Hallo, ist da noch jemand außer Klingbeil? Die SPD im Wahlkampf mit viel Programm, wenig Gesichter – und ein unsichtbarer Scholz
Die SPD ist offiziell in den Bundestagswahlkampf 2025 gestartet, doch schon jetzt zeigt sich, wie holprig der Weg bis zum Wahltag am 23. Februar sein könnte. Der Auftakt im Willy-Brandt-Haus offenbarte mehr Schwächen als Stärken, mehr Symbolik als Substanz. Mit dem Slogan „Mehr für Dich. Besser für Deutschland“ verspricht die SPD ambitionierte Ziele. Doch während Parteichef Lars Klingbeil die Rolle des Lautsprechers übernimmt, scheint Kanzler Olaf Scholz als Spitzenkandidat nahezu abgetaucht zu sein.
Ein Kanzler, der sich kaum zeigt
Olaf Scholz ist Bundeskanzler – und trotzdem scheint er im eigenen Wahlkampf nur eine Nebenrolle zu spielen. Die Bühne gehört Lars Klingbeil, der als Parteichef für Programme, Kampagnen und die Angriffe auf den politischen Gegner zuständig ist. Scholz hingegen bleibt zurückhaltend, fast unsichtbar.
Die Umfragen zeichnen ein düsteres Bild: Die SPD liegt 12 bis 20 Prozentpunkte hinter der Union, und es gibt wenig Anzeichen, dass Scholz dieser Entwicklung etwas entgegensetzen könnte. Am 11. Januar soll er offiziell als Kanzlerkandidat bestätigt werden, doch die entscheidende Frage bleibt: Kann Scholz überhaupt noch aus dem Schatten Klingbeils heraustreten und selbst Akzente setzen?
Ein Wahlkampf ohne Team
Auch jenseits von Scholz fällt auf, dass der Wahlkampf der SPD stark auf Einzelfiguren reduziert ist. Wo sind die prägenden Stimmen aus der Regierung und der Fraktion? Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil oder Familienministerin Lisa Paus könnten entscheidende Impulse setzen – doch bislang bleibt der Wahlkampf eine One-Man-Show, mit Klingbeil im Zentrum.
Zwar präsentierte die SPD ein umfassendes Wahlprogramm mit 24 Themen, darunter Wirtschaftswachstum, sichere Arbeitsplätze, Rentenstabilität und Familienentlastung. Doch die Inhalte wirken ohne Gesichter blass. Die Partei verspricht den „digitalsten Wahlkampf aller Zeiten“, mit einem QR-Code auf Plakaten, dem sogenannten „Programm-Cube“, der Wählerinnen und Wählern detaillierte Informationen liefern soll. Doch diese technische Spielerei wird kaum ausreichen, um ein Vertrauensdefizit zu überwinden, das längst tief in der Wählerschaft verankert ist.
Streit mit der Union: Scholz in der Defensive
Schon zum Auftakt des Wahlkampfs geriet Scholz in die Defensive. CDU-Abgeordneter Roderich Kiesewetter verbreitete das Gerücht, Scholz plane eine „Wahlkampfüberraschung“ in Form einer Reise nach Moskau zu einem Treffen mit Wladimir Putin. Scholz nannte die Behauptung „zutiefst unanständig“ und „eine Falschbehauptung“, doch die Episode zeigt, wie angreifbar der Kanzler ist.
Während Klingbeil und Generalsekretär Matthias Miersch von der Union eine Entschuldigung forderten und sich auf ein zwischen den Parteien geschlossenes Fairnessabkommen beriefen, bleibt der Eindruck, dass die SPD ihren eigenen Kandidaten nicht stark genug abschirmt. Die Angriffe der Union dürften in den kommenden Wochen intensiver werden – und ob Scholz darauf eine Strategie hat, bleibt offen.
Merz im Fokus: Ablenkung von eigenen Schwächen?
Ein genauer Blick auf die bisherige Wahlkampfrhetorik der SPD zeigt, dass Friedrich Merz im Zentrum der Angriffe steht. Der CDU-Spitzenkandidat wird als unerfahren und unzuverlässig dargestellt, und regelmäßig betont Klingbeil, dass Merz keine Regierungserfahrung habe. Doch dieser Fokus auf den politischen Gegner könnte auch eine Taktik sein, um von eigenen Schwächen abzulenken.
Die SPD riskiert, den Wahlkampf auf Merz auszurichten, statt ihre eigenen Stärken klar herauszuarbeiten. Ein solches Vorgehen birgt Gefahren: Sollte Merz in den kommenden Wochen souverän auftreten, könnte diese Strategie schnell ins Leere laufen.
CDU und CSU: Geschlossenheit mit Konfliktpotenzial
Die Union hingegen geht gestärkt in den Wahlkampf. Friedrich Merz kann sich aktuell auf solide Umfragewerte stützen, doch auch innerhalb der Union gibt es Konfliktlinien. CSU-Chef Markus Söder setzt eigene Schwerpunkte, etwa in der Rentenpolitik, die nicht alle in der CDU teilen.
Am Mittwoch wird Merz bei der CSU-Landesgruppe erwartet, bevor die CDU-Führung ab Freitag in Hamburg tagt. Mit einem Parteitag am 3. Februar, auf dem ein Sofortprogramm vorgestellt werden soll, will die Union ihre Position weiter festigen. Doch auch sie wird sich der Frage stellen müssen, wie sie ihre ambitionierten Wahlversprechen finanzieren will.
Die SPD: Rückstand und Ratlosigkeit
Der Wahlkampfauftakt der SPD zeigt vor allem, wie schwer sich die Partei tut, Momentum zu erzeugen. Während die Union geschlossener auftritt und mit Merz einen Kanzlerkandidaten hat, der die Parteibasis mobilisiert, bleibt die SPD in der Selbstfindung stecken. Olaf Scholz hat bislang nicht bewiesen, dass er die eigene Partei hinter sich vereinen kann, und Lars Klingbeil scheint sich im Zentrum der Aufmerksamkeit wohler zu fühlen als der Kanzler selbst.
Die Frage bleibt: Kann die SPD den Wahlkampf noch drehen, oder bleibt der Rückstand zur Union uneinholbar? Die kommenden Wochen werden nicht nur über die politische Zukunft von Olaf Scholz entscheiden, sondern auch über die Rolle der Sozialdemokratie in Deutschland – als regierende Kraft oder als geschwächte Opposition.
Denn eines ist sicher: Wenn die SPD ihren Wahlkampf nicht breiter aufstellt und sichtbarer macht, wird sie den Eindruck der Unsichtbarkeit nicht los. Und am Ende bleibt nur die Frage: Ist da noch jemand außer Klingbeil?