Die Inflation in der Eurozone übertrifft alle Erwartungen und ist auf einem so hohen Niveau wie seit rund 30 Jahren nicht mehr. Kann die EZB diesem Inflationsdruck standhalten und wie sollte sie darauf reagieren?
Ein aktueller Marktkommentar von Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income
Mit fünf Prozent ist die aktuelle Inflation in der Eurozone höher als erwartet. Die neuesten Daten zeigen, dass die Inflation im vergangenen Jahr immer wieder für „Überraschungen“ sorgte. Manche Investoren meinen daher, die EZB müsste einen strengeren Kurs einschlagen. Unsere Analyse bestätigt jedoch, dass die EZB gut beraten ist, Vorsicht walten zu lassen.
Die aktuelle Inflation in der Eurozone bewegt sich auf einem Niveau, das wir seit den frühen 1990er-Jahren so nicht mehr gesehen haben. Die EZB geht aktuell davon aus, dass das noch bis mindestens Mitte 2022 so bleiben dürfte. Wenn die Energiepreise weiter steigen sollten – nicht unwahrscheinlich angesichts der fragilen Situation zwischen Russland und der Ukraine – könnte die kurzfristige Entwicklung sogar noch deutlich höhere Werte mit sich bringen. In Zahlen: Verteuern sich die Gaspreise im ersten Quartal um weitere 25 Euro pro Megawattstunde und der Ölpreis um weitere zehn Euro pro Barrel, könnte das einen Inflationsanstieg um rund 0,5 Prozentpunkte nach sich ziehen.
Zahlreiche Warenkorb-basierte Untersuchen bleiben unter der EZB-Zielmarke
Was bei der Diskussion um die Inflation allerdings oft ausgeblendet wird: Die unerwartet angestiegenen Energiepreise sowie höhere Kosten für Waren und Dienstleistungen, die von den pandemiebedingt gestörten Lieferketten betroffen waren – etwa Autos oder Haushaltselektronik –, haben die Inflationsnachrichten im vergangenen Jahr massiv getrieben. Dahinter wird ein freundlicheres Bild sichtbar, das auf anderen ökonomischen Daten beruht. So hat zum Beispiel das BIP der Eurozone gerade erst Ende 2021 sein Vor-Pandemie-Niveau erreicht, und das Tariflohnwachstum befindet sich auf einem Mehrjahrzehnte-Tief. Mehr noch: Der durchschnittliche Beitrag der Dienstleistungsinflation als Indikator für die Verbraucherinflation (DGI) war 2021 tatsächlich niedriger als in den drei wirtschaftlich robusten Jahren vor der Pandemie. Nicht zuletzt bleiben viele Warenkorb-basierte Untersuchungen in ihren mittelfristigen Inflationserwartungen unterhalb der Zielmarke der EZB.
Kein Zweifel: Die hohe Inflation belastet die Reallöhne. Das ist schmerzhaft für die Haushalte und wird sich auf die wirtschaftliche Erholung auswirken. Doch auch die EZB kann eine Pandemie nicht einfach wegzaubern. Ebenso wenig können Zentralbanken die Geopolitik nicht beeinflussen, die globale Chip-Knappheit lösen oder die Tatsache ändern, dass die Energiepreise in Europa während des Übergangs zu Erneuerbaren Energien steigen werden
Was sollte die EZB also tun?
Die EZB ist gut beraten, trotz der aktuell hohen Zahlen an ihrem mittelfristigen Inflationsziel von zwei Prozent festzuhalten. Eine weitere Stützung der Wirtschaft durch eine Ausweitung der Anleihekäufe ist aktuell eher geboten als ein Drehen an der Zinsschraube.
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