Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins erneut gesenkt und setzt damit ihren Zinssenkungskurs fort. Während einige Experten die Maßnahme als erwarteten Schritt bewerten, warnen andere vor möglichen Risiken für Inflation und Kapitalmärkte.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat beschlossen, die Zinsen um 25 Basispunkte zu senken. Damit liegt der Einlagezins nun bei 2,75 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,90 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 3,15 %. Die Änderungen treten am 5. Februar 2025 in Kraft. Diese Entscheidung wurde von den Märkten weitgehend erwartet, doch die Einschätzungen zu den Folgen der Zinssenkung gehen auseinander.
Marktreaktionen und wirtschaftliche Einordnung
Florian Heider, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, bewertet den Schritt als strategische Maßnahme in einem unsicheren Umfeld: „Die Märkte hatten diesen Schritt längst eingepreist – ein Zeichen dafür, dass die EZB kaum noch Spielraum hat, die Zinsen konstant zu halten, um beispielsweise die immer noch hohe Inflation zu bekämpfen.“ Er warnt jedoch, dass die Notenbank flexibel bleiben müsse, um kurzfristig auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können.
Auch Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden der Hamburg Commercial Bank, sieht die Entscheidung als Schritt hin zu einer stabileren Zinsstruktur: „Dies ist ein weiterer Schritt weg von der momentanen inversen Zinsstruktur und damit in eine normale Welt, in der der Preis des Geldes immer höher wird, je länger es zur Verfügung gestellt wird.“ Axmann rechnet allerdings nicht mit weiteren deutlichen Zinssenkungen, solange Inflation oder wirtschaftliche Unsicherheiten nicht zunehmen.
Mögliche Auswirkungen auf Inflation und Kapitalmärkte
Die Inflationsentwicklung bleibt ein zentraler Unsicherheitsfaktor. Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, warnt vor möglichen Risiken: „Noch immer ist die Inflation im Euroraum nicht gebannt. Obwohl der Zielwert von zwei Prozent noch immer nicht erreicht ist, senkt die EZB erneut die Leitzinsen. Das könnte sich rächen.“
Eine ähnliche Einschätzung teilt Prof. Dr. Steffen Sebastian vom IREBS Institut für Immobilienwirtschaft. Er verweist darauf, dass Zinssenkungen mit Verzögerung wirken, die Kapitalmärkte aber sofort reagieren. „Sollte der Markt wegen der Zinssenkung der EZB wieder mehr Inflation erwarten, könnte das zu einer Erhöhung der langfristigen Zinsen führen.“
Folgen für Immobilienmärkte und Investoren
Für den Immobiliensektor dürfte die aktuelle Entscheidung jedoch keine großen Veränderungen mit sich bringen. Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe, sieht keine nennenswerten Auswirkungen auf die Branche: „Selbst ein psychologischer Effekt ist nicht zu erwarten, da sich die Zinsen mittlerweile auf einem Niveau befinden, mit dem die Branche wieder gut arbeiten kann.“
Ähnlich äußert sich Dr. Tim Schomberg, CEO von KINGSTONE RE: „Die EZB trägt mit ihrer heutigen Aktion dazu bei, den Korridor für den langfristigen Zinssatz zu stabilisieren. Dies ist eine gute Nachricht für Immobilieninvestoren, da ein normalisierter Zinsmarkt langfristige Investitionen – wie Immobilien – verlässlicher macht.“
Zinsentwicklung bleibt unsicher
Wie sich die Zinsen weiterentwickeln, hängt maßgeblich von der Inflationsrate und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei HIH Invest, prognostiziert eine anhaltende Diskussion über den geldpolitischen Kurs der EZB: „Die Zinsdifferenz zu den USA wird sich weiter ausweiten und den Euro belasten. Die Kerninflation sowie die Preisdynamik im Dienstleistungsbereich werden vermutlich weiterhin über dem EZB-Ziel liegen. In dieser Gemengelage dürften die Diskussionen über den geldpolitischen Kurs der EZB ab Mitte des Jahres kontroverser geführt werden.“
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