Urteil: Keine Haftungsbeschränkung durch Vertragsklausel

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CGPA Europe hat zur Erweiterung ihres Repertoires an Rechtsprechungsdaten ihr europäisches Anwaltsnetzwerk gebeten, Entscheidungen vorzustellen, die den Vermittlungssektor in ihrer jeweiligen Gerichtsbarkeit geprägt haben. Im Jahr 2021 betrafen diese Entscheidungen häufig die Beratungspflicht, deren Verletzung sich sowohl in der Phase des Vertragsabschlusses als auch während der Vertragslaufzeit herauskristallisieren kann.

Besagte Entscheidungen lassen auf eine Leitlinie schließen, der zufolge die europäischen Richter immer häufiger dazu neigen, die Wichtigkeit von Informations- und Beratungspflichten aufzuzeigen. Dies ist besonders in den Pflichten der Kunden der Vermittler begründet und erinnert daran, wie wichtig es ist, alle während der gesamten Vertragslaufzeit erteilten Informationen und Beratungselemente schriftlich zu dokumentieren, was für die Verteidigung der Vermittler im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten gegen sie unerlässlich ist.

Um Maklerunternehmen langfristig Sicherheit zu bieten, fließt in die Tarif- und Produktentwicklung der CGPA Europe  regelmäßig das Know-how ausgewiesener Experten aus ganz Europa ein. Die Ergebnisse dieses Wissenstransfers werden umfassend in der Studie „EUROPEAN OBSERVATORY: Entwicklungen am weltweiten Versicherungsmarkt“ zusammengefasst.

Im dritten Teil der Serie veröffentlicht Christian Henseler, Geschäftsführer der CGPA Europe und VSH-Experte, einen Auszug aus dem Kapitel: „Richtungsweisende Urteile aus Europa. Aus Deutschland die Rechtsprechung des Landgericht Hamburg, 9. September 2021- 413 HKO 27/20„:

Sachverhalt

Ein Wachdienstunternehmen beauftragt einen Makler mit der Verwaltung seiner Versicherungsverträge. Einige Zeit später schließt das Unternehmen einen Vertrag mit einem Kunden ab, der unter anderem darin besteht, sich um das Schließen von Hochwasserschutztoren bei starken Regenfällen zu kümmern. Diese Tätigkeit wird dem Versicherer jedoch nicht gemeldet und ist folglich vertraglich nicht abgesichert.

Einige Zeit später werden die Räumlichkeiten eines Dritten überflutet, da das versicherte Unternehmen die Schiebetore nicht ordnungsgemäß geschlossen hatte. Der Versicherer verweigert seine Leistung mit der Begründung, dass diese Tätigkeit nicht im Vertrag angegeben worden war.

Der Versicherte macht daraufhin den Makler haftbar und behauptet, ihn über diese Tätigkeit informiert zu
haben, was dieser jedoch entschieden bestreitet. Der Kunde bringt zwar keine Beweise für seine Behauptung vor[12], legt jedoch zur Unterstützung seiner Forderungen Wachdienstverträge vor, in denen diese Tätigkeit aufgeführt ist. Der Makler hatte mit dem Kunden darüber hinaus eine Vereinbarung getroffen, die seine vertragliche Haftung im Falle von Fahrlässigkeit seinerseits ausschließt[13].

Entscheidung

Die Richter sind der Auffassung, dass der Kunde nicht genügend Beweise dafür vorgelegt hat, denen zufolge der Makler mündlich über diese neue Tätigkeit informiert wurde. Sie argumentieren jedoch, dass der Makler den gesamten Inhalt der ihm übergebenen Verträge hätte überprüfen müssen, um mögliche Leistungslücken zu vermeiden. Sie schließen daher auf die Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Makler. So erklärt das LG Hamburg:

Der Makler kann seine Haftung nicht mittels einer Vertragsklausel beschränken. Zudem ist er angehalten, seine Versicherungsempfehlung auf alle von seinem Kunden zur Verfügung gestellten Unterlagen zu stützen.

Die Richter erklären schließlich die Vereinbarung zur Beschränkung der Haftung des Maklers für nichtig, da sie unter anderem darauf abzielt, den Makler im Falle seiner eigenen Fahrlässigkeit zu schützen, was nach deutschem Recht nicht zulässig ist.

Kommentar

Dieses für Makler besonders harte Urteil verstärkt die Tendenz der deutschen Gerichte, extrem strenge Anforderungen an Makler zu stellen. Es verdeutlicht insbesondere die Bedeutung, den gesamten Inhalt der ihnen übermittelten Unterlagen und Informationen zu prüfen, um bestimmte Informationen darin erfassen zu können.

In der Praxis ist es fraglich, wie streng eine solche Anforderung ist, da diese übermittelten Informationen und Dokumente – wie im vorliegenden Fall – mitunter sehr dicht sind und den Vermittlern ihre Aufgabe durchaus erschweren können. Obwohl die im vorliegenden Fall getroffene Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, bestätigt diese Entscheidung erneut einen Trend in der Rechtsprechung, derartige von einigen Maklern getroffene Vereinbarungen für nichtig zu erklären. Diese Haltung scheint Versicherungsagenten gegenüber flexibler zu sein; trotzdem sollten sich Vermittler generell besser nicht auf ihrer Effizienz ausruhen

Anmerkungen:

[12] Die Umkehr der Beweislast, so wie sie im ersten Teil der Beobachtungsstelle für Streitverkündungen erörtert wurde, findet keine Anwendung, wenn sich der Maklervertrag auf die Verwaltung laufender Versicherungsverträge bezieht.
[13] In Deutschland ist es üblich, dass Vermittler zur Beschränkung ihrer Haftung Vereinbarungen mit ihren Kunden treffen. Diese Vereinbarungen können sich sowohl auf die Höhe eines möglichen Schadensersatzes beziehen, den der Makler gegebenenfalls dem Kunden zahlen muss, als auch auf das Prinzip als solches der Haftung des Vermittlers gegenüber seinem Kunden. Die Richter stehen solchen Klauseln häufig ablehnend gegenüber, insbesondere wenn sie von Maklern aufgestellt wurden, und erklären sie in den meisten Fällen für ungültig.

Lesen Sie auch:

Teil 1: Rückläufige Vermittlerzahlen in Europa

Teil 2: Außergerichtliche Streitbeilegungen in Vermittlungstätigkeiten

Teil 4: Streitfälle im Zusammenhang mit der Berufshaftpflicht von Vermittlern

Teil 5: Entwicklungen am weltweiten Versicherungsmarkt