Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
Ein solidarisches System – unter wachsendem Druck
Die gesetzliche Krankenversicherung versichert 75 Millionen Menschen – unabhängig von Einkommen, Alter oder Krankheitsrisiko. Sie ist ein Bollwerk des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die 94 Krankenkassen tragen Verantwortung für eine qualitativ hochwertige, wirtschaftliche Versorgung und eine faire Verteilung der Gesundheitsausgaben. Doch die ökonomischen Spielräume schrumpfen, insbesondere in der Pflege.
Finanzlage in der Pflege: Alarmsignal aus dem GKV-Spitzenverband
„So kann es nicht weitergehen“,
mahnt Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Die Zahlen sind eindeutig: 1,54 Milliarden Euro Defizit im Jahr 2024 – weitere 160 Millionen Euro im ersten Quartal 2025. Trotz Beitragserhöhung fehlt es an struktureller Finanzierung. Pfeiffer betont:
„Nur eine nachhaltig finanzierte Pflegeversicherung ist eine solide Pflegeversicherung, auf die sich die Menschen auch in Zukunft verlassen können.“
Zwei Sofortmaßnahmen – finanzielle Atempause mit politischem Auftrag
Um der akuten finanziellen Schieflage der sozialen Pflegeversicherung zu begegnen, schlägt der GKV-Spitzenverband zwei unmittelbar wirksame Schritte vor. Beide Maßnahmen zielen darauf ab, die Pflegekassen kurzfristig zu entlasten, ohne dabei das strukturelle Reformbedürfnis aus dem Blick zu verlieren:
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Rückzahlung pandemiebedingter Ausgaben durch den Bund
Während der Corona-Pandemie übernahm die Pflegeversicherung eine Vielzahl von Sonderaufgaben – etwa die Finanzierung von Schutzausrüstung, Testverfahren in Pflegeeinrichtungen oder Mehraufwendungen für Hygienemaßnahmen. Diese Ausgaben wurden bislang nicht vollständig aus Bundesmitteln refinanziert, obwohl sie gesamtgesellschaftlicher Natur waren. Der GKV-Spitzenverband fordert, dass der Bund diese Lasten rückwirkend ausgleicht – als finanzpolitische Korrektur und als Anerkennung dafür, dass die Pflegekassen in der Krise schnell und solidarisch gehandelt haben. -
Dauerhafte Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger
Pflegende Angehörige übernehmen eine tragende Rolle im deutschen Pflegesystem. Wer regelmäßig Pflege leistet, sammelt dabei Rentenansprüche, die bislang aus Mitteln der Pflegeversicherung finanziert werden. Der Verband fordert, dass diese Beiträge künftig dauerhaft vom Bund getragen werden – nicht nur als Zeichen politischer Wertschätzung, sondern als strukturelle Entlastung des Versicherungssystems.
Zusammen könnten diese beiden Maßnahmen noch im laufenden Jahr bis zu zehn Milliarden Euro freisetzen – ein entscheidender Beitrag, um die Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren und zugleich den Boden für eine nachhaltige Neuaufstellung zu bereiten.
GKV-Tag: Politisches Signal für nachhaltige Reformen
Einmal im Quartal bündeln die Krankenkassen ihre Stimme – der GKV-Tag ist Ausdruck gemeinsamer Verantwortung für ein System, das funktioniert, aber gefährdet ist. Statt Spaltung braucht es Stärkung des Solidarsystems, statt Kürzungsdebatten eine breite Verständigung auf die Grundlagen eines zukunftsfähigen Gesundheitswesens.
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