Die zum 1. Juli 2025 in Kraft tretenden neuen Pfändungsfreigrenzen wirken sich nicht nur auf Schuldner:innen, sondern auch spürbar auf Gläubiger aus. Die gesetzlich vorgesehene Erhöhung um rund vier Prozent verringert die pfändbaren Beträge und hat unmittelbare Folgen für das Forderungsmanagement.
Weniger pfändbares Einkommen – längere Rückzahlungszeiträume
Der Grundfreibetrag für Schuldner:innen ohne Unterhaltspflichten steigt von 1.491,75 Euro auf 1.555,00 Euromonatlich. Unterhaltspflichtige Schuldner:innen profitieren zusätzlich: Die Erhöhung für die erste unterhaltsberechtigte Person beträgt künftig 585,23 Euro (statt zuvor 561,43 Euro), für jede weitere Person 326,04 Euro (statt 312,78 Euro). Damit steigt auch die maximale Freigrenze für Schuldner:innen mit fünf oder mehr Unterhaltspflichten auf 3.304,30 Euro monatlich.
Für Gläubiger bedeutet das: Es bleibt weniger pfändbarer Lohn oder Sozialleistung übrig. Im Klartext: Die monatlichen Rückflüsse sinken – insbesondere bei Schuldner:innen mit geringen oder mittleren Einkommen und Unterhaltspflichten. Forderungen werden dadurch langsamer getilgt oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr realisiert.
Höchstbetrag steigt – Pfändungslücke wächst
Der sogenannte Höchstbetrag, ab dem Einkommen vollständig pfändbar ist, erhöht sich zum 1. Juli 2025 auf 4.766,99 Euro (vorher 4.573,10 Euro). Das bedeutet: Einkommen über dieser Schwelle wird weiterhin voll gepfändet. In der Praxis bleibt dieser Wert jedoch für viele Schuldner:innen unerreichbar – der relevante Bereich bleibt der untere Einkommenssektor, wo Gläubiger jetzt mit spürbar weniger pfändbarem Einkommen kalkulieren müssen.
Formale Risiken bei Nichtbeachtung
Gläubiger – insbesondere Inkassounternehmen und anwaltliche Vertreter – stehen in der Pflicht, ihre Vollstreckungen auf Basis der neuen Pfändungstabelle durchzuführen. Fehlerhafte Pfändungen, etwa durch Verwendung veralteter Werte, sind unzulässig und können zu Rückforderungen und Schadensersatzansprüchen führen.
Komplizierter wird es zudem bei Pfändungen mit individuellen Freibeträgen durch Gericht oder Behörde: Hier müssen Schuldner:innen eine Anpassung aktiv beantragen. Tun sie dies nicht, besteht für Gläubiger das Risiko, auf Grundlage überholter Pfändungsbeträge zu agieren – was im Nachgang zu Rechtsstreitigkeiten führen kann.
Handlungsempfehlung für Gläubiger
- Aktualisierung aller Pfändungsprozesse und -berechnungen mit den neuen Werten.
- Regelmäßige Kommunikation mit Arbeitgebern, Banken und Schuldner:innen, um Fehlanwendungen zu vermeiden.
- Strategische Überprüfung bestehender Titel, insbesondere bei Langzeitpfändungen.
- Erwägung außergerichtlicher Einigungen, um Verzögerungen durch niedrige Pfändungsraten zu vermeiden.
Die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ab Juli 2025 verschärft für Gläubiger den Spagat zwischen rechtlicher Absicherung und wirtschaftlicher Realisierbarkeit offener Forderungen. Wer sich frühzeitig anpasst, kann Risiken minimieren und Zahlungsflüsse besser steuern.
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