Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung zweier Angeklagter wegen gewerbsmäßigen Betrugs durch das Landgericht Weiden i.d.OPf. bestätigt. Die Beschuldigten hatten über eine Genossenschaft vermeintlich vermögenswirksame Leistungen angeboten, ohne die gesetzlichen Formvorschriften einzuhalten. Das Urteil betrifft bundesweit über 16.000 Geschädigte mit einem Gesamtschaden von mehr als 6,7 Millionen Euro.
Die Hauptangeklagte, die keine Revision eingelegt hatte, leitete die Genossenschaft als Vorständin. Ihr Ehemann war für die Buchhaltung zuständig, ihr Sohn für die IT. Gemeinsam nutzten sie die Genossenschaft, um unter Vorspiegelung korrekter Vertragsverhältnisse Beitritte als Anlageform für vermögenswirksame Leistungen zu verkaufen – obwohl diese formunwirksam waren und damit keine Ansprüche auf Beiträge bestanden. Die Genossenschaft warb über das Internetportal "Foerderhelden.de" mit schnellen und kostenfreien staatlichen Förderungen. Tatsächlich traten die Anleger der Genossenschaft bei, indem sie Daten in eine Online-Maske eingaben. Der Beitritt war jedoch unwirksam, da die erforderliche qualifizierte Unterschrift fehlte. Dennoch forderten die Angeklagten von den Arbeitgebern der Anleger vermögenswirksame Leistungen ein.
Das Landgericht Weiden verurteilte die Hauptangeklagte zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Ihr Ehemann erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten, ihr Sohn wurde zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt.
Der BGH (6 StR 518/24) wies die Revisionen ab. Das Urteil des LG Weiden vom März 2024 ist damit rechtskräftig. Es handelt sich um einen der bislang größten dokumentierten Betrugsfälle im Zusammenhang mit der betrieblichen Vermögensbildung über Genossenschaften.
Geld weg – kaum Hoffnung auf Rückerstattung
Für die mehr als 16.000 geschädigten Arbeitnehmer ist der finanzielle Schaden beträchtlich: Insgesamt flossen rund 6,7 Millionen Euro in die vermeintliche Genossenschaft – meist als vermögenswirksame Leistungen über die Arbeitgeber. Doch weil die Beitritte juristisch unwirksam waren und die Gelder offenbar nicht werterhaltend angelegt wurden, ist das investierte Kapital in vielen Fällen verloren. Eine Entschädigung durch Rückabwicklung gilt als unwahrscheinlich: Die Genossenschaft ist laut Medienberichten inzwischen zahlungsunfähig, nennenswerte Vermögenswerte zur Rückerstattung sind nicht bekannt.
Betroffene, deren Arbeitgeber die Beiträge gezahlt haben, müssten individuelle Ansprüche prüfen – doch häufig übersteigen Aufwand und Kosten mögliche Rückflüsse. Der Fall zeigt, wie wichtig sorgfältige rechtliche und wirtschaftliche Prüfung bei Vermögensbeteiligungen ist – selbst wenn sie über etablierte Wege wie vermögenswirksame Leistungen erfolgen.
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