Eine drastische Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung könnte den Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich belasten. Laut einer aktuellen Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) drohen Zusatzkosten von fast 22 Milliarden Euro, die besonders qualifizierte Arbeitsplätze treffen. Unternehmen aller Größen müssten mit spürbaren Mehrbelastungen rechnen.
Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung steht vor wachsenden finanziellen Herausforderungen. Vorschläge, wie eine drastische Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 62.100 Euro auf 90.600 Euro, stoßen daher auf politisches Interesse. Doch laut einer Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) hätte ein solcher Schritt gravierende Folgen für Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte.
„Strafsteuer für qualifizierte Arbeitsplätze“
Die vbw-Studie berechnet, dass die geplante Anhebung Zusatzkosten von 21,9 Milliarden Euro verursachen würde. Für Arbeitgeber bedeutete das fast 11 Milliarden Euro an zusätzlichen Lohnnebenkosten. Besonders betroffen wären Branchen mit hochqualifizierten Fachkräften, wie die Energieversorgung, das verarbeitende Gewerbe oder technische Dienstleistungen. Konkret könnte die Mehrbelastung pro Mitarbeiter bis zu 2.807 Euro jährlich betragen – ein Anstieg von bis zu 45,9 Prozent.
Die Studie warnt, dass eine solche Regelung einer „Strafsteuer für qualifizierte Arbeitsplätze“ gleichkomme. „Steigende Lohnnebenkosten wirken sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Wirtschaftsstandort aus“, heißt es in der Untersuchung.
Belastung für Unternehmen jeder Größe
Neben individuellen Arbeitnehmern wären auch ganze Betriebe betroffen. Ein mittelständisches Unternehmen der Papierindustrie mit 430 Beschäftigten müsste etwa 226.000 Euro jährlich zusätzlich aufbringen – ein Anstieg der Lohnzusatzkosten um 9,2 Prozent. Für größere Unternehmen, wie einen „hidden champion“ aus der Metall- und Elektroindustrie mit fast 9.000 Beschäftigten, wären die Belastungen noch gravierender: Dort würden die Zusatzkosten jährlich um 14,45 Millionen Euro steigen, ein Plus von 25,8 Prozent.
Privatversicherte als Stabilitätsfaktor
Zusätzliche Belastungen drohen auch durch die parallele Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, die den Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) erschwert. Derzeit profitieren Unternehmen davon, dass privatversicherte Arbeitnehmer geringere Arbeitgeberzuschüsse erfordern als freiwillig gesetzlich Versicherte. Laut vbw-Studie stabilisieren diese Privatversicherten die Lohnzusatzkosten und entlasten Arbeitgeber um 1,51 Milliarden Euro jährlich. Eine „Bürgerversicherung für Arbeitnehmer“, wie sie durch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze faktisch entstünde, würde diesen Effekt zunichtemachen und die Wirtschaft weiter belasten.
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