„Ein Weiter-so ist keine Strategie“ – Renten-Chefin fordert langfristige Lösungen

Gundula Roßbach sieht in der Rentenpolitik der vergangenen Jahre eine Schieflage zulasten der jungen Generation. Langfristig brauche es strukturelle Reformen – auch für Selbstständige.

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Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung BundDRV Bund/ Kruppa

Die Deutsche Rentenversicherung steht vor großen Herausforderungen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel, das auch im Handelsblatt erschien, spricht Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, über die Notwendigkeit langfristiger Rentenreformen und kritisiert die bisherige Politik: „Es hat Leistungsausweitungen gegeben. Bereits jetzt summiert sich die Unterdeckung der nicht beitragsgedeckten Leistungen auf fast 40 Milliarden Euro.“

Junge Generation stärker belasten?

Die aktuelle Rentenpolitik sei zunehmend zulasten der jüngeren Generation gegangen, meint Roßbach. Ökonom Marcel Fratzscher hatte kürzlich einen Kurswechsel gefordert. Dazu sagt sie: „Wir können nur nach vorn schauen und uns fragen: Wie machen wir das zukünftig?“
Ein zentraler Streitpunkt sei die geplante Rentengarantie. Die Rentenversicherung habe immer darauf hingewiesen, dass eine solche Garantie gut diskutiert werden müsse. Denn wenn sie eingeführt werde, gebe es nur zwei Finanzierungsquellen: Beiträge oder Steuern. Damit könnte die jüngere Generation noch stärker belastet werden.

Selbstständige in die Rentenversicherung einbinden

Ein weiterer zentraler Reformpunkt: die Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Roßbach hält diesen Schritt für längst überfällig: „Wir stehen mit der bisherigen Regelung in Europa ziemlich alleine da. Altersarmut ist unter Selbstständigen ein größeres Problem.“
Die aktuellen Pläne von Schwarz-Rot sehen eine Versicherungspflicht für Selbstständige vor – ohne Opt-out-Option. Roßbach begrüßt das: „Das finden wir gut und richtig.“ Sie geht sogar noch weiter: „Ich bin für eine Altersgrenze, und wer jünger ist, unterliegt der Versicherungspflicht – auch wenn die Selbstständigkeit jetzt schon besteht.“

Damit könnte ein strukturelles Problem gelöst werden. Denn viele Selbstständige haben bisher wenig oder gar nicht für die Rente vorgesorgt. Das Argument, private Anlagen wie ETFs seien die bessere Lösung, lässt Roßbach nicht gelten: „Wenn das so klappen würde, müssten wir heute schon lauter super abgesicherte Selbstständige haben.“

Betriebliche Altersvorsorge und private Vorsorge stärken

Ein weiteres Problem: Viele Menschen haben weder eine betriebliche noch eine private Altersvorsorge. „Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens, dass die Altersvorsorge auf drei Säulen ruhen soll. Doch ungefähr ein Drittel aller Menschen hat weder eine betriebliche noch eine private Vorsorge.“
Roßbach fordert deshalb, über Pflichten nachzudenken – etwa nach dem schwedischen Modell, in dem eine kapitalgedeckte Rentenkomponente für alle verpflichtend ist.

Systemwechsel bei Beamten bleibt unrealistisch

Ein Thema bleibt politisch unangetastet: die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung. Für Roßbach wäre ein solcher Systemwechsel kaum praktikabel. Der Grund: Kommunen, Länder und Bund müssten parallel Rentenbeiträge für aktive Beamte zahlen und gleichzeitig Pensionen finanzieren – das würde doppelte Kosten für mehrere Jahrzehnte verursachen.

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