Soli bleibt – Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde ab

Der Solidaritätszuschlag darf weiter erhoben werden, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Eine Klage gegen den sogenannten "Soli" wurde abgewiesen. Zwar sei die Abgabe rechtlich zulässig – doch nur, solange ein konkreter Mehrbedarf des Bundes besteht. Was die Richter vom Gesetzgeber fordern und warum das Thema politisch brisant bleibt.

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© Bundesverfassungsgericht

Der Solidaritätszuschlag bleibt rechtens – zumindest vorerst. Mit seinem am 26. März 2025 verkündeten Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in seiner aktuellen Fassung zurückgewiesen. Damit scheiterten sechs FDP-Bundestagsabgeordnete mit ihrer Klage gegen die Weitererhebung der Ergänzungsabgabe, die ursprünglich zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt worden war.

Ergänzungsabgabe mit Zweckbindung – aber ohne Frist

Das Gericht stellt klar: Der Solidaritätszuschlag ist als Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG grundsätzlich zulässig, solange er zur Deckung eines konkreten, aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes erhoben wird – im vorliegenden Fall der fortbestehenden Belastungen durch die Wiedervereinigung. Eine zeitliche Begrenzung sei verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgesehen. Allerdings bestehe für den Gesetzgeber eine sogenannte „Beobachtungsobliegenheit“: Er muss regelmäßig prüfen, ob der mit der Abgabe verknüpfte Mehrbedarf noch gegeben ist. Ein offensichtlicher Wegfall dieser Voraussetzung würde eine Aufhebung oder Anpassung des Solidaritätszuschlags gebieten.

Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung

Die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 – seither trifft er fast ausschließlich Besserverdienende und Kapitalgesellschaften – verletze laut Bundesverfassungsgericht weder den allgemeinen Gleichheitssatz noch die Eigentumsgarantie. Die soziale Staffelung sowie die Freigrenzenregelung seien im Rahmen der verfassungsrechtlichen Spielräume zulässig. Eine übermäßige Steuerbelastung liege nicht vor. Auch das Auseinanderfallen der Anwendung auf Einkommensteuerpflichtige und Körperschaftsteuersubjekte sei sachlich begründet.

Bestätigung mit angezogener Handbremse

Das Gericht hat dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt – gleichzeitig aber klar gemacht, dass der Charakter der Ergänzungsabgabe an Voraussetzungen gebunden ist. Auch wenn das Gericht derzeit keinen „evidenten Wegfall“ des Mehrbedarfs erkennt, bleibt die Botschaft unmissverständlich: Die Abgabe darf nicht zur dauerhaften Parallelsteuer ohne Zweckbindung mutieren.

Dass sich das Bundesverfassungsgericht nicht auf ein konkretes Auslaufdatum festlegt, ist verfassungsdogmatisch nachvollziehbar, politisch jedoch heikel. Denn der Soli ist seit Jahren ein Symbolstreit: für viele ein Überbleibsel vergangener Lastenteilung, für andere ein legitimes Instrument progressiver Finanzierung. Die Kritik, der Zuschlag sei längst zum regulären Steuerbestandteil geworden, dürfte durch das Urteil nicht verstummen – zumal die Einnahmen weiterhin substanzielle Haushaltsmittel generieren.

Sondervotum betont demokratische Steuerhoheit

Richterin Wallrabenstein äußerte sich in einem Sondervotum kritisch zur Begründung des Senats. Die Bindung der Ergänzungsabgabe an eine beweisbare Aufgabenlast gefährde die verfassungsrechtliche Flexibilität und verenge den demokratischen Gestaltungsspielraum des Bundestags. Die fiskalische Steuerung dürfe nicht in die Bewertungshoheit des Gerichts überführt werden. Ihre Kritik unterstreicht die sensible Balance zwischen Finanzverfassung, Steuerpolitik und richterlicher Kontrolle.

Rechtlich zulässig, politisch umkämpft

Der Solidaritätszuschlag darf vorerst weiter erhoben werden – das hat das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich festgestellt. Doch das Urteil enthält auch klare Bedingungen: Eine unbegrenzte Fortführung ohne nachweisbaren Mehrbedarf wäre verfassungswidrig. Der Gesetzgeber ist gefordert, die Zweckbindung nicht nur formell, sondern auch materiell ernst zu nehmen. In der politischen Debatte dürfte der Druck zur vollständigen Abschaffung daher nicht nachlassen.

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