InsurTechs und im Versicherungsmarkt aktive BigTechs nutzen beachtliche Kapitalzuflüsse, um die technologische Innovation voranzutreiben, wie der World InsurTech Report 2021 von Capgemini und Efma zeigt. Damit steigt der Druck auf etablierte Versicherer.
Die jungen digitalen Akteure bieten eine stärkere Personalisierung und konzentrieren sich auf das Kundenerlebnis, wodurch sie an Reife und Akzeptanz auf Kundenseite gewinnen. Als Reaktion darauf versuchen die etablierten Versicherer, ihre Technologiekompetenz durch Partnerschaften mit InsurTechs zu stärken oder diese aufzukaufen - mit dem Ziel, digital zu sein, statt nur digital zu handeln.
Der Studie zufolge haben Tech-Giganten und InsurTechs einen beispiellosen Zugang zu Investitionskapital erlangt. Damit erweitern sie ihre Digitalkompetenzen und bauen ihren Innovationsvorsprung auch in der Versicherungswirtschaft aus.
InsurTechs als Investitionstrend
Zwischen 2018 und 2020 haben ein bekannter Automobilhersteller und die fünf größten Tech-Unternehmen, die Versicherungsleistungen anbieten, fast das 2,5-fache der Marktkapitalisierung der 30 größten Versicherer weltweit im Jahr 2020 hinzugewonnen. Bis Ende 2020 überstieg das gesamte Marktkapital der börsennotierten InsurTechs 22 Milliarden Dollar.
InsurTechs entwickeln sich zum Investitionstrend, da eine ganze Reihe von Investoren die Kapitalzuflüsse trägt. Risiko- und Beteiligungskapitalgeber stellen in der Frühphase Kapital zur Verfügung; Rückversicherer spielen zwei Schlüsselrollen: Sie unterstützen InsurTechs durch Investitionen und stellen ihnen unerlässliche Underwriting-Kapazitäten bereit.
Gunnar Tacke, Managing Business Analyst bei Capgemini, erklärt:
Während InsurTechs für Versicherer lange Zeit primär Schlüssel für eine bessere Customer Experience waren, liegt der Haupttreiber für Kooperationen und Akquisitionen jetzt ganz klar auf Reach. Es geht also um Fähigkeiten, mit denen Versicherer die Reichweite ihrer Services erhöhen können, zum Beispiel durch Embedded Insurance.
Der Schlüssel zur Zukunft der Versicherungsbranche sei Modularität. Auch die Versicherer müssten sich flexibel aufstellen, um ein breites Spektrum künftiger Szenarien abbilden zu können. Modulare Angebote, Systeme und Organisationsstrukturen seien daher unverzichtbar für solide Geschäftsmodelle im Strukturwechsel, so Tacke weiter.
CARE wird zum Erfolgsrezept der Branche
Während der COVID-19-Pandemie ist die Bereitschaft der Kunden, Versicherungen abzuschließen, weltweit um durchschnittlich 7 Prozent gestiegen.
Dabei tendieren die Versicherungsnehmer zunehmend zu Versicherern, die ihnen eine bessere CARE bieten, indem sie Komfort (Convenience), Beratung (Advice) und Reichweite (Reach) in den Mittelpunkt ihrer Customer Journey stellen und deren Effektivität daran bemessen.
Versicherungsnehmer zögern nicht mehr lange, den Anbieter zu wechseln, wenn es um bessere CARE-Lösungen geht. Erstmals ziehen 50 Prozent der Kunden eine Versicherung bei einem der neuen Akteure in Betracht.
Neue Anbieter machen durch digitale Technologien den Unterschied
InsurTechs nutzen den Zufluss von Investorenkapital, um ihre CARE-Angebote durch digitale Technologien weiter zu verbessern, darunter KI/prädiktive Modellierung, Advanced Data Analytics, API/open insurance und IoT/connected devices. InsurTechs sind sich der Kundenerwartungen bewusst; Komfort steht bereits seit einiger Zeit im Mittelpunkt ihrer Ansätze, wobei das Erreichen des Kunden über diverse Kanäle jetzt zur Priorität wird.
Obwohl die etablierten Versicherer mit großen Herausforderungen im Bereich Data und Analytics konfrontiert sind (nur ein Viertel von ihnen ist von den eigenen Fähigkeiten im Datenmanagement überzeugt), treiben sie ihre Entwicklung voran.
Um Limitierungen zu überwinden, kaufen viele der klassischen Versicherer neue digitale Anbieter bzw. kooperieren mit ihnen, um ihre Fähigkeiten und ihr Leistungsangebot im CARE-Bereich zu optimieren, mit besonderem Augenmerk ebenfalls auf der Reichweite.
Der Kunde rückt in den Mittelpunkt
Das Versicherungswesen wandelt sich vom Produktgeschäft hin zu Customer CARE. Da die Grenzen zwischen den Akteuren der Versicherungsbranche verschwimmen, sehen die Studienautoren zwei Szenarien aufkommen:
- Embedded Insurance als Mehrwert in Ökosystemen Dritter: Der Versicherungsvertrag wird am Point of Sale oder Point of Service integriert, wodurch er nahezu unsichtbar wird. Das Geschäftsmodell entwickelt sich zu einem B2B2C-Ansatz, bei dem Ökosystempartner die Kundenbeziehungen pflegen.
- Zusatznutzen im Kern komplexer Angebote: Versicherer wechseln vom Produktverkauf zum CAREing für Kunden - mit Prognose- und Präventionsangeboten auf der Basis von KI und Analytik.
John Berry, CEO von Efma, sagte:
Die klassischen Versicherer erweitern ihre Ökosysteme, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei sollten sie unbedingt den Mehrwert in Betracht ziehen, der durch kompetente Partner wie BigTechs, InsurTechs und nicht-traditionelle Akteure wie Markenhersteller (OEMs) erzielt werden kann.
Die Zahlen sprächen eindeutig dafür, dass das exponentielle Wachstum der InsurTechs anhalten würde; daher sei eine hervorragende Customer CARE von entscheidender Bedeutung.
Zukünftiger Erfolg in der Branche hänge von den verfügbaren Kompetenzen in der gesamten Wertschöpfungskette ab, von der Bereitschaft zu investieren und dem Bestreben, für die Kundenbeziehung selbst verantwortlich zu sein, so Berry abschließend.
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