„Unsere KI ersetzt keine Vermittler – sie verschafft ihnen Zeit für das, was wirklich zählt“
Künstliche Intelligenz als Entlastung im Vermittleralltag: Mit einem maßgeschneiderten KI-System will muffintech die Versicherungsbranche neu denken. CEO und Gründer Simon Moser berichtet über seinen Weg vom Makler zum Tech-Unternehmer – und wie smarte Prozesse echten Unterschied machen können. Der Text erschien zuerst im expertenReport 10/25.
Herr Moser, wie ist muffintech eigentlich entstanden?
Wir sind vor rund vier Jahren als Makler gestartet – unter der Marke „Muffin“, einer typischen Gen-Z-Brand. Unsere Beratung lief ausschließlich über WhatsApp. Wenn jemand telefonieren wollte, haben wir gesagt: „Nein, schreiben bitte.“ Dabei haben wir alles verkauft – von der Haftpflicht bis zur PKV und BU. Um diese Prozesse zu automatisieren, haben wir eigene KI-Tools entwickelt – kleine Helfer für unsere Vermittler, etwa zum Vorschreiben von WhatsApp-Nachrichten, zum Tarifvergleich oder zur Informationssuche.
Parallel haben wir erste Module für Endkundengespräche gebaut, die bestimmte Teile der Konversation automatisch übernehmen konnten. Als dann der ChatGPT-Hype begann, waren wir bereits einen Schritt weiter – und Versicherer, Vermittler und Pools haben uns gefragt, ob wir unsere Lösung nicht als White Label weiterentwickeln wollen.
An diesem Punkt mussten wir uns entscheiden: Wollen wir weiterhin vermitteln oder ein Tech-Unternehmen werden? Wir haben uns für die Technologie entschieden. Auch wegen der Haftung – denn unser größter Wert lag nicht in der Technologie, sondern im Bestand.
Und was ist konkret das Produkt, das Sie heute verkaufen oder entwickeln?
Unser Hauptprodukt für Vermittler heißt muffinGPT – eine Art spezialisiertes ChatGPT für die Versicherungsbranche. Es ist trainiert auf unser eigenes Versicherungswissen und wird laufend durch standardisierte Workflows erweitert. Vermittler können damit Aufgaben wie Kundenanfragen beantworten, Tarifvergleiche durchführen oder Nutzenargumentationen erstellen – also genau die Tätigkeiten, die im Alltag viel Zeit kosten.
Für größere Unternehmen – etwa Pools, Vertriebe oder Versicherer – bieten wir darüber hinaus eine Enterprise-Lösung an. Wir nennen es ein „AI Operating System“ – muffinOS. Es besteht aus über 80 spezialisierten KI-Modulen, die untereinander Aufgaben lösen. Hier starten wir meist mit einem Workshop, um individuelle Prozesse zu analysieren und gezielt zu automatisieren. Das Ergebnis ist dann eine maßgeschneiderte Anwendung auf Basis unseres muffinOS – inklusive Integration in bestehende Systeme.
Technisch basiert muffinGPT auch auf unserem muffinOS. Darüber liegt ein eigenes Versicherungsdatenmodell, das die KI befähigt, im „Versicherungsdeutsch“ zu arbeiten, und dafür sorgt, dass sich die KI kein falsches Halbwissen aus dem Netz zieht.
Wie unterscheiden sich Ihre KI-Anwendungen von anderen Lösungen am Markt?
Wir sind – soweit ich weiß – das einzige Unternehmen, das sich ausschließlich auf die Versicherungsbranche spezialisiert hat. Viele Lösungen da draußen sind generalistisch gedacht: Sie funktionieren vielleicht für E-Commerce, Kundenservice oder generelle Texterstellung – aber in der Versicherungswelt stoßen sie schnell an Grenzen. Unsere Stärke liegt genau in dieser Spezialisierung:
Unser muffinOS ist nicht nur technisch modular aufgebaut, sondern auch inhaltlich tief in der Versicherungslogik verankert. Unsere KI spricht und versteht „Versicherungsdeutsch“, sie kennt die typischen Abläufe und Anforderungen – und sie ist auf reale Anwendungsfälle in Vertrieb, Service und Kommunikation trainiert.
Das macht unsere Lösung nicht nur praxisnäher, sondern auch verlässlicher – weil sie genau auf die Branche und ihre regulatorischen Rahmenbedingungen zugeschnitten ist.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Lösung datenschutzkonform ist – gerade im Umgang mit sensiblen Kundendaten?
Datenschutz hat für uns oberste Priorität. Unsere Systeme sind ISO 27001-zertifiziert und alle eingesetzten Sprachmodelle laufen auf geschlossenen Servern – es gibt also keinen Abfluss von Daten in Drittländer oder in offene, nicht kontrollierbare KI-Systeme.
Wir arbeiten außerdem proaktiv nach den neuesten regulatorischen Anforderungen – etwa im Hinblick auf die kommende DORA-Verordnung oder die EU-KI-Verordnung. Unser Anspruch ist, die nötigen Vorkehrungen schon zu treffen, bevor sie gesetzlich verpflichtend werden.
Natürlich ist generative KI per Definition nicht deterministisch, also nie zu 100 prozent fehlerfrei – aber auch Menschen machen Fehler. Wir setzen daher auf eine multimodulare Architektur, in der mehrere KI- Module sich gegenseitig kontrollieren, validieren und herausfordern. Das sorgt für ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit – und für eine robuste Antwortlogik auf Fachniveau.
Wie ist das Feedback zu Ihrer Lösung aus dem Markt?
Sehr positiv. Wir haben eine aktive Nutzerschaft – darunter auch bekannte Vermittler wie Bastian Kunkel, Patrick Hamacher oder Hava Misimi. Sie selbst oder ihre Teams setzen muffinGPT täglich ein, und genau dieses Feedback fließt direkt in unsere Weitrentwicklung ein.
Zur DKM bringen wir eine erweiterte Version auf den Markt – mit neuen Funktionen, etwa für den automatisierten Vergleich von Tarifbedingungen. Die KI kann dann nicht nur verschiedene Tarife gegenüberstellen, sondern auf Wunsch auch direkt einen Text formulieren, der dem Kunden erklärt, warum Option A besser zu ihm passt als Option B. Solche praxisnahen Workflows sind uns besonders wichtig, weil sie Vermittlern echten Mehrwert bringen.
Wie verändert KI die Rolle des Vermittlers – besonders, wenn er Tools wie muffinGPT nutzt?
Ich glaube nicht, dass KI den Vermittler ersetzt. Aber ich bin überzeugt: Der Vermittler, der KI nutzt, wird den verdrängen, der es nicht tut. Vermittler stehen heute unter enormem Zeitdruck – und das wird sich verschärfen. Der Altersdurchschnitt liegt bei über 50, gleichzeitig scheiden viele aus dem Markt aus. Damit wächst der Druck auf die verbleiben- den Vermittler, mehr Kunden zu betreuen – ohne dass sie mehr Zeit zur Verfügung haben.
Genau hier hilft KI: Sie übernimmt zeitraubende Routineaufgaben – wie Tarifvergleiche, Bedingungsanalysen oder die Beantwortung von Standardanfragen – und verschafft so mehr Raum für das, was ein Vermittler eigentlich leisten soll: persönliche Beratung, Beziehungsarbeit, Cross- und Upselling.
Gerade bei komplexen Produkten wie der BU oder PKV wollen Kunden am Ende doch mit einem Menschen sprechen. Aber der Vermittler muss dafür erst mal die Zeit haben. Und genau das schafft KI.
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