Die Koalitionsarbeitsgruppe „Haushalt, Finanzen und Steuern“ konnte in ihren jüngsten Verhandlungen keine Einigung erzielen. Weder bei der Einkommensteuer noch bei Haushaltskürzungen wurden Fortschritte erzielt – die Gespräche stecken fest.

Einkommensteuer: Unvereinbare Modelle
Bereits bei der Einkommensteuer zeigten sich die unüberbrückbaren Differenzen. Während die Union eine Entlastung durch Streckung des Tarifverlaufs und niedrigere Sätze forderte, pochte die SPD auf eine stärkere Belastung hoher Einkommen. Sie verlangte eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes sowie der Reichensteuer – mit dem Ziel, die Reform „mindestens aufkommensneutral“ zu gestalten. Eine Formel, die auch Mehreinnahmen offenlässt. Damit war eine Einigung faktisch ausgeschlossen.
Gewerbesteuer und Kommunalfinanzen: Minimalkompromisse
In der Frage der Gewerbesteuer einigten sich beide Seiten lediglich auf den gemeinsamen Willen, Scheinsitzverlagerungen in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen zu unterbinden. Konkrete Maßnahmen blieben jedoch aus. Auch bei der finanziellen Lage hochverschuldeter Kommunen konnte kein Kompromiss erzielt werden. Die von Teilen der SPD favorisierte Entschuldung fand keine Zustimmung der Union – das Thema bleibt vorerst ungelöst.
Solidaritätszuschlag: Karlsruhe entscheidet
Der Solidaritätszuschlag wurde bewusst ausgeklammert – das Bundesverfassungsgericht wird am 26. März 2025 über dessen Zukunft entscheiden. Die Karlsruher Richter müssen klären, ob der Soli nach Wegfall des Solidarpakts II überhaupt noch verfassungsgemäß ist. Eine Abschaffung würde ein strukturelles Einnahmenloch von bis zu 13 Milliarden Euro jährlich bedeuten.
Haushalt: Keine Einsparungen, neue Ausgaben
Im Zentrum des Streits steht jedoch der Umgang mit dem Haushalt. Während die Union unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz für einen klaren Sparkurs warb, wies die SPD Kürzungen bei Sozialleistungen und im Asylbereich kategorisch zurück. Stattdessen brachte sie ein haushaltstechnisches Manöver ins Spiel: die Umwandlung bestehender Darlehen an staatliche Gesellschaften – etwa die Bahn – in nicht rückzahlbare Zuschüsse. Das würde den Verschuldungsspielraum faktisch ausweiten, ohne neue Kredite aufzunehmen.
Die Union reagierte „fassungslos“, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Merz unterstrich öffentlich die Notwendigkeit zur Konsolidierung: „Wir werden die Sozialausgaben genau unter die Lupe nehmen.“ Seine Forderung nach Einsparungen blieb jedoch folgenlos – ebenso wie seine Warnung vor den langfristigen Folgen einer solchen Schuldenpolitik.
Bei einer Veranstaltung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) äußerte Merz mit Blick auf die politische Verantwortung im Falle eines Scheiterns:
„Wenn es uns nicht gelingt, ist meine Karriere eh beendet – zu einem Zeitpunkt, zu dem ich damit umgehen kann.“
Grimm: „Was glauben die Betroffenen eigentlich?“
Ökonomin Veronica Grimm zeigte sich insbesondere über die fehlende Bereitschaft zur Priorisierung empört. In einem Kommentar auf X schrieb sie:
„Was glauben die Betroffenen eigentlich, mit wessen Geld sie hier hantieren? Das macht einigermaßen fassungslos, wenn man Kinder hat.“
Ihre Worte unterstreichen die wachsende Sorge, dass finanzpolitische Verantwortung zunehmend einer kurzfristigen Ausgabenlogik geopfert wird. Zwischen Investitionsbedarf und Generationengerechtigkeit fehlt es aus Sicht vieler Beobachter an klarer politischer Linie.
Ausblick: Entscheidung bei den Spitzen
Die Verantwortung liegt nun bei den Parteispitzen. Sie müssen klären, ob ein tragfähiger Kompromiss in der Steuer- und Haushaltspolitik möglich ist – oder ob das finanzpolitische Fundament für eine Koalition bereits vor dem Start bröckelt.
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