Generative KI in der Versicherungsbranche: Zwischen Aufbruch und Durchbruch
Die Versicherungswirtschaft hat generative KI inzwischen fest in ihre Digitalstrategie integriert – doch das volle Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft. Ein aktueller Sammelband des InsurLab Germany zeigt, wo der Einsatz heute bereits messbaren Mehrwert liefert – und wo zentrale Herausforderungen auf dem Weg zur Skalierung bestehen.
Die Publikation „Werttreiber Generative KI: Die Versicherungswirtschaft zwischen Aufbruch und Durchbruch“ macht deutlich: Insbesondere in der Kundenkommunikation, im Schadenmanagement, im Vertrieb, in der Produktentwicklung und im IT-Engineering wirkt generative KI bereits transformativ. Einzelne Projekte konnten Implementierungszeiten um bis zu 75 Prozent verkürzen und die Produktivität von Entwicklungsteams verzehnfachen.
Aus den Erfahrungsberichten lassen sich fünf branchenübergreifende Erkenntnisse ableiten:
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1. Skalierung bleibt zentrale Hürde
Viele Unternehmen haben KI-Pilotprojekte erfolgreich umgesetzt – doch die Überführung in den Regelbetrieb fällt schwer. Fehlende KPIs, unklare Verantwortlichkeiten und eine geringe Integrationstiefe bremsen den Fortschritt. Entscheidend sei laut Sammelband, KI-Projekte von Beginn an strategisch einzubetten – mit klarem Business Ownership und tragfähigen Rahmenbedingungen. -
2. Kundenkommunikation als Schlüsselanwendung
Mehr als die Hälfte aller KI-Projekte adressieren die digitale Kundenkommunikation. Automatisierte Assistenten, Chatbots oder Self-Service-Lösungen verkürzen Bearbeitungszeiten, steigern die Effizienz und schaffen Freiräume im Kundenservice. Erste Systeme erzielen bereits über 80 % Antwortgenauigkeit und lernen kontinuierlich durch Nutzerfeedback. KI wird damit zur Qualitätsschnittstelle der digitalen Interaktion. -
3. Produktentwicklung: viel Potenzial, wenig Nutzung
Obwohl generative KI neue Möglichkeiten in der Tarifmodellierung, Ideengenerierung und Produktiteration bietet, bleibt dieser Bereich bislang unterrepräsentiert. Versicherer, die das Thema strategisch besetzen, können sich hier einen Wettbewerbsvorteil sichern. Erste Beispiele aus dem IT-Engineering zeigen, wie Entwicklungszyklen drastisch verkürzt und Release-Qualität gesteigert werden können. -
4. Governance als strategischer Hebel
Strenge regulatorische Anforderungen erfordern ein professionelles Governance-Setup. Wer Datenschutz und Kontrollmechanismen nicht nur als Pflicht, sondern als strategisches Steuerungsinstrument begreift, kann Prozesse absichern und gleichzeitig beschleunigen. Viele Versicherer stehen hier noch am Anfang – mit entsprechend großem Hebel für künftige Projekte. -
5. Kulturwandel als Erfolgsfaktor
Generative KI braucht mehr als Technologie: Ohne digitale Kompetenzen, Change-Readiness und eine innovationsfreundliche Kultur lassen sich Potenziale nicht heben. Versicherer investieren deshalb zunehmend in Fortbildungs- und Change-Programme, um Führungskräfte und Mitarbeitende fit für den KI-Einsatz zu machen.
Der vollständige Sammelband steht auf der Website des InsurLab Germany kostenfrei zur Verfügung und bietet neben Use Cases auch konkrete Handlungsempfehlungen für Versicherer, die ihre KI-Initiativen skalieren und strategisch ausrichten möchten.
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