Vom Klischee des Vermittelns lösen

© INTER Versicherungsgruppe

Die Versicherungswelt hat in den zurückliegenden 20 Monaten einen bislang noch nie dagewesenen Digitalisierungsschub erfahren. Betroffen waren und sind in der Wertschöpfungskette alle internen und externen Beteiligten. Insbesondere im Segment der Gesundheitsvorsorge hat sich das Anspruchsdenken der Kunden verändert. 

Im Gespräch mit Sascha Risse, Leiter Maklervertrieb der INTER Krankenversicherung, und Nico Locker, Bereichsleiter Maklerorganisation der INTER Krankenversicherung, steht deshalb unter anderem der Change-Prozess im Mittelpunkt.

Leistungen und ergänzende Gesundheitsservices müssen immer mehr hybride Anforderungen erfüllen, nachdem die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen hat. Digital und persönlich wird im Kontext der ergänzenden Gesundheitsservices immer mehr zur Benchmark, an der sich private Krankenversicherer orientieren.

Für die Anbieter hängt die Messlatte auf dem Weg zum modernen Gesundheitsdienstleister ein Stück höher als in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gleichzeitig sind (Kranken-)Versicherungen per se abstrakt und das viel zitierte positive Kundenerlebnis tritt in der Regel mit dem Leistungsfall ein.

Die INTER Krankenversicherung beschäftigt sich intensiv mit der Customer Journey und positiven Kundenerlebnissen. Sie forciert ihre klare Positionierung in definierten Geschäftsfeldern für eine nachhaltige und erfolgreiche Strategie eines mittelständischen Krankenversicherers.

Das Gesundheitssystem in Deutschland zählt zu den stabilsten und leistungsstärksten weltweit – die private Krankenversicherung leistet dafür einen großen Beitrag. Welche Veränderungen erwarten Sie trotzdem für das gesamte System und die PKV im Besonderen?

Nico Locker: Die Gesundheitsbranche wird sich, wie übrigens viele andere Wirtschaftsbereiche auch, mit der zunehmenden Digitalisierung auseinandersetzen müssen. E-Health-Angebote werden vermehrt auf den Markt drängen und bestimmte Nischen besetzen.

Gesetzliche und insbesondere private Krankenversicherer können davon profitieren, wenn es gelingt, die Chancen, die damit verbunden sind, vorteilhaft für die Versicherten zu positionieren. Dies gilt insbesondere für die private Krankenversicherung, deren Anspruch ja ist, modernste Leistungen anzubieten.

Rund 36 Millionen Menschen sind heute mit einer Kranken- voll- oder -zusatzversicherung privat krankenversichert. Der Großteil, etwas über 27 Millionen, entfällt auf den Zusatzschutz. Setzt sich der Trend fort, wäre mittelfristig die Hälfte der Bevölkerung privat versichert. Rechnen Sie mit einem weiter verstärkten Wettbewerbsdruck a) innerhalb der Systeme und b) unter den PKV-Anbietern?

Sascha Risse: Immer mehr Menschen setzen auf eine sehr gute Versorgung in der Zahnmedizin sowie im ambulanten und stationären Bereich. Deshalb sind weitere Zuwächse im Segment der Zusatzversicherungen zu erwarten. Und ganz klar, nachdem keine signifikanten Bevölkerungszuwächse zu erwarten sind, stellen wir uns auf einen noch intensiveren Verdrängungswettbewerb ein.

Worauf müssen mittelständische (Kranken-)Versicherer ihr Augenmerk legen, um die Challenge für sich zu entscheiden?

Nico Locker: Es ist einerseits der gelungene Mix aus einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis sowie sehr guten und komfortablen Services. Natürlich auch digital, wie Onlineabschlüsse, Service-Apps, Rechnungs-Apps, Onlineterminservices – um nur einige gängige Beispiele zu nennen. Ausschlaggebend ist jedoch das Wissen rund um Kunden, Kundenverhalten und -bedarfe sowie deren Touchpoints.

