Nachhaltigkeit hat für die Menschen in Deutschland einen hohen Stellenwert. Zwei Drittel (67 Prozent) der im Rahmen einer Studie Befragten geben an, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Doch nur ein Zehntel der Befragten berücksichtigt bereits heute Nachhaltigkeit als ein entscheidendes Auswahlkriterium bei der Geldanlage. Dies geht aus einer Befragung von 3.500 Privatpersonen in Deutschland ab 18 Jahren zum Thema Nachhaltigkeit und Geldanlage hervor, die das Rheingold Institut im Auftrag von Union Investment durchführte.
Geldanlage und Nachhaltigkeit werden bislang überwiegend als getrennte Welten wahrgenommen. Das dürfte auch an der sehr unterschiedlichen Motivation liegen, die jeweils dahintersteht: Während die Befragten in Bezug auf Finanzanlagen meist selbstbezogene Motive wie die Sicherung des eigenen Vermögens nennen, stehen beim Thema Nachhaltigkeit die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft im Vordergrund. Das spontane Verständnis von Nachhaltigkeit prägen vor allem ökologische Aspekte, deutlich stärker als soziale Faktoren oder eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Bei Finanzanlagen dominieren nach wie vor klassische Sparziele wie der Wunsch nach Rendite und Sicherheit in Verbindung mit den Anlagemotiven Vermögensaufbau und Altersvorsorge.
Wenige glauben an Einfluss ihrer Investitionen auf Unternehmen
Wenig verbreitet ist bislang das Wissen, dass sich mit der eigenen Geldanlage ein Wandel der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit fördern lässt. Dabei will auch die Europäische Union (EU) die Finanzmärkte nutzen, um eine nachhaltigere Ausrichtung der Unternehmen voranzutreiben. Allerdings glauben nur 13 Prozent der Befragten, mit ihren Investitionen Einfluss auf das Management und die Geschäftspraktiken von Unternehmen ausüben zu können.
Bei der Förderung der Nachhaltigkeit sehen die Befragten vor allem Industrieunternehmen (84 Prozent, Mehrfachnennungen) und die Politik in der Pflicht (83 Prozent), ebenso sich selbst als Verbraucher*in (82 Prozent). Deutlich weniger relevant erscheinen ihnen hierbei Finanzdienstleister (55 Prozent). Verbraucher*innen ist anscheinend häufig nicht bekannt, dass die Geldanlage Bestandteil ihrer Nachhaltigkeitsbestrebungen sein kann. So sehen sie bei der Nachhaltigkeitsförderung im Branchenvergleich zwar dringenden Handlungsbedarf in den Bereichen Energie (78 Prozent), Verkehr und Transport sowie Industrieproduktion (jeweils 76 Prozent, Mehrfachnennungen), jedoch am wenigsten bei Finanzdienstleistungen mit nur 34 Prozent der Nennungen. Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, meint dazu:
Vielen Menschen ist offenbar nicht bewusst, dass auch die Finanzbranche zur nachhaltigen Transformation beitragen muss. Denn diese kann nur im Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gelingen. Ökonomie braucht Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit Finanzierung. Dabei kommt es darauf an, den regulatorischen Rahmen so zu gestalten, dass eine Breitenwirkung erzeugt werden kann.
Informationen und Beratung verändern Einstellung zu nachhaltigen Investments stark
Die Ergebnisse der Befragung scheinen somit auf den ersten Blick nicht auf ein großes Potenzial nachhaltiger Geldanlagen im deutschen Markt hinzudeuten. Jedoch wandelt sich das Bild erheblich, nachdem die Befragten nähere Informationen zu nachhaltigen Finanzanlagen erhalten haben. Auf dieser Grundlage ist fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent, gestützte Befragung) der Ansicht, dass sich Finanzanlagen und Nachhaltigkeit gut verbinden lassen.
Und 32 Prozent der informierten Befragten – ein Plus von 22 Prozentpunkten gegenüber dem ursprünglichen Anteil – geben nun an, dass sie bei der Auswahl von Finanzanlagen auf Nachhaltigkeit achten wollen. Von den Befragten sind sogar 41 Prozent zur Überzeugung gelangt, Nachhaltigkeit durch Kapitalanlagen fördern zu können. Darüber hinaus sorgen Informationen für ein differenzierteres Nachhaltigkeitsverständnis. Neben ökologischen Aspekten wie dem Klima- und Umweltschutz (77 Prozent, Mehrfachnennungen) sehen die Befragten nun auch soziale und faire Produktionsbedingungen (43 Prozent) sowie eine verantwortliche Unternehmensführung (38 Prozent) als Bestandteile der Nachhaltigkeit.
Dieser im Rahmen der Studie festgestellte Wandel der Einstellung zu nachhaltigen Geldanlagen durch mehr Informationen unterstreicht den hohen Beratungsbedarf der Anleger*innen bei diesem Thema. Das sieht auch Reinke so:
Die Beratung ist für eine breite Akzeptanz und Verbreitung nachhaltiger Finanzanlagen entscheidend. Durch die ab August in der Anlageberatung verpflichtende Nachhaltigkeitspräferenzabfrage werden sich mehr Menschen mit nachhaltigen Geldanlagen auseinandersetzen und erkennen, dass Nachhaltigkeit weit mehr ist als Ökologie.
Nachhaltigkeit ist für Wohlstand relevanter als Luxus
Die Vereinbarkeit von Finanzanlagen und Nachhaltigkeit sollte sich Sparer*innen auch dadurch gut vermitteln lassen, dass nachhaltige Aspekte schon häufig Teil ihres Wohlstandsbegriffs sind. Auf die Frage, was aus ihrer Sicht alles zu Wohlstand beziehungsweise einem guten Lebensstandard gehöre, nannten die Befragten neben materiellen Aspekten wie der Freiheit von finanziellen Sorgen (69 Prozent) meist auch nachhaltige Aspekte wie den sozialen Frieden und soziale Gerechtigkeit (60 Prozent) sowie eine intakte Natur (56 Prozent). Dagegen beinhaltet Wohlstand nur für 14 Prozent den Besitz von Luxusgütern wie teuren Autos, Uhren oder Schmuck.
Ihren Wohlstand sehen wiederum zwei Drittel (66 Prozent) durch den Klimawandel gefährdet. Und mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) ist überzeugt, dass das Streben nach Nachhaltigkeit den Wohlstand fördern kann. Gegenteiliger Ansicht sind 24 Prozent, die in der Nachhaltigkeit eine Gefahr für den Wohlstand sehen.
Bei Finanzanlagen werden durch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit vielfach Abstriche bei der Rendite und Sicherheit befürchtet. So verbinden nur 35 Prozent bzw. 30 Prozent mit nachhaltigen Investments eine gute Rendite und Sicherheit. Andererseits halten die meisten Befragten nachhaltige Anlagen für innovativ (66 Prozent), sympathisch (64 Prozent) und wirksam (58 Prozent). Reinke erläutert:
Nachhaltigkeitskriterien ergänzen die klassische Wertpapieranalyse und helfen, mögliche Risiken besser einzuschätzen. Sie tragen auch dazu bei, besonders zukunftsfähige Unternehmen zu identifizieren.
Rendite- und Sicherheitsbedenken ließen sich daher meist durch eine strukturierte Auseinandersetzung mit nachhaltigen Geldanlagen ausräumen, so Reinke.