In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die Ausgabenschwerpunkte des Bundeshaushalts grundlegend verschoben. Eine aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Die Sozialausgaben des Bundes sind inflationsbereinigt nahezu explodiert, während Investitionen massiv zurückgefahren wurden.
Sozialetat wächst auf Rekordniveau, Arbeitsmarkt- und Rentenzuschüsse treiben die Ausgaben
Laut der IW-Auswertung beliefen sich die pro-Kopf-Ausgaben des Bundes für soziale Leistungen im Jahr 1992 noch auf 1.464 Euro. Im Jahr 2024 sind es bereits 2.665 Euro – ein Anstieg von über 80 Prozent.
Besonders stark zeigt sich die Dynamik bei den Zuschüssen zur Rentenversicherung, bei Leistungen für den Arbeitsmarkt wie dem Bürgergeld sowie bei sonstigen Sozialtransfers.
So entfällt heute rund ein Viertel des Bundeshaushalts allein auf steuerfinanzierte Rentenzuschüsse.
Weitere elf Prozent fließen in Leistungen wie das Bürgergeld, gut drei Prozent in die Krankenversicherung und rund zehn Prozent in sonstige soziale Unterstützungsleistungen. In der Summe bindet das Sozialbudget inzwischen nahezu jeden zweiten Euro der Bundesausgaben.
Besonders auffällig: Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt – etwa für Bürgergeld – haben sich seit 1992 inflationsbereinigt verdreifacht (von 187 Euro auf 625 Euro pro Kopf). Auch die Zuschüsse zu den Sozialversicherungen haben sich mehr als verdoppelt, von 755 Euro auf 1.644 Euro.
Investitionen langfristig zurückgefahren
Im Kontrast zur wachsenden Soziallast zeigt sich ein rückläufiger Trend bei den Bundesinvestitionen. 1992 machten sie noch über 15 Prozent des Haushalts aus. Bis 2011 sank dieser Anteil auf einen Tiefpunkt von neun Prozent. Zwar führten pandemiebedingte Sonderausgaben zuletzt zu einem leichten Anstieg auf 12,2 Prozent, doch liegt das Niveau weiterhin deutlich unter dem der frühen 1990er Jahre.
Die Diskussion um eine Zweckentfremdung des Sondervermögens für infrastrukturelle Aufgaben gewinnt damit erneut an Brisanz. „Wenn die Politik Haushaltslöcher schließen will, sollte sie am Sozialbudget ansetzen und nicht das Sondervermögen für die Infrastruktur zweckentfremden“, mahnt Hentze.
Reformdruck steigt
Die Analyse des IW verdeutlicht die strukturellen Herausforderungen für den Bundeshaushalt. Der Trend wachsender Sozialausgaben bei gleichzeitig rückläufigen Investitionen verschärft den Reformdruck auf die Politik. Ohne grundlegende strukturelle Anpassungen droht nicht nur eine weitere Belastung kommender Generationen – auch zentrale politische Handlungsfelder wie Infrastruktur, Bildung oder Klimaschutz könnten dauerhaft unterfinanziert bleiben. Steuersenkungen rücken damit zunehmend in weite Ferne.
Auch für die kommenden Jahre erwartet die Bundesregierung wachsenden Finanzbedarf: Zwischen 2027 und 2029 klafft laut aktuellen Planungen eine Deckungslücke von 172 Milliarden Euro. Die demografische Entwicklung dürfte die Spielräume zusätzlich verengen.
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