Das gilt im Übrigen für Verbraucher und Vertriebspartner gleichermaßen. Und damit wären wir auch beim springenden Punkt. Die Challenge entscheidet für sich, wer Veränderungsbereitschaft zulässt und mutig vorangeht. Ungeachtet der Unternehmensgröße.

Die INTER begreift Veränderungen prinzipiell als Chance und dynamischen Prozess, der nicht endet und ein agiles Miteinander einfordert. Zukünftig arbeiten wir dafür in crossfunktionalen Teams, stärken das persönliche Know-how eines jeden Einzelnen und lernen voneinander. Mit dieser Vorgehensweise entdecken wir laufend neue Aspekte entlang der Customer Journey und erreichen mehr Produktivität.

Wichtig ist für uns, dass es nicht bei einzelnen Impulsen bleibt. Im Ergebnis wollen wir regelmäßig sowohl im Produktsegment als auch prozessual neue Mehrwerte generieren. In erster Linie für unsere Vertriebspartner und natürlich auch für den Endkunden. Am Ende zahlt alles auf alles ein.

Gibt es bei der INTER in puncto Positionierung etwas Neues?

Sascha Risse: Nun, als mittelständischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit konzentrieren wir uns von jeher auf Kernsparten und die dazugehörigen Zielgruppen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Vielmehr wollen wir unsere Expertise in definierten Bereichen noch weiter schärfen. Nennen wollen wir in diesem Zusammenhang die private Krankenversicherung und in diesem Positionierungscluster die Zielgruppe der Mediziner.

Die INTER verfügt seit Jahrzehnten über ein sehr umfassendes und weitreichendes Know-how rund um professionelle Gesundheitsleistungen. Logischerweise wird das als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.

Zusätzlich dazu ist aber noch ein zweites Cluster strategisch gewachsen: der Bereich Handwerk und Gewerbe – mit der weiterführenden Spezialisierung für das Bauhaupt- und -nebengewerbe. Unsere Maklerteams arbeiten mit eigenen Maklerreferenten und Underwritern.

Für unsere Zielgruppenexpertise greifen wir auf sehr weitreichende Verbindungen zu den Handwerksinnungen und -organisationen zurück. Wir sind hier bestens strukturiert und vernetzt. Unserer Auffassung nach ist es unabdingbar, mit Kompetenz und Empathie für unsere Geschäftspartner da zu sein. Was heißt das für uns? Ganz klar setzen wir auf digitale Tools, wenn sie erkennbare Vorteile bieten.

Aber wir wissen auch, dass damit nicht alle Fragen beantwortet werden können. Deshalb ist und bleibt Persönlichkeit ein wichtiger Faktor in der Kunden- und Vertriebspartnerberatung. Viele unserer Geschäftsbeziehungen im Handwerk sind seit der Mitte des letzten Jahrhunderts vertrauensvoll gewachsen. Schon damals hatten wir uns sehr intensiv um kleine und kleinste Handwerksbetriebe gekümmert: für einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz.

Insbesondere durch die Digitalisierung und internationalen Geschäftsbeziehungen hat sich das Anforderungsprofil auch dieser Zielgruppe in den letzten Jahren stark verändert. Unseren Vertriebspartnern empfehlen wir deshalb die KMU-Beratung auf Basis eines Lebenszyklusmodells.

Im Übrigen gibt es sehr viele Parallelen zwischen einem Handwerker und dem niedergelassenen Arzt. Der eine versichert seine Werkstatt, der andere seine Praxisräume, die jeweilige Ausstattung und so weiter. Darüber hinaus sollte immer auch die persönliche Arbeitskraftabsicherung, Gesundheitsleistungen sowie die Altersvorsorge in die Unternehmer-Beratung einbezogen werden.

Mit dieser Herangehensweise wollen wir für die genannten Zielgruppen eine eigene Benchmark definieren. Mit ausgewählten Produkten und darauf abgestimmten Prozessen möchten wir begeistern. Dies gelingt uns über die Customer Journey. Dabei konzentrieren wir uns auf das Wesentliche und setzen bewusst Dinge um, die mit Kompetenz belegt werden können.

