Klimawandel und Versicherung: Steigende Risiken, höhere Kosten – Droht Deutschland das US-Szenario?
Naturkatastrophen verursachen weltweit immer höhere Schäden – in den USA steigen die Versicherungsprämien drastisch, in Deutschland wird über eine Elementarpflichtversicherung diskutiert. Wie beeinflusst der Klimawandel die Versicherbarkeit von Wohngebäuden? Und welche Rolle spielen Vermittler in der Risikovorsorge? Nico Streker, Geschäftsführer der Asspick Versicherungsmakler GmbH aus Lübeck, geht diesen Fragen im Gastbeitrag nach. Der Text erschien zuerst im expertenReport 03/2025.
Der fortschreitende Klimawandel und häufigere Wetterextreme führen weltweit zu immer höheren Schäden an privatem Eigentum, Infrastruktur und für die gesamte Volkswirtschaft. Zahlreiche Hochwasser in Europa, zwei verheerende Wirbelstürme, mehrere tödliche Hitzewellen: Das Wetter war 2024 in vielerlei Hinsicht extrem und gibt uns einen Vorgeschmack auf eine Welt, deren Durchschnittstemperatur dauerhaft 1,5 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung liegt. Dabei sind die zunehmenden Schäden durch Naturkatastrophen nicht nur klimabedingt, sondern auch eine Folge wachsender Urbanisierung, steigender Wiederaufbaukosten, hoher Wertkonzentrationen in Risikogebieten und unzureichender Klimavorsorge auf privater und staatlicher Ebene. Die aktuelle Situation in den USA: Wald- und Flächenbrände verursachen jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe. Aber auch in den USA. Aber auch in Europa begünstigten Hitzewellen und Dürren in den vergangenen Jahren zunehmend Waldbrände. Besonders auffällig ist die Häufung extremer Brandjahre in den USA in der jüngsten Vergangenheit. In sechs der vergangenen zehn Jahre lagen die Brandflächen deutlich über den Höchstwerten der 1990er Jahre. Diese Tendenz wird zusätzlich durch die verheerenden Brände rund um Los Angeles Anfang 2025 deutlich.
Nach Angaben der zuständigen Behörden sind durch die Flächenbrände mehr als 12.000 Gebäude in der Region zerstört oder beschädigt. Laut US-Medien handelt es sich bereits jetzt um eine der schlimmsten Feuerkatastrophen der Stadtgeschichte von Los Angeles. Seit Beginn der Brände gingen fast 163 Quadratkilometer Land in Flammen auf – das ist mehr als anderthalbmal die Fläche der Insel Sylt. Laut einer vorläufigen Schätzung könnte der wirtschaftliche Gesamtschaden in der Region bei 135 Milliarden Dollar liegen. Der versicherte Schaden bei ca. 30 Milliarden Dollar. Und auch weltweit steigen die Schadenzahlen. Nach jüngsten Berechnungen der Munich Re verursachten Naturkatastrophen in 2024 Schäden in Höhe von 320 Milliarden Dollar – versichert waren davon weniger als die Hälfte! Diese Zahlen führen sehr anschaulich vor Augen, dass der Klimawandel mit seiner Zunahme an Extremwetterereignissen nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern auch eine ökonomische Herausforderung ist.
Und angesichts dieser Zunahme stellt sich für viele Versicherer schon heute die Frage, ob sie langfristig alle Schäden durch Naturgefahren ohne Hilfe des Staates zu einem akzeptablen Preis versichern können, da hier die Möglichkeiten, das Risiko zu beeinflussen, begrenzt sind. In den USA ist dies für viele Hausbesitzer bereits bittere Realität.
Private Sachversicherer ziehen sich seit Jahren aus Hochrisikogebieten zurück und begründen dies mit dem wachsenden Risiko von Naturgefahren und den staatlich vorgeschriebenen Beschränkungen für Prämienerhöhungen in einigen Bundesstaaten. Wer doch noch privaten Versicherungsschutz findet, muss kräftig draufzahlen. In Risikogebieten wie Florida, Texas oder Kalifornien kostet Versicherungsschutz inzwischen mehr als die jährliche Hypothekenrate. Dort, wo keine Bank im Spiel ist, entscheiden sich daher viele Hausbesitzer, aufgrund der hohen Kosten unversichert zu bleiben. Oder für die staatliche Versicherung „California Fair Plan“, die im Gegensatz zu privaten Gesellschaften die Versicherung von Häusern in Risikogebieten nicht ablehnen darf. Allerdings ist auch dort die Deckung teuer und begrenzt.
Drohen bei uns bald ähnliche Kostenexplosionen?
