Check24-Urteil des EuGH spaltet die Branche – Vermittlerverbände mit gegensätzlicher Bewertung
Das EuGH-Urteil zur vergleichenden Werbung auf Check24 polarisiert: Während der BVK von einem Rückschritt für den Verbraucherschutz spricht, begrüßt der AfW die Entscheidung als Stärkung der Maklerschaft. Zwei Lesarten, ein Urteil – und offene Fragen für den Vertrieb.
Mit seinem Urteil vom 30. April 2025 (Az. C‑697/23) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Check24 als Versicherungsmakler keine unlautere vergleichende Werbung betreibe, wenn es Versicherungsprodukte mit Schulnoten bewertet. Zwar sei Check24 auch Vertriebspartner, jedoch kein „Mitbewerber“ im Sinne der Richtlinie über vergleichende Werbung, da Versicherer und Makler auf unterschiedlichen Märkten agierten. Das letzte Wort bleibt dennoch beim Landgericht München I, wo der Rechtsstreit zwischen der HUK-Coburg und Check24 seinen Ursprung nahm.
Die Reaktionen aus der Branche könnten unterschiedlicher kaum sein. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) kritisiert das Urteil scharf und warnt vor den Folgen für den Verbraucherschutz:
„Das Urteil des EuGH ignoriert die Realität des Versicherungsvertriebs im digitalen Zeitalter“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Es sei nicht sachgerecht, wenn komplexe Versicherungsprodukte „auf einfache Schulnoten reduziert“ würden – insbesondere, wenn dies im wirtschaftlichen Interesse eines Vertriebspartners wie Check24 geschehe. Heinz fordert: „Alle Marktteilnehmer – ob online oder offline – müssen denselben hohen Standards in der Kundenberatung unterliegen.“
Anders der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung: Für ihn ist das Urteil ein juristischer Meilenstein. „Das Urteil verdeutlicht, dass die unabhängige Vermittlung von Versicherungsprodukten rechtlich klar von der Risikoträgerschaft und Produktgestaltung der Versicherer abzugrenzen ist“, betont Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. Die Entscheidung unterstreiche die Eigenständigkeit der Maklerschaft und verhindere eine regulatorische Gleichstellung mit den Produktgebern. Zwar erkennt auch der AfW an, dass vereinfachte Darstellungen wie Tarifnoten kritisch betrachtet werden müssen – doch diese Diskussion dürfe laut Wirth „nicht dazu führen, dass Vermittlerunternehmen regulatorisch mit Versicherern gleichgestellt werden“.
Ob das Landgericht München I dieser Argumentationslinie folgt oder neue Maßstäbe für die Praxis von Vergleichsportalen setzt, bleibt abzuwarten. Klar ist aber: Die Bewertung von Versicherungsprodukten bleibt auch künftig ein umstrittenes Terrain – zwischen Aufklärung, Vereinfachung und Wettbewerbsinteresse.
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