Der Bundesgerichtshof erklärt einen aktuellen Versuch der Änderung von Rechtschutzversicherungsbedingungen zum Nachteil der Kunden für gescheitert und gibt dem betroffenen Versicherer sogar noch äußerst schmerzhafte Hausaufgaben auf.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil (v. 31.03.2021, Geschäftszeichen IV ZR 221/19) aktuelle Klauseln einer Rechtsschutzversicherung (ARB 2016) für unwirksam erklärt, die für die zeitliche Einordnung eines Rechtsschutzfalles auch auf Tatsachen abstellten, die der Gegner des Versicherungsnehmers vorgetragen hat.
Damit bestätigt er auch für neuere Rechtsschutzbedingungen seine bisherige Rechtsprechung. Zudem verpflichtete er den Versicherer dazu, seine Kunden über diese Unwirksamkeit zu informieren.
Gegenstand der Auseinandersetzung war eine Klausel in den ARB 2016 einer großen deutschen Rechtsschutzversicherung. Diese regelte für die Feststellung des Versicherungsfalls, dass dafür auch solche Tatsachen berücksichtigt werden, die von dem Gegner des Versicherungsnehmers eingewandt werden.
Der BGH hatte hierzu schon in der jüngeren Rechtsprechung mit mehreren Urteilen geklärt, dass es für die Feststellung eines solchen Versicherungsfalles aber ausschließlich auf die Tatsachen ankommt, die der Versicherungsnehmer vorträgt und mit denen der Versicherungsnehmer seinen Anspruch begründet.
Der Versicherungsnehmer wird den Rechtsschutzfall nämlich in dem Verstoß sehen, den er seinem Gegner vorwirft und auf den er seinen Anspruch stützt.
(Beispiel: Erst die Ablehnung einer privaten Berufsunfähigkeitsrente ist aus Sicht des Kunden der Versicherungsfall, also der Beginn des Konfliktes, für den nun Rechtsschutz begehrt wird.
Wenn aber die Berufsunfähigkeitsversicherung behauptet, dass der Kunde bei Abschluss des Versicherungsvertrages Vorerkrankungen verschwiegen hat und es nun auf diesen Zeitpunkt ankäme, wäre damit der Beginn des Konfliktes teilweise um Jahre zurückverlegt. Soweit zurück, dass zu dem Zeitpunkt eventuell auch noch kein Rechtschutz bestand.)
Auf diese für sie negative BGH-Rechtsprechung reagierte der betroffene Rechtsschutzversicherer mit einer Änderung seiner Versicherungsbedingungen. Er führte ein, dass auch Tatsachenbehauptungen des Gegners in dem Rechtsstreit, für den nun gerade Rechtsschutz benötigt wird, zu berücksichtigen sind. Genau diesen Zusatz hält der BGH konsequenter Weise nun ebenfalls für unwirksam.
Der BGH hält es auch bei dieser Klausel für unangemessen benachteiligend, wenn Behauptungen des Gegners schon bei der Prüfung eines Rechtsschutzfalles Einfluss auf die Leistungspflicht nehmen können. Die Gefahr wäre groß, dass die Leistungsverpflichtung des Rechtsschutzversicherers an falschen Behauptungen des Gegners des Kunden scheitert. Dies sei mit dem Vertragszweck einer Rechtsschutzversicherung, den Versicherungsnehmer bei der Interessenwahrnehmung zu unterstützen, nicht vereinbar - so der BGH.
Informationspflicht über unwirksame Klauseln
Hervorzuheben ist bei diesem Urteil, dass der BGH den Versicherer sogar dazu verpflichtet, seine Kunden über die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel zu informieren. Die Verwendung einer unwirksamen Klausel sei ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG.
Daher bestünde eine Pflicht zur Beseitigung dieser unzulässigen Handlung, die dadurch erreicht werden kann, dass der Versicherer seine Kunden entsprechend informiert.
„Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, da Sie zu aktuellen Bedingungen in der Rechtsschutzversicherung Klarheit schafft“
so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.
„Bemerkenswert ist dabei aber insbesondere, dass die Pflicht besteht, die Kunden darüber zu informieren. Diese – eher unangenehme - Pflicht könnte zukünftig Unternehmen jeglicher Colour treffen, die Kenntnis davon erhalten, dass einzelne Klauseln ihrer Bedingungen zum Nachteil der Kunden unwirksam sind.“
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