Kontaktverbot im Rahmen einer Kündigungshilfe von Versicherungsverträgen durch Vermittler unzulässig

Das OLG Oldenburg urteilte am 28. Mai 2019 (Az.: 06 U 27/18) gegen ein Vermittlungsunternehmen, welches über freie Versicherungsmakler auch Versicherungen vermittelt. Dieses Unternehmen wurde zur Unterlassung sowie Übernahme von Abmahnkosten verurteilt, denn im Rahmen einer sogenannte „Kündigungshilfe“ für Versicherte beim Wechsel von Versicherungen initiierte es systematisch ein umfassendes und generelles Kontaktverbot gegenüber Versicherungsunternehmen.

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Was war im konkreten Fall geschehen?

Bjoern-Thorben-M.-Joehnke-2019-Joehnke-und-Reichow[1]Bjoern-Thorben-M.-Joehnke-2019-Joehnke-und-Reichow[1] Björn Thorben M. Jöhnke, Rechtsanwalt, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Vorliegend hatte der Vermittler nach Beendigung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Versicherungsunternehmen Kunden systematisch und flächendeckend vorformulierte Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt. Die Versicherten sollten damit ihre Versicherungsverträge kündigen. In diesem Kündigungsschreiben war jedoch auch noch eine Erklärung für die Kunden vorformuliert, dass von einer weiteren Kontaktaufnahme durch das Versicherungsunternehmen abzusehen sei. Indes wurden etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails beziehungsweise Vertreterbesuche widerrufen und der bisherigen Versicherung untersagt, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten mitzuteilen mit Ausnahme des Vermittlers, der das Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt hat.

Was entschied das OLG Oldenburg

Das OLG Oldenburg sah zwar in der sogenannten „Kündigungshilfe“ durch den Vermittler keine rechtliche Unzulässigkeit, denn eine Hilfestellung bei der ordnungsgemäßen Auflösung von Versicherungsverträgen sei grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig.

Nach Ansicht des OLG sei es jedoch unzulässig, die wettbewerbliche Entfaltung von Mitbewerbern durch ein derart gestaltetes Kontaktverbot zu beeinträchtigen. Denn dadurch sei das Ziel nicht die Förderung des eigenen Wettbewerbs. Vielmehr sei die gezielte Behinderung des Konkurrenten (§ 4 Nr. 4 UWG) das Primärziel.

Diese Mitbewerberbehinderung führe dazu, dass der von der Kündigung betroffene Versicherer und dessen Versicherungsvermittler deren Leistungen durch eigene Anstrengung nicht mehr angemessen anbieten können. Auch führe das so dann erteilte Kontaktverbot dazu, dass das Versicherungsunternehmen mit seinen Vertragspartnern – den Versicherten – nicht mehr in Kontakt treten könne, auch wenn es um die Abwicklung des noch bestehenden Versicherungsvertrages gehe. Dieses sei rechtlich unzulässig. Die Zurverfügungstellung derartiger Schreiben mit Kontaktverbot stelle also eine gezielte Behinderung des Mitbewerbers dar, zumal kein Grund ersichtlich sei, warum der Kunde von der jeweiligen Versicherung isoliert werden müsse, so das OLG.

Hinweis für die Praxis

In der Praxis bieten Versicherungsvermittler den Kunden häufig eine Kündigungshilfe an. Um den Kunden und den Bestand zu schützen, werden so dann auch sogenannte „Kontaktverbote“ gegenüber Versicherungen ausgesprochen, damit diese den Kunden nicht zurückgewinnen sollen. Das Urteil des OLG zeigt jedoch, dass dieses Vorgehen – in der vorgenannten Art und Weise – zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, denn Versicherungen müssen nun mal mit ihren Kunden in Kontakt treten dürfen, gerade auch in Bezug auf die Vertragsabwicklung.

Vor diesem Hintergrund sollten Vermittler mit der gebotenen Vorsicht ihre Kunden beim Umdecken von Versicherungsverträgen unterstützen. Dabei sollte stets im Einzelfall juristisch geprüft werden, ob ein Kontaktverbot zu einem Wettbewerbsverstoß führen kann.

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

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