Die Risikoeinstufung des offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ war zu niedrig angesetzt, entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für den Markt haben. Verbraucherschützer sehen darin einen wichtigen Schritt zu mehr Transparenz, während Fondsanbieter möglicherweise mit Schadensersatzforderungen konfrontiert werden.
Am 21. Februar 2025 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth entschieden (Az.: 4 HK O 5879/24; noch nicht rechtskräftig) , dass die ZBI Fondsmanagement GmbH die Risikoeinstufung ihres offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ falsch vorgenommen hat. Damit bestätigte das Gericht ein bereits im November 2024 ergangenes Versäumnisurteil. Hintergrund ist eine Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die eine fehlerhafte Darstellung der Risiken des Fonds bemängelte.
Der Fondsanbieter hatte für „UniImmo: Wohnen ZBI“ einen Risikoindikator von 3 ausgewiesen – laut Gericht hätte es Risikoklasse 6 sein müssen. Maßgeblich für diese Einstufung ist die europäische PRIIP-Verordnung (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products), die standardisierte Basisinformationen für Anleger vorgibt. Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/653 schreibt vor, dass bei fehlender monatlicher Preisbewertung ein Risikoindikator von 6 anzusetzen ist. Das Landgericht stellte fest, dass bei offenen Immobilienfonds die Immobilienwerte nur alle drei Monate bewertet werden – eine bloße Berechnung eines Rückgabepreises reiche nicht aus.
Weitreichende Folgen für den Markt
Laut TILP-Anwalt Christian Palme bestätigt das Urteil eine zentrale Problematik vieler offener Immobilienfonds: „Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist der Rechtsauffassung von ZBI entschieden entgegengetreten. Eine Bewertung der Immobilien findet nur quartalsweise statt – eine Risikoeinstufung unter 6 war daher nicht zulässig.“
Das Urteil könnte für viele Fondsanbieter Konsequenzen haben. Zahlreiche offene Immobilienfonds sind derzeit nicht in Risikoklasse 6 eingestuft, sondern in niedrigeren Kategorien wie 1 bis 3. Die Folge: Anleger wurden womöglich nicht ausreichend über das tatsächliche Marktrisiko aufgeklärt. Bereits im Juni 2024 hatte die Union Investment den Anteilspreis des „Uni Immo Wohnen ZBI“ um 17 Prozent gesenkt – binnen eines Tages sank das Fondsvermögen um rund 800 Millionen Euro.
Laut TILP-Anwalt Christian Herrmann könnten sich mit diesem Urteil die Chancen geschädigter Anleger auf Schadensersatz erheblich verbessern. „Nach der PRIIP-Verordnung haften Anbieter für fehlerhafte Basisinformationsblätter. Anleger, die aufgrund einer falschen Risikoeinstufung finanzielle Verluste erlitten haben, könnten Schadensersatzansprüche geltend machen.“ Besonders betroffen seien jene, die die Fonds als sichere Anlage zur privaten Altersvorsorge genutzt haben.
Experten fordern neue Risikobewertung für Immobilienfonds
Auch Verbraucherschützer sehen das Urteil als wichtiges Signal. Timo Halbe, Experte für Geldanlage beim unabhängigen Verbraucherportal Finanztip, betont:
„Das Urteil ist richtungsweisend für Verbraucher. Offene Immobilienfonds wurden lange als sichere Anlage verkauft, dabei tragen sie erhebliche Risiken. Nach dieser Entscheidung sollten die Anbieter dringend ihre Risikoeinstufung überarbeiten, um Anlegern eine realistische Einschätzung zu ermöglichen.“
Finanztip hatte bereits 2023 vor steigenden Risiken bei offenen Immobilienfonds gewarnt. Eine aktuelle Analyse des Portals zeigt, dass der Börsenpreis vieler Immobilienfonds im Schnitt zehn Prozent unter dem offiziellen Rücknahmepreis liegt – bei einzelnen Fonds sogar bis zu 21 Prozent. „Das ist ein eindeutiges Indiz, dass Immobilienfonds weiter unter Abwertungsrisiken leiden“, so Halbe.
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