und diese auch unbeirrt durchsetzen werden, ist inzwischen jedem wohl klar. So führt die Jagd nach den besten Talenten zu einem gewaltigen Arbeitgeber-Attraktivitätswettbewerb. Viele Anbieter werden schon allein deshalb vom Markt verschwinden, weil sie keine qualifizierten Young Professionals mehr finden, die für sie tätig sein wollen.

Deshalb ist es sowohl logisch als auch zwangsläufig ein Muss, die junge Generation beratend und coachend einzubinden, wenn es um die Auswahl neuer Kollegen und das Gestalten eines passenden Arbeitsumfeldes geht. Um die entscheidenden Ansatzpunkte zu finden, schauen wir uns zunächst genauer an, wie, aus Sicht eines Arbeitnehmers betrachtet, der Kreislauf einer Mitarbeiterbeziehung überhaupt funktioniert.

Die Macht der Mitarbeitenden durch WOM

Nicht die Firmenwebsite und deren Karriereteil, sondern das Eingabefeld der Suchmaschinen ist zunehmend der Startpunkt für eine potenzielle Mitarbeiterbeziehung – und oftmals gleichzeitig das Ende. Dabei spielt WOM, also Word of Mouth in Form von Hinweisen auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen, in User-Foren, Blogbeiträgen und Presseartikeln sowie jegliche andere Form von Mundpropaganda und Weiterempfehlungen eine zunehmend wichtige Rolle.

Solche Interaktionspunkte werden im Fachjargon „Earned Touchpoints“ genannt, denn man kann sich das (hoffentlich) Positive, das an solchen Punkten ausgedrückt wird, nicht wie eine Stellenanzeige kaufen, man muss es sich vielmehr verdienen.

Dies passiert, wie die Abbildung zeigt, in den Modulen Kommen, Bleiben und Gehen. Hierbei stellen sich entscheidende Fragen: Sind bei Ihnen Spitzenkräfte am Werk? Oder die lahmen Enten, die sonst keiner will? Beschäftigen Sie ein motiviertes Hochleistungsteam – oder eine Dienst-nach-Vorschrift-Belegschaft? Soviel kann wohl als sicher gelten: An die Honigtöpfe der Zukunft schafft man es nur mit Mitarbeitenden,

  • die mit Feuer und Flamme bei der Sache sind,
  • die sich mit den Zielen und Werten der Firma voll und ganz identifizieren,
  • die unternehmerisch denken und tatkräftig handeln,
  • die mit Stolz rumerzählen, in welch tollem Unternehmen sie arbeiten und
  • die sich keinen besseren Job vorstellen können, als den, den sie machen.

Ein Wunschtraum? Nein, solche Mitarbeitende gibt es zuhauf.

Ist Ihre Firma Hochleistungseinsatz wert?

„Der Mensch ist nicht auf Schlaraffenland programmiert, sondern auf Leistung“, sagt der Verhaltensbiologe Felix von Cube. Für jede bewältigte Herausforderung werden wir vom Gehirn mit Glückshormonen belohnt. Und das macht süchtig nach mehr. Die Frage muss deshalb wohl eher lauten: Ist Ihre Firma Hochleistungseinsatz überhaupt wert? Moderne Arbeitsbedingungen, niedrighierarchische Strukturen, ein gutes Betriebsklima und ein zeitgemäßes Führungsverhalten spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Am Ende des Kreislaufs geht es dann darum, dass sich das Gute weiterverbreitet. Dies lässt sich vor allem mithilfe der socialmediaaffinen Internetgeneration ganz gezielt steuern. Es ist ja ein selbstverständlicher Teil ihrer Lebenswelt, Meinungen, Hinweise und Ratschläge auf passenden Websites zu teilen. Dies ist ihre Art, Anerkennung zu gewinnen und sich in ihrem sozialen Umfeld Reputation aufzubauen.

„Sei wirklich gut, und bring die Leute dazu, dies vehement weiterzutragen.“ So lautet also das neue Business-Mantra. Mit diesem Leitsatz wird man fit für die Zukunft.

© Anne M. Schüller

Das Feedback der Millennials ist elementar

Vor allem die jüngere Generation lässt sich bei der Entscheidungsfindung von Ihresgleichen leiten. Deshalb müssen die Arbeitgeber genau dort präsent sein und positiv in Erscheinung treten, wo die Young Professionals suchen. Nur die Millennials selbst können Ihnen ganz genau sagen, an welchen digitalen Wasserlöchern sie sich gerade tummeln. Und sie können Ihnen zum Beispiel auch zeigen, wie und wo sie sich jeweils mit Informationen versorgen – und was ihnen dabei zusagt oder missfällt.

Gerade im Modul „Kommen“, das für einen gelungenen Start eminent wichtig ist, liegt oft eine Menge im Argen. Etliche Fallstricke lauern auf dem Weg zum perfekten Top-Aspiranten. Und auch hier: Nur die Zielgruppe selbst kann Ihnen erklären, wie sie sich einen attraktiven Recruitingprozess wünscht und ob das, was in diesem Kontext bei Ihnen passiert, fasziniert – oder abschreckt. Unglaublich viel wird nur deshalb so schlecht oder falsch gemacht, weil das Feedback der jungen Generation fehlt.

Zudem hat sich die „Macht“ von der Anbieter- auf die Nachfrageseite verlagert. Das bedeutet: Heute bewerben sich die Arbeitgeber bei den aussichtsreichsten Kandidaten. Eine Standardfrage im Einstellungsgespräch klang früher wie folgt: „Was wissen Sie über unsere Firma? Und weshalb sollten wir sie einstellen?“

Jetzt drehen die Spitzenbewerber*innen den Spieß einfach um, und zwar so: „Ich habe mich über die Reputation Ihres Managements und das Betriebsklima in Ihrem Unternehmen informiert, nun bitte zeigen Sie mir, weshalb ich bei Ihnen arbeiten soll!“

Der Weg des Personalers in die Zukunft

Vom Verwalter zum Verkäufer, das ist der Weg des Personalers der Zukunft. Er muss zugleich innovativ und bewerberorientiert sein, um Wunschkandidaten anzulocken. Doch dies ist noch nicht überall angekommen. Vielerorts schwelgt man weiterhin in standardisierten Prozessen, die für das Unternehmen zwar praktisch, für die Kandidaten jedoch ätzend sind. Selbst die vielversprechendsten Leute kommen sich wie Bittsteller vor und müssen sich an die vorgedachten Abläufe halten.

Den Bürokratievogel abgeschossen hat ein Unternehmen mit einem zehnseitigen (!) Bewerbungsformular. Toptalente hassen sowas. Vielfach ist Fachkräfte- und Nachwuchsmangel also kein Branchenproblem, sondern selbstverschuldet. Das Problem lautet: Unverständnis für die Belange der jeweiligen Zielgruppe.

Da Arbeit und Freizeit immer mehr miteinander verschmelzen, ist Eigenzeit ein knappes Gut, mit dem man haushalten muss. Wer einem die Zeit stiehlt, weil alles so langwierig und altmodisch ist, fällt durch den Rost, bevor es überhaupt zu einem ersten Kennenlernen kommt. Wer hingegen im Recruitingprozess brilliert, der bekommt nicht nur Top-Bewerber*innen, sondern auch eine zunehmend wichtige positive Mundpropaganda.

Zur Autorin

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events.

In ihrem neuen Buch „Bahn frei für Übermorgengestalter“ (Gabal Verlag, ISBN 978-3967390933) zeigt sie 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.

Bilder (2–3): © Anne M. Schüller