Längst sind die Folgen klimatischer Veränderungen auch in Deutschland zu spüren. In den letzten Jahren häufen sich extreme Wetterereignisse. Beispiele wie das Hochwasser 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen oder die Überschwemmungen 2024 in Süddeutschland zeigen, dass die Schäden immense volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Diese Ereignisse führen zu einer zunehmenden öffentlichen Diskussion über die Notwendigkeit eines umfassenden Versicherungsschutzes gegen Elementarrisiken. Die Naturkatastrophen in den USA liefern uns hierfür wichtige Erkenntnisse – auch in Hinblick auf die deutsche Debatte über eine mögliche Elementarpflichtversicherung.
Die Naturkatastrophen verdeutlichen, wie zunehmende Klimarisiken die Versicherbarkeit von Wohngebäuden beeinflussen und welche gesellschaftspolitischen und versicherungstechnischen Maßnahmen notwendig sind. In den Vereinigten Staaten gibt es zwar staatlich unterstützte Programme wie das National Flood Insurance Program (NFIP), um Hochwasserversicherungen in Risikogebieten anzubieten, da ohne staatliche Eingriffe viele Haushalte in Hochrisikogebieten keinen Zugang zu erschwinglichem Versicherungsschutz hätten. Trotz dieser Programme bleiben viele Amerikaner jedoch unversichert. Die Erfahrungen zeigen auch, dass rein marktbasierte Lösungen nicht mehr ausreichen, um dauerhaft umfassenden Schutz gegen Naturgefahren zu gewährleisten. Die staatliche Unterstützung durch Programme wie das NFIP zeigt, dass bei großflächigen Katastrophen eine Umverteilung der Risiken notwendig ist, um Haushalte in Risikogebieten zu schützen. Ebenso wie die Tatsache, dass präventive Maßnahmen oder verschärfte Bauvorschriften die Schadenshäufigkeit und -höhe beeinflussen können. Dennoch bleiben viele Haushalte aufgrund unzureichender privater Vorsorge anfällig. Damit bei uns keine amerikanischen Verhältnisse eintreten, bedarf es mehr als nur umfassenden Versicherungsschutzes gegen die Naturgefahren. Notwendig sind neue Risikomodelle, Schadenpräventionsberatung, nachhaltige Versicherungskonzepte sowie eine wirksame Klimafolgenanpassung bei Reparatur und Wiederaufbau von zerstörten Sachwerten. Aber auch die Einbindung von Staat, Versicherern und Bürgern ist essenziell, um die Versicherbarkeit von Wohngebäuden langfristig zu sichern.
Vermittler als Bindeglied und Multiplikator
Eine besondere Rolle bei der Anpassung nimmt der Vermittler ein, da dieser als Bindeglied und Multiplikator zwischen Versicherungsnehmern, Versicherungsunternehmen und in der Risikoprävention als Risikomanager fungiert. Versicherungsvermittler sind essenziell für eine nachhaltige Versicherbarkeit von Wohngebäuden, da sie sowohl präventiv als auch im Schadensfall eine beratende und unterstützende Funktion übernehmen. Sie tragen dazu bei, Risiken besser zu managen, den Versicherungsschutz zu optimieren und das Bewusstsein für den Umgang mit klimabedingten Gefahren zu schärfen. Versicherungsvermittler können Hausbesitzern konkrete Tipps zur Risikominderung geben, zum Beispiel zur Installation von Rückstauklappen, Feuerschutzmaßnahmen oder zur Vornahme baulicher Anpassungen.
Klimabedingte Schäden steigen – Versicherbarkeit wird schwieriger
Die geografische Lage Deutschlands im Herzen Europas war in der Vergangenheit glücklicherweise nur selten von Wetterextremen geprägt. Dies wird sich durch den Klimawandel ändern – die Daten von Versicherern, Klimaforschern und Meteorologen sprechen eine eindeutige Sprache. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schätzt die klimabedingten Schäden in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf 280 bis 900 Milliarden Euro. Je höher der Temperaturanstieg, desto stärker steigen auch die klimabedingten Schäden. Bei einem starken Klimawandelverlauf könnten allein die Schäden an der Infrastruktur auf bis zu 470 Milliarden Euro steigen. Die Versicherbarkeit in einigen Lagen wird aufgrund des Klimawandels und des damit verbundenen Schadenpotenzial durch Extremwetterereignisse zunehmend schwieriger. Und angesichts der jüngsten Entwicklungen ist damit zu rechnen, dass die Prämien für Wohngebäudeversicherungen auch bei uns weiter steigen. Auch dürfte die Versicherungswirtschaft nicht in der Lage sein, Elementarschäden gänzlich ohne Hilfe des Staates zu einem akzeptablen Preis langfristig zu versichern.
Nico Streker
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