Die künftige Bundesregierung plant eine grundlegende Änderung im Arbeitszeitrecht: Künftig soll die bisherige Begrenzung der täglichen Arbeitszeit durch ein neues Arbeitszeitmodell ersetzt werden. Das sieht der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD im Kapitel „Arbeit und Soziales“ vor. Welche Bereiche davon unberührt bleiben – und welche praktischen Auswirkungen die Änderung haben könnte.
Aktuelle Rechtslage
Derzeit ist in Deutschland gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) eine werktägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden vorgesehen. Diese darf auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden. Tarifliche Ausnahmen sind möglich, etwa in systemrelevanten Bereichen.
Geplante Änderung: Wochenarbeitszeit statt Tagesgrenze
Im Koalitionsvertrag heißt es, man wolle im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) die Möglichkeit schaffen, statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einzuführen. Laut EU-Recht sind bis zu 48 Stunden pro Siebentageszeitraum zulässig – inklusive Überstunden.
Einhaltung der Ruhezeiten nach EU-Recht
Eine unbegrenzte Arbeitszeit pro Tag ist jedoch auch künftig nicht zulässig. Zwar kennt das Europarecht keine tägliche Höchstarbeitszeit, es schreibt aber eine tägliche Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden vor (Art. 3 RL 2003/88/EG). Daraus ergibt sich eine rechnerische tägliche Arbeitszeit von maximal 13 Stunden, abzüglich gesetzlich vorgeschriebener Ruhepausen – etwa 45 Minuten nach mehr als neun Stunden (§ 4 ArbZG). Faktisch wären also bis zu zwölf Stunden und 15 Minuten Arbeitszeit pro Tag denkbar – sofern die Gesamtarbeitszeit die 48-Stunden-Woche nicht überschreitet.
Tarifliche Spielräume bleiben bestehen
Bereits heute sind tariflich begründete Abweichungen möglich – etwa im Gesundheitswesen. Diese tariflichen Öffnungsklauseln bleiben auch künftig erhalten, sofern die europarechtlichen Mindestanforderungen eingehalten werden.
Bedeutung für die Praxis
Ziel der Umstellung ist eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, die unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern soll – etwa durch individuell anpassbare Arbeitszeitmodelle.
Rechtlich bleibt jedoch die Einhaltung der europarechtlichen Ruhezeitvorgaben zwingend erforderlich. Eine signifikante Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ist daher nur im Rahmen der bestehenden Wochenarbeitszeitgrenze möglich – und setzt zugleich voraus, dass an anderen Tagen entsprechend kürzer gearbeitet wird.
Künftig ergeben sich daraus neue Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer.
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