Aktivrente beschlossen: Kritik an Ungleichbehandlung wächst

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur sogenannten Aktivrente beschlossen. Ab dem 1. Januar 2026 sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über der Regelaltersgrenze bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen können – sofern sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Ziel ist es, Erwerbsarbeit im Rentenalter attraktiver zu machen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

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Mit dem neuen Gesetz will die Bundesregierung Anreize für freiwilliges Weiterarbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus setzen. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil betonte, die Maßnahme solle „wirtschaftliches Wachstum stärken“ und zugleich helfen, dem Arbeits- und Fachkräftemangel zu begegnen. Ältere Beschäftigte könnten ihr Erfahrungswissen weitergeben und zur Stabilisierung des Arbeitsmarkts beitragen.

Steuerfreier Zuverdienst für sozialversicherungspflichtige Rentner

Kernpunkt der Regelung: Wer das gesetzliche Rentenalter (derzeit 67 Jahre) erreicht hat und freiwillig weiterarbeitet, kann künftig bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen. Voraussetzung ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – Selbstständige sowie Beamtinnen und Beamte sind explizit ausgeschlossen. Die Steuerfreiheit gilt unabhängig davon, ob bereits eine Altersrente bezogen wird oder der Rentenbeginn aufgeschoben wurde.

Sozialversicherung bleibt Pflicht – zur Stärkung der Sozialsysteme

Trotz der Steuerbefreiung bleibt die Sozialversicherungspflicht bestehen. Damit sollen die Sozialkassen weiterhin gestärkt werden. Die Bundesregierung sieht darin einen doppelten Vorteil: Rentnerinnen und Rentner werden finanziell entlastet, gleichzeitig profitieren die Sozialversicherungen durch zusätzliche Beitragszahler.

Wirtschaft begrüßt Initiative, fordert aber einfache Umsetzung

Aus der Wirtschaft kommt grundsätzlich Zustimmung zum Vorhaben – verbunden mit dem Appell, die praktische Umsetzung für Betriebe möglichst unkompliziert zu gestalten.

„Die Beschäftigung Älterer ist ein wichtiger Baustein, um das Fachkräftepotenzial in Deutschland besser zu nutzen“, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Entscheidend sei jedoch, „dass die Regelung bürokratiearm und einfach für Unternehmen umsetzbar ist“.

Zudem müsse sichergestellt werden, dass rentenpolitische Maßnahmen nicht gegensätzliche Anreize setzen. „Anreize für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben sollten abgeschafft werden“, so Dercks – mit Blick auf die weiter geltende abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren.

Staat rechnet mit hohen Steuerausfällen

Laut Bundesfinanzministerium könnten dem Staat durch die Aktivrente bis zu 890 Millionen Euro an jährlichen Steuereinnahmen entgehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht in einer eigenen Berechnung sogar von bis zu 1,4 Milliarden Euro Mindereinnahmen aus.

Fraglicher Nutzen bei hohem Finanzaufwand

Wirtschaftswissenschaftler und Verbände zeigen sich skeptisch. Einer Umfrage des IW zufolge arbeiten viele ältere Beschäftigte ohnehin freiwillig weiter – vor allem aus Freude an der Arbeit oder wegen sozialer Kontakte, nicht aus finanziellen Gründen. Der erhoffte Anreiz könnte daher ins Leere laufen, ebenso wie die angestrebte Entlastung der Rentenkasse.

Verfassungsrechtliche Bedenken: Gleichbehandlung in Gefahr?

Juristisch könnte die Neuregelung angreifbar sein – insbesondere wegen der Ungleichbehandlung verschiedener Erwerbsgruppen. Die steuerliche Begünstigung gilt ausschließlich für angestellte Rentnerinnen und Rentner, nicht jedoch für Selbstständige. Mehrere Stimmen aus Politik und Wirtschaft werten dies als möglichen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.

Auch der DIHK mahnt hier Nachbesserungen an. Um das Erwerbspotenzial im Alter voll auszuschöpfen, müsse die Aktivrente auch für Selbstständige geöffnet werden. Zudem warnen Kritiker vor einer möglichen Altersdiskriminierung, sollte die Regelung zu einer systematischen Bevorzugung älterer Beschäftigter gegenüber jüngeren führen.

Politisches Signal mit begrenzter Wirkung

Mit der Aktivrente setzt die Bundesregierung ein deutliches Signal, ältere Menschen länger im Arbeitsleben zu halten. Ob dieser steuerliche Anreiz ausreicht, um das Ziel signifikant zu erreichen, bleibt fraglich. Das grundlegende Problem der demografischen Entwicklung – eine schrumpfende Zahl Erwerbstätiger finanziert eine wachsende Zahl von Rentnern – wird durch die Maßnahme allein nicht gelöst.

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