Ein schneller Schulterschluss – mit Beteiligung der BasisKoalition steht: Ein neuer Vertrag, vertraute Linien

Rente, Migration, Investitionen – Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der Stabilität verspricht und Strukturwandel andeutet. Was drinsteht, wer was bekommt und worauf es jetzt ankommt.

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Deutscher Bundestag Bildnummer: 5009338Thomas Trutschel / photothek

Nach nur 45 Tagen haben sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Der Titel „Verantwortung für Deutschland“ steht über 146 Seiten politischer Verständigung, die in vielerlei Hinsicht an frühere große Koalitionen erinnern – mit neuen Akzenten und altbekannten Konfliktlinien. Der erste formale Schritt zur Regierungsbildung wird durch ein Mitgliedervotum der SPD eingeläutet. Die Parteibasis soll zwischen dem 15. und 29. April per Post abstimmen. Im Falle einer Zustimmung kann die SPD-Führung den Vertrag offiziell billigen. Die Wahl des Bundeskanzlers ist ab dem 5. Mai möglich – angepeilt wird der 7. Mai.

Renten und Grundsicherung: Stabilität mit Bedingungen

In der Rentenpolitik wird das Rentenniveau von 48 Prozent gesetzlich bis 2031 festgeschrieben. Die Finanzierung erfolgt über den Bundeshaushalt. Zusätzlich wird die sogenannte Mütterrente gestärkt: drei Rentenpunkte unabhängig vom Geburtsjahr des Kindes. Beim Bürgergeld wird der Begriff „neue Grundsicherung“ eingeführt. Arbeitsfähige Menschen sollen vorrangig in Arbeit vermittelt werden. Sanktionen werden verschärft, bei wiederholter Arbeitsverweigerung kann es zu vollständigem Leistungsentzug kommen. Zudem wird ein wöchentlicher Arbeitszeitrahmen eingeführt, der den Acht-Stunden-Tag ablösen soll. Ab 2026 ist ein Mindestlohn von 15 Euro geplant.

Steuerpolitik und Einsparungen

Die Koalition plant steuerliche Entlastungen insbesondere für kleine und mittlere Einkommen, allerdings erst in etwa zwei Jahren. Die Körperschaftsteuer wird ab 2028 schrittweise gesenkt. Für Unternehmen gibt es eine degressive Abschreibung von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen in den Jahren 2025 bis 2027. Der Solidaritätszuschlag bleibt für einkommensstarke Bürger und Firmen bestehen. Auf der Ausgabenseite plant die Regierung Einsparungen: acht Prozent der Stellen in der Verwaltung (Sicherheitsbehörden ausgenommen) sollen abgebaut, Förderprogramme und internationale Beiträge um eine Milliarde Euro reduziert werden. Auch die Zahl der Bundesbeauftragten soll halbiert werden.

Migration, Staatsbürgerschaft und Integration

Union und SPD setzen auf Begrenzung und Ordnung der Migration. Zurückweisungen an den Grenzen sind künftig auch bei laufenden Asylgesuchen möglich – in Abstimmung mit den EU-Nachbarstaaten. Die Einbürgerung nach drei Jahren wird abgeschafft, der Erwerb der Staatsbürgerschaft soll regulär erst nach fünf Jahren möglich sein. Der Doppelpass bleibt erlaubt. Der Familiennachzug für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus wird für zwei Jahre ausgesetzt. Für Geflüchtete aus der Ukraine soll es künftig kein Bürgergeld mehr geben.

Verteidigung, Wehrpflicht und Sicherheit

Die Verteidigungsausgaben werden erhöht. Ab 2025 soll ein freiwilliger Wehrdienst nach schwedischem Vorbild eingeführt werden, wobei nur Männer auf Aufforderung reagieren müssen. Die Koalition plant außerdem, noch 2025 mit der Wehrerfassung und -überwachung zu beginnen. Die Sicherheitsarchitektur wird durch einen Bundessicherheitsrat im Kanzleramt ergänzt. Zusätzlich wird die Speicherung von IP-Adressen für Ermittlungszwecke für drei Monate wieder eingeführt.

Digitalisierung und Verwaltung

Ein eigenes Digitalministerium wird geschaffen. Die Koalition will die staatliche Modernisierung mit dem Ziel verbinden, Verwaltung und Serviceangebote bürgernäher und digitaler zu gestalten. Bürokratieabbau steht im Zentrum, mit dem Ziel, Arbeitsprozesse zu beschleunigen. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach davon, dass „die Bagger arbeiten und die Faxgeräte verschwinden“ müssten.

Mobilität und Klima

Das Deutschlandticket bleibt über das Jahr 2025 hinaus erhalten. Preissteigerungen sind jedoch ab 2029 vorgesehen. Die Elektromobilität wird weiter gefördert, etwa durch Kaufprämien und eine Kfz-Steuerbefreiung für E-Fahrzeuge bis 2035. Dienstwagen mit Elektroantrieb sollen weiterhin steuerlich begünstigt werden.

Gesellschaftspolitik und Cannabis

Eine Rücknahme der Cannabislegalisierung erfolgt nicht. Stattdessen ist für Herbst 2025 eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes vorgesehen.

Ministerienverteilung und Personalien

Die Ministerienverteilung spiegelt bekannte Parteizuständigkeiten wider. Die SPD übernimmt sieben Ministerien: Finanzen, Verteidigung, Justiz, Arbeit, Umwelt, Entwicklung, Bauen und Wohnen. Die CDU erhält sechs Ressorts: Wirtschaft, Außen, Bildung und Familie, Verkehr, Digitales und Gesundheit. Die CSU verantwortet drei Ministerien: Inneres, Landwirtschaft, sowie Forschung und Raumfahrt. Lars Klingbeil wird Finanzminister und Vizekanzler. Johann Wadephul (CDU) wird Außenminister, Alexander Dobrindt (CSU) übernimmt das Innenministerium. Dorothee Bär (CSU) wird voraussichtlich das neue Forschungsressort leiten. Boris Pistorius bleibt Verteidigungsminister. Karl Lauterbach scheidet aus dem Amt des Gesundheitsministers aus.

Erneuerung im Rahmen des Erwartbaren

Die neue Koalition ist ein Bündnis der Konsolidierung mit Elementen des Aufbruchs. Sie sucht Balance zwischen sicherheitspolitischer Festigkeit, wirtschaftlicher Entlastung und sozialstaatlicher Stabilität. Politisch dominieren klassische Muster – doch die Koalition will sich zugleich als handlungsfähig und reformbereit präsentieren. Ob sie diesem Anspruch gerecht wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten – auch durch die Zustimmung ihrer eigenen Parteibasen.




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