Der World Property and Casualty Insurance Report von Capgemini und Efma zeigt, dass der Klimawandel die Versicherungsbranche belastet. Versicherer, die sich auf den Aufbau klimaresistenter Geschäftsmodelle konzentrieren, werden besser in der Lage sein, das Vertrauen ihrer Kunden zu vertiefen und zugleich ihre Bedeutung und Profitabilität zu steigern.
Diese erste Ausgabe der neuen Studienreihe untersucht unter dem Titel "Walking the Talk: How insurers can lead climate change resiliency" die Auswirkungen eines der drängendsten Probleme unserer Zeit auf die Versicherungsbranche.
Eine zunehmende Anzahl von Wetterereignissen wirkt sich negativ auf die Versicherungsbranche aus. Damit steigt auch die Erwartung an die Versicherer, künftige Schäden sowohl abzusichern als auch präventiv entgegenzuwirken. Die Studienautoren halten folgende Eckpunkte fest:
- Die durch den Klimawandel verursachten wirtschaftlichen Schäden sind in den letzten drei Jahrzehnten weltweit um 250 Prozent gestiegen. 1
- 73 Prozent der Versicherungsnehmer weltweit sowie 75 Prozent in Deutschland zählen den Klimawandel zu ihren drei größten Sorgen.
- Versicherer weltweit teilen die Einschätzung ihrer Kunden; für rund 40 Prozent haben Herausforderungen durch den Klimawandel höchste Priorität – mit Versicherbarkeit und Profitabilität als den größten klimabezogenen Herausforderungen. Auch deutsche Versicherer sorgen sich um die Versicherbarkeit, gefolgt von Regularik-Aufwänden. Zu den drei größten Risiken dagegen zählen für sie bislang nicht Klimarisiken, sondern geopolitische und operative Risiken sowie der Fachkräftemangel.
Durch die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels stehen Versicherer auch in Deutschland in der Verantwortung, eine größere Rolle bei der Risikominderung zu spielen, so Gunnar Tacke, Leiter des Center of Excellence für Sustainable Finance bei Capgemini in Deutschland. Wer jetzt auf Nachhaltigkeit setze und vorausschauende Geschäftsentscheidungen treffe, werde als Versicherer für Kunden relevant bleiben und wachsen. Mit Erfolg nachhaltig werden seiner Ansicht die Versicherer sein, die über eine starke Governance verfügen, belastbare Erkenntnisse aus Daten gewinnen und sich auf die Prävention von Risiken konzentrieren. Zusätzlich müssen sie ihre Resilienz steigern, indem sie auch im Underwriting und bei Investitionen auf Nachhaltigkeit setzen.
Naturkatastrophen haben in den letzten 30 Jahren zu einem 3,6-fachen Anstieg der versicherten Schäden und einer Verdopplung der nicht versicherten Schäden geführt. 2 Dies ist einerseits problematisch, andererseits aber auch eine Chance für die Versicherer, sich neu auszurichten, um ihre Kunden auch in diesem dynamischen Umfeld optimal zu beraten, so die Einschätzung der Studienautoren.
Vorreiter richten Betriebs- und Geschäftsmodelle auf Minderung von Klimarisiken aus
Grundlegende Änderungen sind erforderlich, um kundenzentrierte, resiliente Geschäftsmodelle zu entwickeln. Der Studie zufolge achten weltweit sowie in Deutschland mehr als 80 Prozent der Privatkunden und kleineren Geschäftskunden der Versicherungswirtschaft sehr genau auf die Auswirkungen des Klimawandels. Sie haben in den letzten 12 Monaten mindestens eine zentrale Nachhaltigkeitsmaßnahme ergriffen.
Auch Versicherer müssen mehr tun, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, denn nur 8 Prozent der befragten Versicherer können bislang als Vorreiter – sogenannte „Resilience Champions“ – gelten. Sie sind im Report definiert als diejenigen, die über eine starke Governance, ausgeprägte Datenanalysefähigkeiten sowie einen klaren Fokus auf Risikoprävention verfügen und ihre Resilienz durch ihre Underwriting- und Investitionsstrategien erhöhen.
