Warum Zusatzleistungen mehr sind als ein nettes Extra: Im Interview erklärt Thomas Brahm, Vorsitzender des Verbands der Privaten Krankenversicherung, warum die betriebliche Krankenversicherung boomt, welche Rolle sie im Wettbewerb um Talente spielt – und wo noch regulatorischer Handlungsbedarf besteht.
experten: Die betriebliche Krankenversicherung gilt als einer der dynamischsten Bereiche im Zusatzversicherungsgeschäft. Worauf führen Sie das aktuelle Wachstum dieses Segments zurück?
Thomas Brahm: Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ist tatsächlich ein echtes Erfolgsmodell. Die Zahl der versicherten Personen ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gestiegen. Ende 2024 hatten rund 2,5 Millionen Beschäftigte eine solche betriebliche Absicherung - ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist beachtlich. Übrigens zählen wir hier nur die Versicherungen, bei denen die Beiträge komplett vom Arbeitgeber übernommen werden.
Dieses Wachstum ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Betriebliche Krankenversicherungen sind für Arbeitgeber ein sehr gutes Instrument im Wettbewerb um Fachkräfte. Unternehmen nutzen sie zunehmend, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Zudem kann eine bessere Versorgung im Krankheitsfall potenziell die Ausfallzeiten der Belegschaft reduzieren. Hinzu kommt: Arbeitgeberfinanzierte Beiträge zur bKV sind im Rahmen der Freigrenze für Sachbezüge steuer- und sozialabgabenfrei. Das macht sie für Unternehmen auch finanziell attraktiv.
Inwiefern kann eine bKV helfen, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig ans Unternehmen zu binden – gerade im Wettbewerb um Talente?
Die bKV stärkt die Arbeitgeberattraktivität, da sie Gesundheitsleistungen bietet, die über den Schutz in der GKV hinausgehen – und das in der Regel ohne Kosten für die Mitarbeitenden. Das können etwa Zahnzusatzversicherungen oder Wahlleistungen für Krankenhausaufenthalte sein. Unternehmen signalisieren ihrer Belegschaft auf diese Weise ihre Wertschätzung. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine wichtige Komponente im „Run for Talents“.
Welche Kriterien sind für Arbeitgeber bei der Auswahl eines bKV-Tarifs besonders entscheidend, und wie lassen sich diese in der Praxis umsetzen?
Ein großer Vorteil der bKV ist, dass sich der Versicherungsschutz an die individuellen Bedürfnisse einzelner Unternehmen und ihrer Beschäftigten anpassen lässt. Das gilt auch für kleinere Unternehmen. Da in der betrieblichen Krankenversicherung keine Gesundheitsprüfungen erforderlich sind, ist der Verwaltungsaufwand zudem relativ gering.
Wie wird die bKV von Mitarbeitenden wahrgenommen – und welche Kommunikationsstrategien haben sich bewährt, um deren Mehrwert verständlich zu vermitteln?
Die Vorteile einer bKV sprechen für sich. Der Verzicht auf eine Gesundheitsprüfung, die Beitragsübernahme durch den Arbeitgeber oder die Einbeziehung von Angehörigen sind starke Argumente. Hinzu kommt ein spürbarer Gesundheitsnutzen – etwa bei Komfortleistungen im Krankenhaus, Zahnersatz oder Sehhilfen. Mitarbeitende wissen das Angebot einer bKV durch ihr Unternehmen durchaus zu schätzen. Umfragen zeigen, dass besonders junge Fachkräfte diese Zusatzleistung bisweilen sogar höher schätzen als andere Benefits wie Jobtickets oder Firmenhandys.
Welche Entwicklungen beobachten Sie derzeit bei den bKV-Produkten – gibt es neue Leistungsbausteine oder Zielgruppenansprachen?
Die Produkte im Rahmen der betrieblichen Krankenversicherung sind sehr flexibel und entwickeln sich immer weiter. Relativ neu sind zum Beispiel Budgettarife. Hier erhalten die Beschäftigten ein bestimmtes Budget, das für Gesundheitsleistungen ihrer Wahl verwendet werden kann.
Wo liegen derzeit noch regulatorische oder operative Hürden in der Verbreitung der bKV, und was müsste sich ändern, um diesen Wachstumsmarkt weiter zu fördern?
Die starke Nachfrage zeigt, dass immer mehr Unternehmen die zahlreichen Vorteile der betrieblichen Krankenversicherung erkennen. Ich bin fest überzeugt, dass bei weiter steigender Bekanntheit dieses tollen Produkts sich noch viel mehr Unternehmer für diese Art der Absicherung entscheiden werden.
Welche Rolle könnte die bKV im Bereich Pflegeabsicherung spielen und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich?
Die betriebliche Pflegeversicherung (bPV) ist ein sehr gutes Instrument für eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Wer heute bei Pflegebedürftigkeit im Heim versorgt wird, muss einen hohen Beitrag aus eigener Tasche zahlen. Mit der bPV lässt sich das Problem dieser Pflegelücke für viele Menschen lösen. Um die wichtige Vorsorge für den Pflegefall breiter in der Gesellschaft zu verankern, sollten daher Aufwendungen zur Absicherung der Pflegelücke im Steuerrecht als eigenständiger Fördertatbestand berücksichtigt werden. Bisher sind die Zuwendungen des Arbeitgebers lediglich im Rahmen der 50-Euro Sachbezugsfreigrenze steuer- und sozialabgabenfrei. In diesem engen Rahmen konkurrieren sie aber mit allen anderen Zuwendungen des Arbeitgebers.
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