Apropos Begeisterung: Wie dürfen wir uns aktuell einen Maklermehrwert vorstellen?

Nico Locker: Durch den Digitalisierungsschub in der Branche sind die Aufgaben enorm. Deshalb wurde ein klares Zielbild für die Qualifikation unserer Maklerbetreuer definiert, das konsequenterweise an neue Trends und Entwicklungen angepasst wird.

Als Maklerberater sollen sie künftig dort unterstützen, wo strategische oder zeitintensive Anforderungen beim Vertriebspartner zu bewältigen sind. Jeder Maklerberater kann dafür auf ein interdisziplinäres Team und ein Expertennetzwerk zurückgreifen.

Wie zum Beispiel mit unserem Konzept „Modernes Maklerbüro“ mit einem Zwölf-Punkte-Plan zur Optimierung der internen und externen Prozesse für mehr Effizienz im Maklerbüro. Die Resonanz war überwältigend. Über 50 Prozent der Teilnehmer*innen hatten nach dem Webinar ein individuelles Coaching angefragt, um die Themen im Unternehmen erfolgreich voranzutreiben.

Worauf müssen sich Maklerbüros in der Customer Journey und Kundenberatung einstellen?

Nico Locker: Auch hier gilt: Versicherer und Maklerbüros müssen sich auf ihr Gegenüber und dessen Kontaktwünsche und -wege einstellen. Seit geraumer Zeit gibt es dafür keine Blaupause mehr. Wir sind alle „digital-persönlich“ in einem gelungenen Mix zu kommunizieren. Diesen Weg verfolgen wir konsequent mit digitalen Kanälen dort, wo sie zielführend sind und gerne angenommen werden.

Gleichzeitig bieten wir immer persönliche Ansprechpartner und Berater an. Versicherungen sind nun mal Vertrauenssache. Versicherungsmakler*innen werden erfolgreich sein, wenn sie sich von dem gelernten Klischee des „Vermittelns“ lösen und beratend agieren. Anlassbezogen, lebensphasengerecht oder auch rundum mit einem 360-Grad-Blick. Und dafür ist Persönlichkeit gefragt. Nach den anstrengenden Pandemiezeiten umso mehr, denn viele Kunden sind auch digital gestresst.

Wie kann Nachhaltigkeit für Kund*innen erlebbar sein?

Sascha Risse: Nachhaltigkeit ist ein mächtiger Begriff. Als Unternehmen muss man sich seiner Verantwortung sehr bewusst sein und auch glaubhaft handeln. Erlebbar wird sie dann, wenn immer mehr Personen und Unternehmen sich aktiv dazu bekennen.

Die INTER hat sich deshalb für ein Engagement als Gesellschafter bei bessergrün entschieden. Ganz bewusst starten wir mit zwei nachhaltigen Produktangeboten, bei denen ein Teil der Kapitalanlagen nachhaltig investiert wird. Zum einen im Bereich der Krankenzusatzversicherung und zum anderen mit einer Jagdhaftpflichtversicherung. Beide Tarifangebote werden dann auch in den Vergleichsrechnern zur Verfügung stehen.

Die Entscheidung für diese Sparten wurde sehr bewusst getroffen. Gesundheitsschutz ist für die INTER als privater Krankenversicherer das Gebot der Stunde. Doch wir sind auch der zweitgrößte Anbieter von Jagdhaftpflichtversicherungen in Deutschland.

Einer Zielgruppe, die im Sinne des Hegens und Pflegens der Jagd und damit der Wälder auch nachhaltig Verantwortung übernimmt. Außerdem planen wir, das nachhaltige Angebotsportfolio zu erweitern. Alle Produktangebote haben eines gemeinsam: Sie werden bezahlbar sein. Nur so leisten wir einen Beitrag für mehr Selbstverständnis. Gemeinsam mehr erreichen.

Herr Risse, Herr Locker, vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

Bilder: (1) © INTER Versicherungsgruppe (2) © experten-netzwerk GmbH

 

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