Viele Anleger kämpfen nicht nur mit den Schwankungen der Märkte, sondern auch mit psychologischen Fallen und verbreiteten Anlage-Mythen. Vito Micoli, Geschäftsführer bei FI Investments, räumt mit fünf gängigen Irrtümern auf – von der angeblichen Unvorhersehbarkeit des richtigen Einstiegszeitpunkts bis zur falschen Annahme, dass nur Aktien und Immobilien langfristig stabile Renditen bieten.
Für Anleger ist der größte Feind nicht nur der volatile Markt, sondern das eigene Gehirn, sprich Emotionen, Fehlinterpretationen und Selbstüberschätzung. Anstatt eine eigene Strategie zu verfolgen und auf rationalen Grundlagen Entscheidungen zu treffen, vertrauen viele Menschen beim Thema Geldanlage auf vermeintlich gängige Redewendungen wie „Im Heimatmarkt zu investieren ist eine sichere Strategie“. „Finanzexperten nennen das jedoch Proximity Bias oder auch Näheverzerrung, was oft zu einer unausgewogenen Anlagestrategie führt“, weiß Vito Micoli, Betriebswirtschafter und Geschäftsführer bei FI Investments. Hinzu kommt eine Flut von teilweise widersprüchlichen Informationen. Kein Wunder, dass Missverständnisse, Mythen und andere Fake News sich hartnäckig halten. Hier sind fünf der gängigsten Irrtümer, die regelmäßig Chancen kosten.
# 1: Hohe Renditen sind ausschließlich mit hohem Risiko möglich
Viele Investoren glauben, dass höhere Gewinne immer gleichbedeutend mit Wagnis sind. „Fakt ist aber, dass moderne Technologien helfen, Risiken besser zu steuern, ohne Renditepotenziale zu opfern“, so Vito Micoli. Der gezielte Einsatz von Big Data, KI und Algorithmus-gestützten Anlagestrategien kann dazu beitragen, Marktschwankungen gezielt zu analysieren und die Risiken besser zu managen. Dank variabel einstellbarer Parameter können clevere Softwares so selbst kleinste Marktveränderungen berücksichtigen, um Gewinne zu maximieren – und das auch in Zeiten multipler Krisen.
# 2: Buy and Hold ist die einzige und beste Strategie
Aktien kaufen, Schlaftabletten nehmen, reich werden: Dazu riet einst Börsenaltmeister André Kostolany. Eine solche klassische Buy-and-Hold-Strategie basiert auf der Annahme, dass sich der Markt langfristig immer nach oben entwickelt. „Das hat sich zwar über Jahrzehnte hinweg bewährt, allerdings sind moderne Finanzmärkte hochgradig dynamisch“, weiß Vito Micoli. Globale Krisen, technologische Disruptionen wie zuletzt durch DeepSeek, geopolitische Unsicherheiten und die Tendenz hin zu Algorithmus-gestütztem Handel führen zu schnelleren und stärkeren Marktbewegungen. „Studien wie die Dalbar- Analyse zeigen zudem, dass viele Privatanleger langfristig schlechter abschneiden als der Markt, weil sie selbst dazu neigen, emotional zu handeln, versuchen, den Markt zu timen, und häufig umschichten“, weiß der Profi. „Auch wer langfristig an Unternehmenswerten oder ETFs festhält, die nicht immer genügend wettbewerbsfähig sind, schmälert das Plus auf dem Konto.“ Eine Kombination aus strategischem Rebalancing und langfristiger Planung kann hier eine sinnvolle Alternative sein.
# 3: Der beste Zeitpunkt zum Investieren lässt sich vorhersagen
Zahlreiche Anleger warten auf den perfekten Einstiegszeitpunkt, verpassen dadurch aber Chancen, wenn die Kurse weiter steigen oder sich Erholungsphasen nach Rücksetzern einstellen. „Märkte sind unvorhersehbar. Selbst Experten können hier falsch liegen“, betont Vito Micoli. KI-basierte Analysen helfen jedoch, Chancen in Echtzeit zu erkennen, emotionale Fehlentscheidungen zu vermeiden und die Effizienz der Anlagestrategie zu maximieren. So können Marktchancen schneller und präziser genutzt werden als durch klassische, manuelle Entscheidungen
# 4: Nur Aktien oder Immobilien bringen langfristig stabile Renditen
Traditionelle Investoren setzen oft auf klassische Anlageformen wie Aktien oder Immobilien. Doch ein rein aktien- oder immobilienbasiertes Portfolio ist für Marktschwankungen anfällig wie bei der Dotcom-Blase (2000–2002) oder bei der durch Subprime-Kredite ausgelösten Immobilien- und Finanzkrise (2007–2009). „Intelligente Diversifikation über verschiedene Assetklassen steigert die Stabilität und sorgt für eine nachhaltige Performance“, stellt Vito Micoli klar. Neben Aktien und Immobilien können dabei etwa auch Rohstoffe oder Produkte, die eine fixe Verzinsung mit zusätzlicher Gewinnbeteiligung kombinieren, wertvolle Ergänzungen im Portfolio sein.
# 5: Gute Anlagestrategien sind kompliziert und erfordern Expertenwissen
Privatanleger fühlen sich bei Finanzentscheidungen oft überfordert – sei es durch die Fülle von Informationen, den komplexen Fachjargon oder die Angst vor Fehlentscheidungen. „Zwar attestierte etwa die OECD in ihrem Monatsbericht Mai 2024 deutschen Bürgern im internationalen Vergleich eine gute Finanzkompetenz, allerdings verwiesen die Experten auch auf klare Lücken in bestimmten Themenbereichen“, weiß Vito Micoli. Handlungsbedarf besteht dabei vor allem in den Bereichen langfristiges Sparen und Altersvorsorge sowie Beteiligung am Kapitalmarkt. „Entsprechend wichtig ist es nicht nur, dass erfahrene Trader Software-optimierte Prozesse überwachen und bei Bedarf manuell eingreifen, sondern Anleger auch transparent über Produktmöglichkeiten von Fix-Zins-Sicherheit bis Gewinnbeteiligung informieren“, betont Vito Micoli.
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