Balance zwischen Risikoprävention und Risikomanagement gefragt
Um Klimaresilienz zu realisieren, müssen Versicherer ihre Geschäftsmodelle neu konzipieren und eine Balance von Risikoprävention und Risikomanagement finden. Die Studienautoren empfehlen ein „Climate Resiliency Framework“, um die Fähigkeiten aufzubauen, die die Unternehmen in der sich verändernden Risikolandschaft brauchen. Sie regen die Versicherer dazu an, derzeitige Modelle zur Risikobewertung von neuem zu durchdenken, Risikoprävention im großen Maßstab einzuführen sowie ein Resilienz-Ökosystem zu schaffen, indem sie nachhaltige Investitions- und Underwriting-Strategien verfolgen – über Ausschluss- und Veräußerungsmaßnahmen hinaus. Unter den befragten Unternehmen, die als „Resilience Champions“ angesehen werden können,
- haben weltweit 82 Prozent eine*n Nachhaltigkeitsbeauftragte*n oder eine gleichwertige Position – gegenüber nur 52 Prozent im Branchendurchschnitt. Deutsche Versicherer liegen vergleichsweise nah an den Vorreitern: Bei 76 Prozent von ihnen gibt es eine solche Position.
- haben 77 Prozent Daten zu Klimarisiken in ihre Produkte und Services integriert. Im Branchendurchschnitt ist dies bei lediglich 29 Prozent der Versicherer der Fall, unter den deutschen Versicherern bei 38 Prozent.
- sind fast 60 Prozent – im Branchendurchschnitt 35 Prozent sowie 45 Prozent der Versicherer in Deutschland – weit fortgeschritten bei der Einführung von Tarifierungsmodellen auf der Basis maschinellen Lernens.
- nutzen rund 53 Prozent mindestens sechs neue Datenquellen, um in Echtzeit zuverlässige und detaillierte Informationen über Risiken zu erhalten. Im weltweiten Branchendurchschnitt trifft dies auf lediglich 27 Prozent zu, in Deutschland auf 45 Prozent der Versicherer. Zu diesen neuen Datenquellen zählen unter anderem Satellitendaten, Remote-Sensoren, Wetterstationen, Geodaten, Daten aus sozialen Netzwerken, ESG-Modelle und Wasserstände.
Versicherer sollten Klimaresilienz in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie verankern
Der Report schließt mit drei Handlungsempfehlungen, um die Klimaresilienz der Versicherer sowie ihre Relevanz und Profitabilität zu stärken.
- Die Versicherer sollten Klimaresilienz in ihre Nachhaltigkeitsstrategie integrieren und Top-Managern eine klare Agenda zuweisen, um Verantwortlichkeiten und Rechenschaftspflichten zu vereinbaren.
- Um die Kluft zwischen langfristigen Zielen und kurzfristiger Planung zu überbrücken, müssen Versicherer ihre Innovationskonzepte überarbeiten und Resilienz in der gesamten Wertschöpfungskette des Versicherungsunternehmens anlegen.
- Schließlich gilt es für Versicherungsunternehmen, ihre Technologiestrategie neu zu definieren, indem sie Produktinnovation, Kundenerlebnis sowie Corporate Citizenship in den Mittelpunkt stellen. Technologien wie IoT, Cloud, KI, ML und Quantencomputing können dies unterstützen.
Obschon die meisten Versicherer die Auswirkungen des Klimawandels bestätigen, müsse bezüglich der Entwicklung konkreter Klimaresilienzstrategien mehr getan werden, mahnt John Berry, CEO der Efma. Die Kunden achten zunehmend darauf, wie sich der Klimawandel auf ihr Leben auswirke. Daher sei es wichtig, dass auch die Versicherer ihr Commitment zeigen, indem sie ihre Produktpalette weiterentwickeln, um sowohl die elementare Rolle von Nachhaltigkeit für die Branche zu würdigen als auch im sich kontinuierlich verändernden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die vollständige Studie steht hier zum Download für Sie zur Verfügung.
Quellen:
1 Die wirtschaftlichen Schäden umfassen die gesamten versicherten und nicht versicherten Schäden aus Naturkatastrophen weltweit.
2 Swiss Re Institute, Sigma Explorer; Zugriff am 14. März 2022.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Nachhaltigkeit muss ganzheitlich gedacht werden
Mit einer allumfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, die nicht nur auf die ökologischen, sondern auch auf Aspekte der sozialen Verantwortung und bedeutsamen Unternehmensführung einzahlt, können sich Versicherungsunternehmen beste Chancen auf eine langfristige Outperformance sichern.
Zu viel Regulierung schadet Kunden und Versicherern
Die in Deutschland tätigen Versicherer beklagen ein Übermaß an Regulierung auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Die Dichte und Fülle der Berichtsanforderungen zu Nachhaltigkeit und Datenschutz überfordern die Unternehmen und bremsen wichtige Transformationsvorhaben.
Nachhaltiger Handlungsdruck auf deutsche Versicherungswirtschaft
InsurTechs haben beispiellosen Zugang zu Investmentkapital
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.