BFH-Urteil zum freiwilligen Wehrdienst: Wann Kindergeld trotz Soldatendienst gezahlt wird

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20. Februar 2025 (Az. III R 43/22) ein wegweisendes Signal für Familien gesetzt: Wer freiwillig Wehrdienst leistet, hat nicht automatisch Anspruch auf Kindergeld – unter bestimmten Voraussetzungen jedoch sehr wohl. Entscheidend ist, ob während des Wehrdienstes ein sogenannter Berücksichtigungstatbestand nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt ist.

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Der freiwillige Wehrdienst wird nicht generell zum „Kindergeldkiller“Foto: Bundeswehr/Tom Twardy

Kein pauschaler Anspruch: Wehrdienst ist kein freiwilliges soziales Jahr

Ein zentrales Argument der Familienkasse – und später auch des Finanzgerichts – war die Abgrenzung: Der freiwillige Wehrdienst unterscheidet sich rechtlich klar von anderen Freiwilligendiensten wie dem FSJ oder FÖJ. Diese sind ausdrücklich im Einkommensteuergesetz (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG) als kindergeldrelevante Tatbestände genannt – der Wehrdienst hingegen nicht.
Im konkreten Fall hatte der Sohn (S) des Klägers nach dem Abitur einen zehnmonatigen Wehrdienst absolviert. Für die Zeit bis zum Abschluss der Grundausbildung wurde Kindergeld gewährt. Danach, als S in einem Mannschaftsdienstgrad tätig war, lehnte die Familienkasse weitere Zahlungen ab – trotz der Tatsache, dass S sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf ein späteres Studium vorbereitete.

Ausbildung oder Wartezeit: BFH ermöglicht Kindergeld im Einzelfall

Die Richter am BFH urteilten differenziert. Zwar bestätigten sie die Rechtsauffassung, dass der freiwillige Wehrdienst allein kein Kindergeld auslöst. Doch sie betonten zugleich: Wenn ein Kind während seines Wehrdienstes eine Ausbildung aus tatsächlichen Gründen – etwa wegen fehlender Plätze – nicht antreten kann, besteht unter Umständen trotzdem ein Anspruch. Dies gelte selbst dann, wenn das Kind über 20 Stunden wöchentlich arbeitet – wie es bei Soldaten der Fall ist.
Bemerkenswert ist auch die Einordnung der Grundausbildung: Diese sei Teil einer militärischen Ausbildung, jedoch kein abgeschlossener Ausbildungsabschnitt im Sinne des § 32 EStG. Der Kindergeldanspruch könne daher auch darüber hinaus fortbestehen.

Klarer Maßstab: Subjektiver Wille reicht nicht aus

Für einen Monat jedoch blieb die Revision des Klägers erfolglos. Begründung: Der Wille des Kindes, ein Studium aufzunehmen, wurde nicht rechtzeitig nach außen sichtbar. Der BFH stellt damit klar: Allein der subjektive Entschluss reicht nicht. Entscheidend ist, wann dieser objektiv erkennbar dokumentiert wird – etwa durch eine Bewerbung oder Anmeldung.

Bewertung: Signal für mehr Rechtssicherheit bei Wehrdienst und Ausbildung

Das Urteil bringt rechtliche Klarheit für Familien in vergleichbaren Situationen: Der freiwillige Wehrdienst wird nicht generell zum „Kindergeldkiller“ – wohl aber ist sorgfältige Dokumentation und rechtzeitige Antragstellung entscheidend. Besonders für junge Erwachsene in Übergangsphasen und Eltern mit Kindergeldanspruch lohnt sich eine genaue Prüfung des Einzelfalls.

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