Der World Property and Casualty Insurance Report von Capgemini und Qorus gibt Einblicke in die Zukunft: Für Versicherer gilt es, ihr Angebot von der traditionellen Autoversicherung hin zum „Mobilitätsschutz“ weiterzuentwickeln, da immer mehr urbane Kunden neue Mobilitätslösungen nutzen. Diese multimodalen Optionen enthalten sowohl autonom fahrende, vernetzte, elektrisch betriebene als auch gemeinschaftliche genutzte Fahrzeuge (ACES – für Englisch: Autonomous, Connected, Electric, Shared).
Wie der World Property and Casualty Insurance Report des Capgemini Research Institute zeigt, legen Kunden und Aufsichtsbehörden verstärkt Wert auf Nachhaltigkeit. Versicherungsnehmer weltweit zeigen Interesse an vernetzten Fahrzeugen und solchen mit alternativen Antrieben (66 Prozent) sowie am autonomen Fahren (49 Prozent). Zwar sind sie noch nicht bereit, ihr Privatfahrzeug kurzfristig zu ersetzen, doch der Wunsch nach neuen ergänzenden Mobilitätsoptionen wächst.
Laut der Studie ist damit zu rechnen, dass im Jahr 2025 mit 58 Prozent gegenüber heute 29 Prozent doppelt so viele Stadtbewohner Mikromobilität 1 , Shared Vehicles und multimodale 2 Transportlösungen nutzen werden. In Deutschland zeichnet sich auf niedrigerem Niveau – von 16 auf 38 Prozent – mehr als eine Verdopplung ab. Der Analyse zufolge wird dieses sich wandelnde Mobilitätsverhalten bis 2030 zu einer Verachtfachung der Versicherungsbeiträge für ACES-Fahrzeuge führen – von 70 Milliarden auf 570 Milliarden US-Dollar.
Die Mobilitätsrevolution stellt Versicherer vor große Herausforderungen: 63 Prozent der Versicherer weltweit sowie 69 Prozent der deutschen bezweifeln, dass ihre IT-Systeme geeignet sind, um diese Fahrten absichern zu können. 45 Prozent weltweit, doch nur 28 Prozent der deutschen Versicherer sehen die sich wandelnden Erwartungen der Kunden als Herausforderung an.
Der Mobilitätssektor stehe am Beginn einer tiefgreifenden Transformation, so Dr. Joachim Rawolle, Leiter Business Technology Solutions für Versicherungen und Banken bei Capgemini. Um den Einstieg in die neue Ära erfolgreich zu bestreiten, müssen Versicherungsunternehmen ihre Kompetenz im Risikomanagement ausspielen und gemeinsam mit Ökosystempartnern wie InsurTechs und BigTechs Absicherungsmodelle für die gesamte Mobilität eines Kunden erarbeiten.
Rawolle erklärt, dass Unternehmen, die zukunftsweisende Leistungspakete für Mobilität testen und ihre Lösungen über vernetzte Versicherungsplattformen skalieren können, bestens positioniert seien, um nachhaltig relevant zu bleiben und in Zukunft zu wachsen.
Übergreifende Absicherung erfordert neue Geschäftsmodelle
In dieser neuen Ära der Mobilität gilt es für die Versicherer, sich umzuorientieren – von der Versicherung von Fahrzeugen hin zum Schutz von Mobilität. Dies erfordert neue Geschäftsmodelle mit Fokus auf Individualisierung.
Bereits jetzt wünschen sich 42 Prozent der Versicherungsnehmer weltweit eine einzige Police, die sie unabhängig vom jeweiligen Fortbewegungsmittel umfassend absichert – ganz gleich, ob sie selbst fahren oder als Passagier in einem Verkehrsmittel unterwegs sind. Von den deutschen Versicherten wollen nur 36 Prozent die Abdeckung aller Mobilitätsrisiken über eine Police; sie legen etwas mehr Wert auf die Versicherung eigener Fahrzeuge.
Allerdings sehen sich die Versicherer aktuell nicht in der Lage, diesen Erwartungen der Versicherungsnehmer zu entsprechen: Weniger als ein Drittel der Versicherungsträger (29 Prozent weltweit, 28 Prozent in Deutschland) gab an, die notwendigen Kapazitäten in der Produktentwicklung zu haben und nur rund ein Viertel (26 Prozent) weltweit bestätigte, über die Fachkräfte zu verfügen, um kundenzentrierte Lösungen für Mobilität anzubieten. Von den deutschen Versicherern haben lediglich 11 Prozent die nötigen Fachkräfte.
Mit der wachsenden Popularität von ACES-Fahrzeugen werden integrierte Versicherungsmodelle immer beliebter. Für Versicherungsunternehmen entstehen dadurch Disintermediationsrisiken in der gesamten Wertschöpfungskette, angefangen vom Vertrieb über das Underwriting bis hin zum Schadenmanagement, heißt es im Report. Eine Möglichkeit, die ACES-Welle für sich zu nutzen, besteht darin, ein Mobilitäts-Ökosystem mit modularen Versicherungs-Abonnements aufzubauen.
Auf diese Weise können Versicherer die Erwartungen der Kunden an einen nahtlosen Versicherungsschutz zu erfüllen und gleichzeitig differenzierte Zusatzleistungen zu bieten. Allerdings verfügen erst 21 Prozent der Versicherer weltweit, sowie 28 Prozent der deutschen, über fortgeschrittene Ökosystempartnerschaften, um diese Kundenwünsche zu
erfüllen.
Vom Produktentwickler zum Lösungs-Co-Designer
Angesichts der zukünftigen Mobilität betrachten 67 Prozent der befragten Versicherer eine gut definierte, mobilitätsorientierte Technologie-Roadmap als erfolgskritisch. Dennoch gibt nur jeder Dritte (33 Prozent) weltweit an, eine derartige Strategie zu haben. In Deutschland sagen dies bereits 39 Prozent.
Versicherer können den Erwartungen gerecht werden, wenn sie ihre Risikoexpertise einsetzen und mit Partnern, die auf das Mobilitäts-Ökosystem spezialisiert sind, kooperieren. Auf diesem Weg können sie den Schritt vom Produktvertrieb zum Anbieter kundenfreundlicher Mobilitätslösungen erfolgreich gehen.
John Berry, CEO von Qorus, sagt dazu: „Mobilität ist das Herz der Welt von morgen. Sie steht auch im Zentrum der Sorgen von Versicherern, die ihr Geschäftsmodell von Grund auf erneuern müssen, um sich auf die tiefgreifenden Veränderungen einzustellen, die die Kfz-Versicherungsbranche bedrohen.“
Anmerkungen
1 Verkehrsmittel wie Fahrräder, Motorräder oder E-Bikes
2 Nutzung mehrerer Verkehrsmittel, um von A nach B zu gelangen
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